Merz’ Tabubruch: Wie CDU, FDP und BSW der AfD den Weg ebnen

Friedrich Merz reißt für ein billiges Wahlkampf-Manöver die Brandmauer zur AfD ein

Trotz der Hetze gegen Flüchtlinge in den vergangenen Jahren wurde am in der Woche vom 27.1.25 ein neuer Tiefpunkt dessen erreicht, was in Deutschland politisch sagbar und machbar ist. Friedrich Merz und die CDU haben – entgegen ihrer eigenen Aussagen im November – im Parlament bewusst auf eine eventuelle Mehrheit mit den demokratischen Parteien mit einem anderen Antrag verzichtet. Stattdessen haben sie einen Entschließungsantrag eingebracht, der rechtlich ohnehin bedeutungslos ist, da ihm im Bundesrat die Mehrheit fehlt. Es gab keinen sachlichen Grund, diesen Antrag ausgerechnet mit den Stimmen der Rechtsextremen einzubringen – außer purer populistischer Stimmungsmache.

Doch selbst in dieser populistischen Taktik springt Merz zu kurz. Das Beispiel Österreichs zeigt aktuell eindrucksvoll, dass konservative Parteien, die sich durch eine Anbiederung an Rechtsextreme erhoffen, Wählerstimmen zu gewinnen, am Ende nur die Rechtsaußen-Partei selbst stärken. Noch schlimmer: Solche Aktionen tragen aktiv zur Normalisierung der AfD bei. Sie wird damit wieder ein Stück mehr zu einer „ganz normalen“ Partei gemacht – einer Partei, mit der man gemeinsame Sache machen kann. In Bundesländern und Kommunen haben CDU-Vorsitzende bisher Parteikollegen zurückgepfiffen, die bereit waren, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Diese Möglichkeit hat Merz seit gestern endgültig verspielt. Und das ausgerechnet an dem Tag, an dem im Bundestag der 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gedacht wurde. Man kann es sich nicht ausdenken – eine solche Geschichtsvergessenheit ist erschütternd.

Das Recht auf Asyl in Deutschland ist eine direkte Konsequenz aus den Verbrechen des Nationalsozialismus. Millionen von Menschen – Jüdinnen und Juden, politische Gegner, Homosexuelle, Sinti und Roma – wurden entrechtet, gefoltert und ermordet, weil sie keine Zuflucht fanden. Deutschland hat daraus gelernt und Asyl als Grundrecht ins Grundgesetz aufgenommen. Doch gestern wurde dieses Recht von Merz nicht aus Notwendigkeit, sondern aus politischem Kalkül zum Spielball gemacht. 

Und wofür das ganze Theater im Bundestag? Angeblich wegen Aschaffenburg – und weil „die Menschen genug hätten“. In Aschaffenburg griff ein psychisch schwer kranker Mann aus Afghanistan eine Gruppe Kinder an, tötete einen zweijährigen marokkanischen Jungen, verletzte einen Passanten tödlich und hinterließ drei weitere Schwerverletzte. Der Täter war den Behörden bekannt, war bereits in psychiatrischer Behandlung und unter Betreuung. Doch weil die Mittel fehlten, passierte nichts, als er Termine nicht wahrnahm. Eine Tragödie – unermesslicher Schmerz für die betroffenen Familien.

Politisch jedoch ergibt der CDU-Antrag keinerlei Sinn. Was diese Tat hätte verhindern können, wäre eine funktionierende psychiatrische Versorgung gewesen – nicht populistische Forderungen nach Abschiebungen. Der Täter war seit Dezember unter Betreuung, doch überlastete Behörden konnten nicht eingreifen. Und jetzt sollen Abschiebungen nach Afghanistan, wo die Taliban das Land terrorisieren, die Lösung sein? Die Wahrheit ist: Ein solcher Antrag kostet nichts – echte Prävention hingegen erfordert Investitionen. Doch genau die will man nicht tätigen. Stattdessen wird den Menschen vorgemacht, geschlossene Grenzen würden solche Tragödien verhindern. Eine glatte Lüge.

Ja, die Menschen haben genug. Aber nicht von Menschen in Not – sondern davon, dass in diesem Land seit Jahrzehnten von unten nach oben umverteilt wird. Während eine kleine Elite immer reicher wird, verfällt die Infrastruktur, sterben Menschen in unterfinanzierten Krankenhäusern, bricht das Gesundheitssystem zusammen. Die Not in der Psychiatrie ist bekannt – doch geändert wird nichts. Stattdessen zündelt Merz mit rechtsextremen Positionen und spielt ein brandgefährliches Spiel.

Natürlich haben auch die FDP und das BSW mitgemacht. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Das BSW, das angetreten ist, um die AfD kleinzuhalten, enthält sich ausgerechnet bei einem solchen Antrag – und ermöglicht den Rechtsextremen damit ihren größten Triumph. Denn genau darum ging es der AfD: den Dammbruch voranzutreiben, die Zusammenarbeit mit anderen Parteien salonfähig zu machen. Und das BSW hat ihnen genau das geliefert. Vier Stimmen haben am Mittwoch letzter Woche gefehlt, um den Antrag zu stoppen.

Friedrich Merz hat aus der Niederlage am Mittwoch keine Lehren gezogen – im Gegenteil: Am Freitag hat er noch einmal nachgelegt. Anstatt auf Warnungen zu hören oder Kompromissbereitschaft zu zeigen, hat er sich allen Verhandlungen mit SPD und Grünen widersetzt. Natürlich wäre aus diesen Gesprächen vermutlich nichts Gutes entstanden, aber es geht um das Prinzip der Zusammenarbeit demokratischer Parteien. Selbst die Angebote von FDP und Grünen, den Antrag zur Gesichtswahrung in den Ausschuss zu verweisen, lehnte er ab. Stattdessen bestand er darauf, ihn exakt so, wie er war, zur Abstimmung zu bringen.

Die daraufhin folgende Niederlage wegen Abweichler bei CDU und FDP war gut für das Land – aber für Merz selbst eine Demontage. Er hat eindrucksvoll bewiesen, dass er weder in der Lage ist, Mehrheiten im eigenen Lager zu organisieren (vor allem auch ohne die AfD), noch das größere Ganze im Blick zu behalten. Wann verhandelt man? Wann verschiebt man? Diese grundlegenden Mechanismen hat er nicht verstanden.

Der eigentliche Gewinner dieser Situation war die AfD. Merz hingegen hat sich als Kanzlerkandidat diskreditiert, und eine alternative personelle Option für die Union ist nicht in Sicht. Das Vertrauen in ihn ist dahin, die Gräben sind tief. Mit wem will er noch regieren, nachdem er gezeigt hat, dass er im Zweifel auch nach rechts außen schielt, wenn SPD und Grüne sich seinen Vorstellungen verweigern?

Wer glaubt, er könne sich gefahrlos mit den Rechten einlassen und sie „entzaubern“, begeht denselben Fehler, den konservative Politiker in Deutschland vor 92 Jahren gemacht haben. Wie das endete, wissen wir alle. Und wir wissen, wohin es auch diesmal führen kann, wenn wir es nicht stoppen.

Deshalb ist es jetzt entscheidend, auf die Straße zu gehen und ein klares Zeichen zu setzen. In vielen Städten haben bereits riesige Proteste stattgefunden und Die Linke ist stark im Aufwind – nutzen wir diese Gelegenheiten, um unseren Widerstand sichtbar und deutlich zu machen. Wir müssen auch das gängige Narrativ von AfD bis Grüne ändern: nicht Migrationspolitik ist das Thema, sondern Sozialpolitik. Weg mit der Schuldenbremse und her mit den Investitionen!

Aber Protest allein reicht nicht. Auch an der Wahlurne muss eine deutliche Antwort folgen. Wer nächsten Monat seine Stimme abgibt, sollte sich gut überlegen, wem er sie anvertraut – und wem nicht. Denn eines ist klar: Wer CDU, FDP oder BSW wählt, läuft Gefahr, am Ende mit der AfD aufzuwachen.