Wir wachsen – und mit uns die Aufgaben

Was die Partei geleistet hat – in langen heftigen Auseinandersetzungen, gegen alle Widerstände, trotz des offensichtlichen Versuches, diese Partei zu vernichten! Wie sie sich durch das ‚Tal der Tränen‘ kämpfte, wie sie währenddessen diskutierte, wohin sie sich entwickeln soll, Vorarbeiten leistete, inhaltlich, strukturell: Und jetzt, im entscheidenden Moment, ist sie da. Das ist – und Glück gehört immer dazu – eines der größten politischen Leistungen der letzten Jahrzehnte. Es ist der Pol der Hoffnung, während global der autoritäre Kapitalismus voranschreitet. Der Dank geht an alle: Die, in schweren Zeiten dabei geblieben sind, von der Basis bis zur Spitze, wie die, die in jüngster Zeit zu uns gekommen sind, Verantwortung übernommen haben oder an den ersten Haustüren klopften.

Aber nicht nur wegen der guten Vorbereitung, der guten Organisation und der begeisternden Zusammenarbeit: Es sind auch die dramatischen Entwicklungen in Deutschland und weltweit bei gleichzeitiger erschreckender Rechtsentwicklung der anderen Parteien, die uns als Partei eine neue Kraft, aber auch eine neue Rolle gegeben haben. Diese neue Rolle, diese Aufgabe ist enorm – und sie ist mit unserem Ergebnis, mit unseren vielen neuen Mitgliedern nun noch einmal gewachsen: Wir müssen die neuen Aufgaben verstehen und uns derer annehmen.

Bislang galten wir als Partei, die den Finger in die Wunde legt, die versucht, in einigen Bereichen Verbesserungen anzumahnen, die Diskurse bereitet hat, auch um langfristig Erfolge bei einzelnen Themen durchzusetzen. Aber es sind nun zwei Ereignisse, die die Krisenheftigkeit des Systems verdeutlichen und beschleunigen, mit denen die Menschen aber auch anders auf uns schauen, die uns eine andere, größere Aufgabe zuteilwerden lassen: global die Machtübernahme Trumps, national die Zusammenarbeit zwischen AfD und den Konservativen. Auf diese beiden Entwicklungen können nur wir eine Antwort finden. SPD noch Grüne verweigern diese nicht nur, viel schlimmer: Sie rücken ebenfalls weiter nach rechts.

Die Machtübernahme Trumps verdeutlichte, mit welchen Spielregeln das neue Tech-Kapital im Bündnis mit dem alten, fossilen Kapital die imperialistische Wiese betritt. Trump und seine Gefährten sind bereit, die Welt unter den imperialen Mächten aufzuteilen und quasi-koloniale Einflusssphären abzustecken. Faschistoide Vorgehensweisen gehören für sie dazu. Die Aufteilung kann zwar vorübergehend die Folge haben, dass ein weltweiter Konflikt zeitlich verschoben wird, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er später wirklich als Weltkrieg auftritt.

In Deutschland haben sich Trump bzw. Musk – wie Putin – die AfD als Partnerin gesucht. Merz wiederum deutete im Vorfeld an, dass er mit der AfD zusammenarbeiten würde. Er wird – noch – nicht mit ihnen koalieren, aber der Dammbruch ist vollzogen, was insbesondere für die regionale Zusammenarbeit Folgen hat. Außerdem: Auf dem CDU-Parteitag war es nicht die Menschenfeindlichkeit, die Geschichtsvergessenheit oder der Faschismus in der AfD, die zur Ablehnung einer Zusammenarbeit führe: Merz nannte die fehlende Westbindung, die NATO-Gegnerschaft und die Ablehnung des Euro, die ihn von der AfD trenne. Dabei ‚vergaß‘ Merz, dass die AfD die Westbindung vollzogen hat. Die beiden anderen trennenden Punkte können mittlerweile als AfD-Folklore abgetan werden.

Der Schulterschluss zu einem autoritären Kapitalismus ist vollzogen: In Fragen der Migration, der Wirtschafts- und der Sozialpolitik sind die Konservativen von den Reaktionären nicht weit entfernt. Medial – auch das ist relevant – wird der Rechtsruck von Springer und Konsorten begleitet.

Das sind tektonische Verschiebungen. Zwar distanziert sich Merz gegenwärtig zum autoritären Handeln Trumps: Es wird aber immer klarer, dass er vieles von Trumps autoritärem Kapitalismus übernehmen wird. Welche Rolle er international spielen möchte, ob er Europa als weitere imperiale Macht aufbauen – oder unter die Führung der USA unterordnen möchte, ist noch nicht endgültig klar.

SPD und Grüne reagieren auf die Ereignisse völlig planlos. International, weil sie bislang ausschließlich im NATO-Bündnis unter den USA gedacht haben, national, weil sie der Union die Zusammenarbeit mit der AfD nur aus Prinzip, nicht aufgrund von Inhalten ausschlossen. Sie boten selbst an, rechte Inhalte umzusetzen – nur ‚bitte‘ ohne die AfD. Mittelfristig, so scheint mir, werden SPD und Grüne Europa ebenfalls als eigenständige imperiale Kraft aufbauen wollen, und es gegen China, Russland und wahrscheinlich mit größerer Distanz zu den USA etablieren.

Klar ist: Wenn Europa als imperiale Kraft agieren will, wird das gegenwärtig nur autoritär passieren – über ökonomischen Druck nach innen und nach außen. Eine solche Entwicklung mündet in ein quasi-koloniales Denken: ein weiterer imperialistischer Player, der den Süden ausnutzt und seine Sphäre erweitern will, der nach innen autoritär agiert, wird eher noch schneller in einen nächsten Weltkrieg münden.

Das ist die gefährliche Situation, in der wir uns befinden: eine nahezu komplette Strategielosigkeit bei SPD und Grüne angesichts der neuen Verhältnisse, während die rechten Parteien dem autoritären Kapital nacheifern. Diese Situation ist national wie international fatal. Aber mit unserem Ergebnis kann auch eine linke Antwort entwickelt werden – und die Lage verpflichtet dazu: Der Kampf um ein Europa unter Gleichen, ein Europa der Solidarität, das sich dem imperialen Ränkespiel nicht beugt, sondern dem autoritären, faschistoiden Versuch, die Welt aufzuteilen, ‚Alerta‘ entgegenbrüllt. Ein Europa, das den Fliehenden Schutz gewährt und die Menschen hier stärkt. Das faire Wirtschaftskreisläufe und autonomeres Handeln ermöglicht.

Trotz dieser internationalen Einordnung, trotzdem wir global denken müssen, und dort auch neue Ansätze innerhalb der Partei wie in internationalen linken Netzwerken entwickeln müssen, müssen wir in der Überzeugungsarbeit lokal, regional weitermachen. Im Hier und Jetzt. Weitermachen als Pol der Hoffnung, der direkten Hilfe, des Lautsprechers für die Entrechteten hier und weltweit. Um Menschen zu sammeln, zu ermutigen und zu befähigen.

Das bedeutet:

  • Vernetzung: Ansprechpartner für die Abgehängten genauso sein wie für die Sozialverbände und Gewerkschaften, für Umweltverbände und Friedensinitiativen.
  • Sozialberatung und kampagnenförmige Organisierung: Es braucht Sozialberatung und direkte Hilfe, aber es braucht ebenso die Weiterentwicklung kampagnenförmiger Arbeit.
  • Politische Bildung: Entscheidend ist die Organisierung hin zu einer mobilisierenden, politisch gebildeten Massenpartei. Wir brauchen politische Bildung und Organisierung in Betrieben und Ortsverbänden.
  • Strukturen: Die Partei muss sich in ihren Strukturen vervielfachen, Basisorganisationen und Ortsverbände ermöglichen, offen sein und Anknüpfungspunkte zur Weiterarbeit für die vielen Ehrenamtlichen liefern.
  • Streitkultur und innere Debatten weiter verbessern: Die Streitigkeiten und Debatten müssen intern funktionieren, und intern ausgetragen werden. Nach außen geeint auftreten, nach innen dennoch demokratisch streiten, ist jedoch leichter gesagt als getan.
  • Internationale, mindestens europäische Vernetzung: Entscheidend ist die Findung und Stärkung einer internationalen linken Struktur. Die Diskussion um für oder wider die Nato sollte in Anbetracht der neuen Gegebenheiten der Vergangenheit angehören.
  • Thesen zur Programmatik: In Vorbereitung zur neuen internationalen Entwicklung brauchen wir zeitnah strategische Rahmen, die ins Programm münden.

Wir wissen: Wir werden diskutieren, wir werden weiterhin streiten – aber wir haben angesichts der Tatsache, dass wir geblieben sind, dass wir in der Lawine der imperialistischen Auseinandersetzungen der Fels der Hoffnung sind, gelernt: Wir gehen den Weg gemeinsam, wir verbreitern ihn und halten diese autoritäre Scheiße auf. Ob wir schnell genug sind, uns hier zu entwickeln und uns international besser zu vernetzen, wissen wir nicht. Aber ansonsten macht es ja keiner.