Aus der militärischen Logik ausbrechen
Für eine solidarische, internationalistische Friedensbewegung
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Um den Jahrestag der Invasion Russlands in die Ukraine demonstrierten und gedachten viele tausend Bürger*innen bundesweit. Das zeigt, dass es einen großen Wunsch in der Bevölkerung gibt, dem Diskurs von immer mehr Waffenlieferungen ohne Plan und Strategie eine friedenspolitische Position entgegenzustellen. Die Bilanz von einem Jahr Krieg sind zehntausende Tote, Millionen Geflüchtete und zahlreiche zerbombte Städte. Irgendwann wird dieser Krieg am Verhandlungstisch enden, da das Schlachtfeld keinen klaren Sieger bringen wird. Dem geht vermutlich ein langer, blutiger Stellungskrieg voraus. Eine neue Friedensbewegung muss dazu beitragen, dass dies verhindert wird. Die zentralen Forderungen für eine internationale und internationalistische Friedenbewegung müssen sein, dass 1. die Ukraine und Russland zu Gesprächen zurückkehren, 2. Russland seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht und 3. eine weitere Eskalation des Kriegs durch immer mehr Waffengewalt verhindert wird.
Zeitenwende – was sind unsere Antworten?
Der Angriffskrieg hat zu einer grundlegenden Veränderung in der deutschen Politik geführt: 100 Milliarden werden in die Aufrüstung gesteckt, was Deutschland in wenigen Jahren den drittgrößten Militärhaushalt weltweit bescheren wird. In Europa und weltweit ist eine neue Hochrüstungsspirale zu beobachten. Die NATO, vor einiger Zeit noch als „hirntot“ bezeichnet, geht aus dem Konflikt gestärkt hervor. Während die Lieferung schwerer Waffen in Leopardenkostümen gefeiert wird, werden die Kritiker*innen dieser Entwicklung unter der Gürtellinie angegangen. Differenzierte Stimmen, die sowohl die Souveränität und das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine betonen, als auch Verhandlungen und Deeskalation fordern, gehen in der Debatte unter.
Die richtige Antwort auf den Angriffskrieg Russlands ist schwierig und sowohl in der gesellschaftlichen Linken als auch der Friedensbewegung umstritten. DIE LINKE. besteht so gut wie ausnahmslos aus überzeugten Kriegsgegner*innen. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen fallen auch bei uns die Reaktionen auf Russlands Angriffskrieg unterschiedlich aus. Pazifistinnen diskutieren plötzlich, ob Waffenlieferungen im Falle der Verteidigung doch in Ordnung sind, Völkerrechtler vermuten, dass die Forderung nach einem Truppenabzug Russlands unrealistisch sei. Die Positionen und vor allem die Lösungsvorschläge verlaufen quer zu Strömungen und Lagern in der Partei.
Wir sind der Meinung – egal wie man persönlich zur Frage der Waffenlieferungen steht – dass DIE LINKE die Partei sein sollte, die aus der militärischen Logik ausbricht und sich der „Zeitenwende“ entgegenstellt. Wir verweigern uns der Gleichsetzung von Solidarität mit Waffenlieferungen. Für die politische Unabhängigkeit braucht die Ukraine einen Schuldenschnitt, sodass weiter Löhne und Renten gezahlt werden können. Die sichere Aufnahme von Millionen geflüchteter Ukrainer*innen und ihre Integration in Kinderbetreuung, Bildung, Arbeit und Wohnraum ist immens wichtig. Hier steht die LINKE als einzige Partei ganz klar an der Seite aller Geflüchteten. Eine Aufnahmeoffensive von russischen Deserteuren würde Russland würde ein deutliches Zeichen setzen und Russlands Fähigkeit zur Kriegsführung schaden. Gleichzeitig sind wir als LINKE ebenso dagegen, dass ukrainische Männer in diesem Krieg kämpfen müssen. Auch für sie gilt das Recht auf Kriegsdienstverweigerung und politisches Asyl.
Das Sondervermögen und die Hochrüstung werden unseren erbitterten Widerstand erfahren. Die Aufrüstung gefährdet nicht nur die internationale Sicherheit, sie läuft unvermeidlich auf Kosten der Renten, Schulen und des Kampfs gegen die Klimakrise.
Wie weiter mit der Linken und der Friedensbewegung?
Nicht nur DIE LINKE ist in einer Mobilisierungskrise, die Friedensbewegung ist es ebenso. Ein Promiaufruf kann keinen tragfähigen Bündnisaufbau ersetzen, er könnte aber Teil einer Strategie zur Popularisierung von Forderungen sein. Initiativen für Frieden, die sich nicht klar von Rechts abgrenzen, spalten die Partei und die gesellschaftliche Linke. Sie schwächen damit die wichtigsten Kräfte für die Forderungen nach Deeskalation und Abrüstung.
Für uns ist trotzdem klar: Friedenspolitisch ansprechbare Akteure finden sich an den verschiedensten Stellen der Zivilgesellschaft auf einem breiten politischen Spektrum. Breite Bündnisse gegen den Krieg umfassen für uns selbstverständlich unterschiedliche Akteure, wie etwa Kulturinstitutionen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände oder Kirchen. Bei Rechten, wie etwa AfD und Querdenkern, ziehen wir jedoch eine klare Linie.
Als LINKE müssen wir sichtbar und mit einem klaren Profil in die gesellschaftliche Auseinandersetzung eingreifen. DIE LINKE muss in den nächsten Monaten aktiver das Gespräch mit potenziellen Bündnispartnern suchen, um die Perspektive von diplomatischen Gesprächen und Abrüstung im politischen Diskurs zu stärken. Die Deals über das Getreideabkommen oder die Gefangenenaustausche zeigen, dass es auch im Krieg möglich ist, über Konkretes zu verhandeln. Vermittlungsangebote, wie die aus Brasilien und China, sollten die Bundesregierung und die EU nicht so schroff abweisen. Selbst der jüngste chinesische Handlungsvorschlag beruht auf einem Truppenabzug Russlands. Anders als der Westen kann Peking Putin zu einem Ende des Kriegs zwingen, da China größeren Einfluss in Russland hat.
Parteiintern brauchen wir mehr Diskussionsformate, in denen jenseits von Machtpolitik auf Augenhöhe gesprochen werden kann. Wir müssen in der Partei zu einer Kultur zurückkehren, in der Verbindendes in den Mittelpunkt des gemeinsamen Handelns gestellt wird und nicht die Unterschiede in innerparteilichen Aufrufen zementiert werden. Bis zu den Ostermärschen ist nicht mehr viel Zeit. Wir wollen uns darum kümmern, dass DIE LINKE als wichtiger Teil der Friedensbewegung sichtbar auf der Straße und in den Parlamenten steht – und damit auch an einer Erneuerung der Friedensbewegung mitwirken.