Lasst uns mutig sein!

Wir müssen nicht drum herumreden: Die schlechten Wahlergebnisse der Partei Die Linke bei den Europawahlen sind besorgniserregend und enttäuschend. Seit Jahren vollzieht sich ein immenser gesellschaftlicher und politischer Rechtsruck im Land und wir fallen als Partei weitgehend aus. Noch Schlimmer: Dieser Rechtsruck wurde auch aus der Linken heraus durch Sahra Wagenknecht und Teilen ihrer Anhängerschaft verstärkt. Blicken wir auf die Zeit seit der Gründung von BSW und auf deren programmatische Positionen, so war eine Spaltung von der Linken unvermeidbar. Von Koalitionen mit der CDU bis zu Kooperationen mit der rechtsextremen AfD scheint für Sahra Wagenknecht alles möglich zu sein. Das BSW ist nicht links, sondern verortet sich selbst rechts der SPD. Daher braucht es jetzt eine starke Linke mehr denn je - auf der Straße und in den Parlamenten.

Wir stehen an einer Weggabelung

Es gibt für Die Linke zwei Wege wie wir in die Zukunft gehen können: Der eine Weg ist, dass wir den Kopf in den Sand stecken, in Selbstmitleid baden, beklagen, was alles immer falsch gelaufen ist, gegenseitig mit dem Finger aufeinander zeigen und die Schuld bei Personen und Zusammenschlüssen in der Partei suchen. Diesen Weg sind wir viele Jahre gegangen und einige von uns sind darin sehr geübt, nur wirklich erfolgreich war dieser Weg bisher nicht. Darin sind wir uns sicher einig.

Der andere Weg ist, dass wir die Ärmel hochkrempeln uns aufrecht hinstellen und mutig kämpfen. Kämpfen für Arme, Beschäftigte, Obdachlose, Geflüchtete, Queere Menschen, Kinder und Ältere, für alle Diejenigen, die keine Stimme haben und die wütend sind über die ungerechten Verhältnisse im Land. Kämpfen für die Menschen, die kaum noch ihre Miete bezahlen können, erschöpft sind von der Sorgearbeit in der Kita oder in der Pflege, die von Behörden und von den Rechten diskriminiert werden. Wir müssen diese Wut und Erschöpfung aufgreifen und ihr eine Stimme geben, sonst wird der Rechtsruck alle diese Menschen überrollen. Menschen, für die wir Politik machen wollen. Dieser Weg ist meiner Meinung nach der Einzige Weg für unsere Partei.

Klar ist auch, dass wir für unseren weiteren Weg eine Analyse der Wahlergebnisse brauchen, sowohl inhaltlich wie organisatorisch. Dazu gehört auch eine Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse. Themen wie Klima, Krieg und die soziale- und wirtschaftlichen Krisen spielen dabei eine große Rolle und wir müssen als Linke hierfür konkrete und brauchbare Antworten liefern.

In der Partei wird nun viel darüber diskutiert, was der richtige Ansatz ist auf diesem Weg. Die Einen bringen immer wieder die Erfolge der KPÖ ins Spiel und damit verbunden die Idee, weniger Blumenstrauß-Politik zu betreiben, um sich beispielsweise auf die Mieten- und Wohnungspolitik zu fokussieren. Manche verknüpfen diese Ausrichtung mit dem Vorwurf, wir dürften nicht grüner als die Grünen werden und sollten der Klimapolitik in der Linken nicht mehr so viel Raum geben. Zusätzlich gibt es die immer lauter werdende Forderung von Einigen nach einer Ost-Strategie, also einer neuen PDS 2.0. Nun, ich selbst bin vor bald 30 Jahren Mitglied der PDS geworden, allerdings im Westen. Zurück zur PDS möchte ich trotzdem nicht, bei aller Nostalgie. Und es gibt immer wieder auch den Vorwurf, dass „der Bewegungsansatz der Parteiführung gescheitert sei“. Ich frage mich dabei immer, welcher Bewegungsansatz gemeint ist, denn diesen haben wir – selbstkritisch betrachtet – nicht wirklich umgesetzt in der Partei, mit Ausnahme einzelner Kandidaturen wie die von Carola Rackete und Gerhard Trabert bei der Europawahl.

Wir brauchen jetzt jedenfalls keine neue Linke, keine Neugründung und auch keine Strategie des entweder Ost oder West. Ein seit über 30 Jahren wiedervereinigtes Land braucht eine bundesweit agierende linke Partei. Und wir brauchen auch keine Entscheidung zwischen Sozial- und Klimapolitik. Was wir brauchen ist eine Antwort und eine Idee im Umgang mit den Kriegen und der Militarisierung, der Klimakatastrophe und der Mietenpolitik. Wir müssen dann unsere Positionen dazu deutlich und wahrnehmbar nach außen vertreten.

Blumen sind wichtig für das Klima

Mein politischer Schwerpunkt in der Kommunalpolitik ist die Klimapolitik. Viele der neuen Mitglieder in unserer Partei kommen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung. Und wenn wir bei den Klimastreiks genau hinhören, dann spielen die Interessen von Beschäftigten, weltweite Kriege oder die Wohnungskrise eine große Rolle bei der Lösung der Klimakrise. Das Erreichen der globalen Klimaziele ist die soziale Frage unserer Zeit. Als Antikriegspartei und Partei der Internationalen Solidarität ist der Kampf gegen die weltweite Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen und damit die Zerstörung des globalen Klimas durch einzelne Superreiche und Konzerne auch ein entscheidendes Thema für die Linke.

Eine klimagerechte Mobilitätswende ist insbesondere wichtig für Menschen in Armut. In der Öffentlichkeit wird es zwar oft als Thema von „hippen Großstädtern“ debattiert, die gerne mit dem Lastenrad fahren. Dabei sind vor allem Menschen in Armut vom immensen PKW-Verkehr betroffen, die in günstigeren Wohnungen an viel befahrenen Straßen leben. PKW-Lärm und Feinstaub sowie Stickoxide machen krank. Den Umstieg vom privat genutzten Auto hin zu gut ausgebauten Fuß- und Radwegen, eine kostenlosen ÖPNV mit gut bezahlten Bus- und Strassenbahnfahrer:innen sind durch und durch soziale Themen, die mit der Wohnungskrise eng verknüpft sind.

Wir können als LINKE gerne einen Fokus auf die Wohnungspolitik setzen, vor allem auf lokaler Ebene, wenn wir dabei aber die gesamte breite der Themen rund ums Wohnen betrachten und bespielen. Von der Mieten- und Nebenkostenberatung, vom mangelnden Wohnraum über teure Mieten bis zum Leerstand, von der klimagerechten Energie- und Mobilitätswende bis zur rassistischen Diskriminierung bei der Vergabe von Wohnraum. Die vorhandenen Themen sind vielfältig. Mein Plädoyer ist daher, in den nächsten Monaten den Fokus auf Wohnungspolitik zu setzen, aber auch einen schönen Blumenstrauß auf den Tisch zu stellen.

Mutig voranschreiten

Der Parteivorstand hat mit dem Plan25 eine organisatorische Leitschnur bis zur nächsten Bundestagswahl beschlossen, an der wir uns entlang orientieren können und müssen. Organisation und eine inhaltliche Strategie wie den Fokus auf die Mietenpolitik alleine genügt aber nicht. Was wir jetzt auch wieder brauchen ist Mut.

Wir brauchen Mut uns den Reichen und Mächtigen entgegenzustellen. Die Menschen müssen uns wieder darin vertrauen, dass wir uns „mit denen da Oben“ – mit den Mächtigen anlegen. Dazu braucht es führungsstarke Persönlichkeiten in der Partei, die sich Vorne hinzustellen und die den Gegenwind vom politischen Gegner, Medien und der bürgerlichen Mehrheitsgesellschaft aushalten. Die sich auch mal ein blaues Auge abholen und die einen klaren Kompass haben für wen sie Politik machen. Die klar unsere politischen Positionen benennen und auch selbstbewusst vertreten, gerade wenn Debatten in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden. Genau dann müssen wir uns Gehör verschaffen. Denn für unsere Inhalte lohnt es sich zu kämpfen und diese auch deutlich nach außen zu tragen.

Frieden für eine lebenswerte Welt

Zum Krieg Russlands gegen die Ukraine wird seit über zwei Jahren eine sehr kontroverse gesellschaftliche Debatte geführt. Die Linke ist die einzige Partei, die konsequent Waffenlieferungen in Kriegsgebiete wie der Ukraine ablehnt, die aber auch als einzige konsequent solidarisch an der Seite der Ukrainer:innen steht, die vor dem Krieg geflohen sind und nun vor einem möglichen Kriegseinsatz desertieren.

Unsere Forderung ist: „Keine Waffenlieferungen an die Ukraine, stattdessen Bürgergeld für Ukrainer:innen. Frieden wird es nur mit Verhandlungen geben.“ Für diese Position werden wir von der öffentlich wahrnehmbaren Mehrheit massiv kritisiert und geächtet. Es ist unsere Aufgabe, diese Position zu halten und denjenigen eine Stimme zu geben, die wütend sind über die immense Aufrüstung und Militarisierung. Die mit ihrem Geld kaum über die Runden kommen, denen das Bürgergeld gekürzt werden soll, damit die Rüstungsausgaben erhöht werden können. Es gab zum Krieg gegen die Ukraine einige Beschlüsse im Parteivorstand, nur wurden diese nicht vehement und deutlich nach außen getragen. So konnte der Eindruck entstehen, wir würden zum Krieg schweigen. Ähnlich ist es beim Krieg in Gaza. Wir haben gute Beschlüsse. Nur wer kennt diese wirklich?

Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen, ob wir mit unseren Positionen anecken oder nicht. Wir müssen anecken bei der CDU/CSU, bei der Ampelregierung, bei den Superreichen wie der Familie Quandt, bei Lobbygruppen wie Haus&Grund und Immobilienhaien wie Vonovia, bei den Benkos dieser Welt. Gleichzeitig müssen wir Anerkennung gewinnen bei den Menschen, für die wir Politik machen wollen. Für die Menschen die wütend und erschöpft sind. Denn wenn wir nicht mehr anecken, dann machen wir etwas falsch. Dann stimmt entweder unsere Position nicht oder es kann auch sein, dass wir diese garnicht oder nicht klar nach außen kommunizieren.

Eine kontroverse Debatte wird ebenfalls zum Krieg in Gaza geführt. Auch hier können und müssen wir anecken. Wenn wir im Bundestag die Anerkennung des Staates Palästina beantragen und zur Abstimmung bringen, dann werden uns die etablierten Parteien von der CDU bis zu den Grünen vermutlich Antisemitismus vorwerfen. Wir müssen diesen billigen Vorwürfen standhalten und erst recht einen solchen Antrag stellen. Damit gewinnen wir die Anerkennung derjenigen, die mit den Menschen in Palästina solidarisch sind und von Rassismus und Repressionen betroffen sind. Wir müssen Haltung zeigen.

Treten wir den Reichen ans Schienbein

Von CDU bis zur Ampel werden die Stimmen wieder laut, die Fordern das Bürgergeld zu kürzen und die Bezieher:innen von Bürgergeld zu sanktionieren. Die Politik tritt gegen die Ärmsten. Das macht viele wütend. Lasst uns als Linke stattdessen den Mächtigen entgegentreten. Lasst uns die Namen der Reichen in Deutschland nennen. Derjenigen, die Beschäftigte ausbeuten und das Klima zerstören. Da wäre Dieter Schwarz, Eigentümer von Lidl, der sein Milliardenreichtum auf dem geschundenen Rücken der vielen Frauen und Männer in den Lidl-Filialen immer weiter ausbaut. Oder Susanne Klatten und Stefan Quandt, die BMW-Erben, die nicht arbeiten müssen für ihr immenses Vermögen. Diese Milliardenvermögen sind pervers und müssen in großen Teilen dem Gemeinwohl zugeführt werden. Für die Gehälter von Erzieher:innen, Pflegekräften, Einzelhändler:innen, für die Infrastruktur und für die Enteignung von Vonovia&Co. Wir wollen das Geld von Dieter Schwarz und den Quants umverteilen. Sie müssen für die Krisen bezahlen und nicht die Ärmsten. Schluss mit der Ausbeutung der 99 Prozent der Bevölkerung.

Die Herzen der Menschen gewinnen

Wir brauchen endlich wieder Mut. Mut und Haltung auch dann, oder gerade dann, wenn wir Gegenwind bekommen. Alle rufen nach Abschottung gegenüber Geflüchteten? Wir sagen Nein! Alle treten gegen Bezieher:innen von Bürgergeld? Wir stellen uns vor sie und verlangen, dass den Reichen ihr Reichtum gekürzt wird. Die einen rufen immer mehr nach Krieg? Wir rufen nach Frieden. Die Immobilienlobby will Mieten erhöhen, wir kämpfen dafür, dass Mieter:innen ihr Geld zurückbekommen.

Genoss:innen, wir müssen wieder mutig sein, Haltung zeigen und uns dem medialen und politischen Mainstream entgegenstellen, anecken und polarisieren. Als einzige Linke in Deutschland müssen wir wieder selbstbewusst auftreten. Dafür braucht es auch viele mutige Genoss:innen, die bereit sind sich dem Gegenwind entgegenzustellen. Und ich weiß, dass es viele von uns gibt, die bereit dazu sind. Meldet Euch zu Wort, bringt Euch ein, erhebt Eure Stimme innerhalb der Partei und nach außen. Die Linke braucht Euch nicht irgendwann, sondern jetzt. Dann schaffen wir es auch wieder, die Herzen und Stimmen der Wähler:innen zu gewinnen.