Die Vision: klimagerechte Mobilität
- Bernd Riexinger, Heiko Balsmeyer, Martin Günther
Die Linke kämpft für eine klimagerechte Mobilität für alle. Unsere Vision ist: Wir können gesünder leben, weil Wasser, Luft und Lebensmittel viel sauberer werden, wenn wir die ständige massenhafte Verbrennung von Öl, Gas und Kohle beendet haben. Wer möchte, geht häufiger zu Fuß oder fährt mit dem (E-)Rad. Die Freude an der Bewegung ist groß, weil die Wege sicher und die Umgebung ruhiger sind.
Alle haben einen bezahlbaren Zugang zu verschiedenen Arten der Mobilität und damit einen unerlässlichen Teil der materiellen Bedingungen für gesellschaftliche Teilhabe. Die Infrastruktur ist barrierefrei, in einem guten Zustand, wird gepflegt und gewartet. Der Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsträger funktioniert reibungslos. Die Bahn kommt pünktlich, ist bezahlbar und fährt nach einem Taktfahrplan. Der ÖPNV ist flächendeckend erreichbar und kostenlos. Überall – auch auf dem Land – gilt die Mobilitätsgarantie: Von 6 bis 22 Uhr gibt es mindestens im Stundentakt Angebote des öffentlichen Verkehrs, möglichst im 30-Minuten-Takt. Alle erreichen in überschaubarer Zeit per Rad oder zu Fuß die nächste Bus- oder Bahnhaltestelle. Auf dem Land gibt es wieder eine Versorgung mit Medizin und Gütern für den täglichen Bedarf. An damit verbundenen neuen Treffpunkten für soziales Leben gibt es Mobilitätsstationen mit Umstiegs-, Leih- und Abstellmöglichkeiten für unterschiedliche Fahrzeuge. Die Innenstädte der Städte sind autofrei, viele Bedürfnisse des täglichen Lebens lassen sich an Plätzen mit hoher Aufenthaltsqualität in Unterzentren befriedigen.
Die guten Netze von Rad- und Fußwegen laden zur Nutzung ein, weil sie sicher, einfach zu benutzen und gepflegt sind. Das Auto hat lediglich eine ergänzende Funktion. Der Antrieb erfolgt mit Strom aus erneuerbaren Energien. Der Anteil von Kleinbussen ist gestiegen. Die Produktion ist auf kleine und leichte Fahrzeuge, mehr Busse, Straßenbahnen, O-Busse und Züge umgestellt. Bus- und Zugfahrer*in ist wieder ein angestrebter Beruf, weil Bezahlung und Arbeitszeiten zum Leben passen.
Die Masse des Gütertransportes erfolgt mit Bahn und Schiff. Die Verteilung erfolgt vermehrt von Verteilzentren mit Lastentrams, -rädern und immer weniger konventionellen Lieferfahrzeugen.
Der Flugverkehr beschränkt sich auf die Verbindung der Kontinente. Innerhalb Europas gibt es ein komfortables und erschwingliches Nachtzugnetz. Das Flugzeug wird vorwiegend für Interkontinentalflüge genutzt und mit klimaneutralen Treibstoffen betrieben.
Ungleiche Möglichkeiten mit zerbröselnden Verkehrswegen
Die realen Verhältnisse im Verkehrswesen unserer Gesellschaft stehen zu der skizzierten Vision im traurigen Kontrast. In vielen Bereichen entwickeln wir uns in eine ganz andere Richtung.
Das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen ist nach Berechnungen der Organisation Oxfam seit 2020 inflationsbereinigt um rund drei Viertel (73,85 Prozent) gewachsen. Auf der anderen Seite ist jede*r Fünfte, 17,7 Millionen Menschen, von Armut unmittelbar betroffen oder bedroht. Im Verkehrsbereich zeigt sich dies beispielhaft daran, dass auf der einen Seite die Zahl der Privatflüge von Reichen zunimmt. Drei Viertel diese Flüge sind kürzer als 500 Kilometer. Die beiden Hauptstrecken sind Hamburg - Sylt und Berlin – München (Spiegel 2023). Auf der anderen Seite ist das Angebot des öffentlichen Verkehrs für die Mehrheit extrem eingeschränkt. Bei mehr als der Hälfte der Bevölkerung (52 Prozent) fahren die öffentlichen Verkehrsmittel höchstens im Stundentakt. Bei 14 Mio. Menschen in Deutschland (17 Prozent) kommt der ÖPNV sogar seltener als jede zweite Stunde vorbei (Agora 2023).
Die Verkehrsinfrastruktur wurde in den letzten Jahrzenten kaputtgespart. So ist das Schienennetz seit Jahrzehnten vernachlässigt worden. Seit 1994 wurden mehr als 5.000 Kilometer Schienenstrecken stillgelegt. Gleichzeitig nahm die Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr um über 30 Prozent zu, im Schienengüterverkehr sogar um fast die Hälfte. Durch den schlechten Zustand des Schienennetzes sind derzeit nicht einmal zwei von drei Zügen im Fernverkehr pünktlich. Die Ampel-Regierung hat sich zwar das Ziel gesetzt, die Fahrgastzahlen bis 2030 zu verdoppeln und den Anteil der Bahn beim Güterverkehr auf 25% zu erhöhen. Mit dem dafür auch notwendigen Ausbau des Schienennetzes wurde aber nicht begonnen. Auch bei der Elektrifizierung von Strecken gab es keine Fortschritte.
Autobahnen werden weiterhin gebaut, seit 1995 mehr als 2000 Kilometer. Die Erhaltung wurde demgegenüber vernachlässigt. Aktuell gibt es mehr als 1000 Baustellen allein auf Autobahnen. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass auch viele Brücken den Belastungen des Straßenverkehrs - insbesondere durch Lkw - nicht mehr standhalten. Nach Berechnungen der Umweltorganisation BUND müssen 8.083 Autobahnbrücken und 3.000 Brücken an Bundesstraßen dringend saniert werden. Der Umfang des laufenden Brückenprogramms der Bundesregierung wird nicht ausreichen, um Einschränkungen und Sperrungen von Brücken verhindern zu können. Bei Tunneln bahnen sich ähnliche Probleme an.
Ohne Mobilität werden Menschen ausgeschlossen
Wer nicht mobil ist, wird vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Etwa 42 Mio. Menschen in Deutschland haben keinen guten Anschluss an den öffentlichen Verkehr (Agora 2023), weil dieser am Wohnort maximal im Stundentakt verkehrt. Oft gibt es abseits von Schulbussen kein relevantes Angebot im Nahverkehr. Im Bereich von Kleinstädten oder auf dem Dorf ist die Bewältigung des Alltags häufig besonders aufwendig, weil dort die Entfernungen zum Supermarkt, Arzt, Schule, Kindergarten oder zu kulturellen Einrichtungen in der Regel erheblich weiter sind. Gleichzeitig ist der Trend des Verlustes von Versorgung auf dem Land ungebrochen.
Welche Art der Mobilität genutzt werden kann, steht auch im Zusammenhang mit dem verfügbaren Einkommen. Im Bürgergeld waren 2024 50,50 Euro für Mobilität vorgesehen. Das wird schon 2025 nicht mehr reichen, um nur ein Deutschlandticket zu kaufen. Wer trotzdem ein Auto braucht, wird gezwungen, sich in anderen Bereichen, wie Kleidung oder Ernährung, einzuschränken.
Auch das Fehlen von Zugängen ohne Barrieren, gesundheitliche Gründe oder das Alter können zu Einschränkungen bei der Wahl des Verkehrsmittels führen.
Diese Einschränkungen gelten auch im Bereich von Städten. Die Probleme werden dadurch verschärft, dass viele Städte die Chancen der Verbesserungen für den Rad-und Fußverkehr, die Schaffung von Stadtplätzen mit Grünflächen und autofreien Innenstädten nicht oder nur eingeschränkt nutzen. Ein steigender Anteil aktiver Mobilität und kurze Wege erhöhen die Lebensqualität für alle in der Stadt. Sie führen zu weniger Stress, Lärm, Abgasen und fördern dadurch die Möglichkeit von Aufenthalt, Kommunikation und gesellschaftlichem Leben auf Straßen und Plätzen. International gibt es dafür viele erfolgreiche Beispiele, wie Amsterdam, Kopenhagen und Paris. Die Beispiele zeigen auch, dass mit einer klugen - vor allem sehr kommunikativen – sozial-ökologischen Politik Wahlen gewonnen werden.
Verkehrssystem: Belastung für Gesundheit, Klima und Umwelt
Im Jahr 2023 war der Verkehrssektor in Deutschland für mehr als ein Fünftel der die Klimaerhitzung (22%) hervorbringenden Treibhausgase verantwortlich (UBA). Der Straßenverkehr hat dabei den größten Anteil an den Treibhausgasen, laut Bundesregierung beträgt dessen Anteil 98 Prozent.
In 2024 haben sich die Folgen der Klimaerhitzung auch in Europa bereits besonders drastisch gezeigt. Es gab u.a. Überschwemmungen in Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Spanien und Tschechien. Von den Folgen am stärksten betroffen sind überall Menschen mit wenig Einkommen und die ohnehin schon Schwachen und Schutzbedürftigen.
Verkehrslärm ist ein großes Ärgernis und eine ernste Belastung für unsere Gesundheit. Nachts sind 17 Prozent der Bevölkerung von gesundheitsschädlichem Lärm betroffen, tagsüber muss jede/r Vierte (25,1%) einen Lärmpegel von über 55 Dezibel ertragen. Dabei ist klar, dass die Überschreitung von Lärmgrenzen krank macht. Größte Lärmquelle ist der Straßenverkehr (UBA 2024b).
Unsere Atemluft wird durch Gifte aus dem Verkehrsbereich verschmutzt. Zwar hat sich die Luftqualität in den letzten Jahrzehnten verbessert. Die Gesundheit wird aber weiterhin belastet. Gemessen an den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind insbesondere die Konzentrationen von Stickstoffdioxid (SO2) und Feinstaub (PM10, PM2,5) zu hoch. Auch Ozon (O3) belastet zeitweise die Gesundheit. Nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) sind Quellen der Gifte in der Luft vor allem der Straßenverkehr und Verbrennungsprozesse in Industrie, Energiewirtschaft und Haushalten (UBA 2024a).
Der beginnende Wechsel des Antriebs von Autos von der Verbrennung fossiler Treibstoff hin zur Nutzung von elektrischem Strom hat in Deutschland nur sehr träge Fahrt aufgenommen. Hauptprobleme sind die hohen Preise der Elektroautos durch die verfehlte Produktpolitik der Hersteller, fehlende Anreize und Vorschriften durch die Politik sowie die unzureichende Landeinfrastruktur. Auf dem immer wichtiger werdenden chinesischen Automarkt verlieren die deutschen Autohersteller Marktanteile.
Beim Gütertransport ist der Trend zum Transport von Gütern mit Lkw auf der Straße ungebrochen. Sein Anteil betrug 2022 73%, nur 21% wurden per Bahn und die restlichen 6% mit dem Schiff transportiert. Die vorläufigen Zahlen für 2023 lassen auf rückläufige Anteile für Bahn und Schiene schließen. Das Unternehmen DB Cargo steht unter erheblichen Druck, weil sich nach Auffassung der EU-Kommission und des Bahnvorstands alle Transporte wirtschaftlich profitabel sein sollen. Unter dieser Voraussetzung wird die Bahn absehbar Anteile verlieren.
Der Flugverkehr hatte im Jahr 2019, vor Corona, mit 227 Mio. Passagieren seinen vorläufigen Höhepunkt. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl allerdings um 19% auf 186 Mio. Eine aktive Politik des Umsteuerns gibt es nicht.
Verkehrspolitik der Ampel: Wachstum, Wachstum, Wachstum
Die Verkehrspolitik der Ampel folgte vor allem wirtschaftlichen Interessen und versagte weitgehend in ihrer Gestaltungsaufgabe.
Positiv zu verbuchen ist die Einführung des 9-Euro, dann 49-Euro-Tickets, dass bereits von mehr als 13 Mio. Menschen im Abonnement genutzt wird, allerdings versäumte die Bundesregierung die langfristige Finanzierung abzusichern. Folge ist der steigende Preis in 2025 und ein mögliches Ende zu Beginn von 2026. Ebenfalls positiv ist die stark steigenden Investitionen in die Sanierung der Bahn. Im Haushalt 2024 wurden die Mittel für die Bahn um 7 auf 17 Mrd. erhöht. Für die Sanierung des Netzes stehen damit 7,5 Mrd. Euro zur Verfügung.
Die Klimabilanz ist katastrophal, denn der Verkehrsbereich verfehlte auch im Jahr 2023 seine Klimaziele erneut deutlich. Der Ausstoß von Treibhausgasen lag 13 Millionen Tonnen über dem zulässigen Sektor-Budget, den das Klimaschutzgesetz vorsieht. Statt darauf mit einem Sofortprogramm zu reagieren, wie es das von der Großen Koalition verabschiedete Klimaschutzgesetz vorsah, änderte die Ampel-Regierung dieses Gesetz. Nun können Minderungen in anderen Sektoren, wie die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien, angerechnet werden. Damit entfallen die Sofortmaßnahmen im Verkehrsbereich, die das Klimagesetz der Koalition von Union und SPD gesetzlich vorgesehene hatte.
Der Ansatz des Verkehrsministers Wissing (bis zum Bruch der Koalition Mitglied der FDP) , auf der Grundlage einer Verkehrsprognose, die Infrastruktur für das prognostizierte Wachstum in allen Bereichen auszubauen, ist falsch und verkürzt. Dieser Ansatz scheiterte an den nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klima- und Transformationsfonds sowie unter Aufrechterhaltung der Schuldenbremse nicht mehr vorhandenen Finanzmitteln.
Vorschriften bezüglich der angebotenen Autos, deren Preis und Verbrauch, wurden von Wissing entschieden abgelehnt. Nach seiner Auffassung sollte die Nachfrage der Nutzer*innen darüber entscheiden. Allerdings haben diese keinerlei Auswahlmöglichkeit, wenn die gewünschten Produkte, wie preisgünstige Elektroautos, gar nicht angeboten werden.
Bausteine für eine klimagerechte Mobilität
Baustein 1: Recht auf nachhaltige Mobilität
Mit klimagerechter Mobilität wollen wir bezahlbaren Zugang zu klimaschonender Mobilität für alle. Die auf Ausbeutung beruhenden gesellschafts- und klimaschädlichen Verkehrsauswüchse der Superreichen werden wir beenden. Diese Einsparungen nutzen wir als Booster klimagerechter Erneuerung.
Klimagerechte Mobilität braucht ihren Platz. Im realen Leben, in unseren Gedanken, Vorstellungen und auch in unseren Gefühlswelten. Für die Schaffung gerechter Verhältnisse müssen Teile der bisher dominierenden Elemente verschoben werden. In der fossilen Phase des Kapitalismus stehen Auto und Straßenverkehr sowie das Flugzeug im Zentrum des Verkehrssystems sowie der Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit, Klimagerechte Mobilität per Bahn, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Schiff, auf dem Fahrrad und den eigenen Füßen hingegen nicht.
Baustein 2: Bezahlbarer ÖPNV mit Mobilitätsgarantie
Schon lange kämpfen wir als LINKE für einen kostenlosen Nahverkehr als Basismobilität. Das 49-Euro-Ticket ist ein erster wichtiger Erfolg auf dem Weg dorthin. Es ermöglicht die Nutzung aller Verkehrsmittel des öffentlichen Verkehrs zu einem Festpreis. Seine Finanzierung muss gesichert werden. Für Schüler*innen, Azubis, Studierende, Menschen ohne Einkommen und Senior*innen muss in der Systematik des Deutschlandtickets ein Ticket zum Null-Tarif geschaffen werden. Für alle anderen soll der Preis als erster Zwischenschritt zu einem vollständig kostenlosen ÖPNV auf 9 Euro je Monat gesenkt werden. Die Erfolge des 9- und 49-Euro-Tickets zeigen, dass auch der öffentliche Verkehr weiter ausgebaut werden muss. Die Takte müssen verdichtet, die Netze erweitert und Rufsysteme genutzt werden. Taxis wollen wir sinnvoll mit dem ÖPNV kombinieren und eine bundesweite Mobilitätsgarantie geben – insbesondere für ländliche Gebiete: von 6 bis 22 Uhr fährt der öffentliche Verkehr mindestens im Stundentakt mit der Perspektive eines Taktes von 30 Minuten. Von der Endhaltstelle bis zu Hause werden Elektrokleinbussen angeboten. Ein gut ausgebauter ÖPNV ist das beste Mittel, allen Menschen gesellschaftliche Beteiligung zu ermöglichen. Zur Finanzierung müssen die Regionalisierungsmittel kurzfristig (Mittel des Bundes an die Länder für den öffentlichen Nahverkehr) verdoppelt werden.
Baustein 3: Sanierung und Ausbau der Bahn
Die Sparpolitik der neoliberalen Phase hat der Deutschen Bahn schwer zugesetzt. Die Bahn ist ein lebenswichtiger Teil der Daseinsvorsorge unserer Gesellschaft. Die Form einer Aktiengesellschaft mit ihren Profitinteressen steht dazu im Widerspruch. Die Bahn braucht eine neue, geeignete Gesellschaftsform, in der die notwendigen Reparaturen und Verbesserungen unter breiter Beteiligung dynamisch vorangetrieben werden.
Die Bahn muss verlässlich und bezahlbar sein. Eine grundlegende Sanierung des Netzes ist notwendig. Dafür braucht es langfristige finanzielle Sicherheit. Gleichzeitig muss der Ausbau des Netzes mit Hochdruck geplant und vorangetrieben werden.
Um den großen Investitionsbedarf der Verkehrsinfrastruktur vom jährlichen Bundeshaushalt unabhängig und damit längerfristig verlässlich zu machen, schlagen wir die Schaffung eines verkehrsträgerübergreifenden, überjährigen Infrastrukturfonds nach Schweizer Vorbild vor. Hier sollte die Förderung der Infrastruktur gebündelt werden. Neben einer klar geregelten Finanzierungssäule für die Bahn, müssen auch ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sowie die Ladeinfrastruktur zielgerichtet gefördert werden.
Der personelle Umbau des Konzerns darf auf keinen Fall zu Lasten des Service gehen. Das Recht auf ein analoges Leben muss gewahrt bleiben. Es muss also weiterhin möglich sein, Tickets und Dienstleistungen nicht nur im Internet, sondern auch am Schalter und Automaten zu erwerben.
Für viele Menschen ist die Bahn im Fernverkehr nicht bezahlbar, daher fordern wir eine Sozialbahncard für Menschen mit niedrigen Einkommen und 6 Freifahrten pro Jahr mit dem Fernverkehr als Teil des Deutschlandtickets.
Um mehr Güter auf die Bahn zu verlagern, sind aktive Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung auf der Straße, gegen die Verlegung der Lagerhaltung in Lkw im Rahmen von „just-in-time“ und die Förderung regionaler Kreisläufe. Auch ist ein Trassenpreissystem notwendig, dass die ökonomische Konkurrenzfähigkeit der Bahn nicht vermindert.
Baustein 4: Mobilitätsplan mit neuen Prioritäten
Der Bundesverkehrswegeplan muss schnell von einem Mobilitätsplan mit bedarfsgerechter Planung der Verkehrsinfrastruktur abgelöst werden. Dieser wird die Zielvorgaben für Infrastrukturmaßnahmen zur Verlagerung auf Schiene, Bus und aktive Mobilität (Fuß und Rad) enthalten.
Um die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen ist die Personalausstattung von Planungsbehörden und Gerichten zu verbessern, die Digitalisierung der Prozesse voranzutreiben und die Öffentlichkeit möglichst frühzeitig und verbindlich zu beteiligen.
Trotz Ausgaben von Milliarden bröckeln auch die Straßen. Insbesondere die notwendigen Einschränkungen der Nutzung von Brücken oder sogar deren Sperrung zeigen, dass die Erhaltung der Straßeninfrastruktur unzureichend ist. Wir fordern daher den sofortigen Stopp des Straßenneu- und -ausbaus. Die bestehenden Straßen und Brücken wollen wir erhalten.
Zusätzlichen finanziellen Spielraum schaffen wir durch den Abbau der üppigen Subventionen im Verkehrsbereich (Kerosin, Diesel, Mehrwertsteuer internationale Flüge, Dienstwagen).
Baustein 5: Übergang zum Elektroanatrieb und Transformation der Autoindustrie
Den Antriebswechsel vom Verbrennungs- zum Elektromotor des Autos halten wir aus Gründen der Energieeffizienz und des Klimaschutzes für richtig. Allerdings muss dieser Übergang mit einem beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien verbunden werden. Auch die Schaffung der notwendigen öffentlichen Ladeinfrastruktur muss beschleunigt werden. Dies betrifft auch Lademöglichkeiten an Parkplätzen von Betriebsstätten, der öffentlichen Verwaltung und für Mieter*innen. Die Autoindustrie muss verpflichtet werden, den Verbrauch der angebotenen Fahrzeuge zu senken. Autos müssen kleiner, leichter und bezahlbar sein. Das Angebot an bezahlbaren und verbrauchsarmen Elektroautos reicht nicht aus.
Wir fordern ein Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen und innerorts Tempo 30 – außer auf Hauptverkehrsachsen, 80 km/h auf der Landstraße. Tempolimits sind einfach umzusetzen, führen sofort zu Verringerung der Zahl von Toten und Verletzten im Verkehr (Vision Zero), zu einem sparsamen Umgang mit Energie und tragen zum Schutz unseres Klimas bei.
Die Transformation der Autoindustrie ist eine riesige Aufgabe. Neben dem Wechsel des Antriebs hin zum Elektroauto geht es um die Umstellung auf verbrauchsarme und bezahlbare Autos, die Qualifizierung der Beschäftigten, die teilweise Umstellung der Produktion auf Fahrzeuge und Komponenten für Bahn, öffentlichen Verkehr und Fahrradsektor. Die Umstellung muss mit offensiver Aus- und Weiterbildung, Beratungskompetenz für betriebliche Transformationsprozesse und regionalen Transformationsnetzwerken begleitet werden.
Eine aktive Politik die sowohl mit dem Mobilitätssektor als auch mit der Klima- und Umweltbewegung abgestimmt wird, kann den Beschäftigten eine attraktive Zukunftsperspektive geben. Bei einem wie bisher ungesteuerten Prozess der Reduzierung von Kapazitäten, Rationalisierung und Umstellung auf E-Antriebe werden etwa 300.000 Arbeitsplätze verloren gehen. Werden Ansätze der Konversion und der Zusammenarbeit in Mobilitätsregionen genutzt, dann können im Gegenzug etwa durch die Produktion von Schienenfahrzeugen, -infrastruktur, Leit- und Sicherungstechnik, Bussen und Kleinbussen sowie von Produkten für die Fahrradindustrie mehrere 100.000 Arbeitsplätze geschaffen werden (Candeias 2022).
Die einkommensabhängige Entfernungspauschale, von der vor allem Menschen mit hohem Einkommen profitieren, soll in ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld umgewandelt werden. Dies soll für Menschen mit geringen Einkommen als Zuschuss ausgezahlt werden. Zugleich wollen wir die steuerliche Förderung des Autobesitzes (Dienstwagen, Förderung privater Ladesäulen etc.) beenden.
Baustein 6: Gute Bedingungen für Rad- und Fußverkehr, kurze Wege, autofreie Innenstädte
Es bedarf einer erheblichen Ausweitung der Förderung des Rad- und Fußverkehrs und der Investitionen für die Schaffung einer durchgehenden sicheren Infrastruktur, damit alle Wege gut bewältigt werden können. Auch auf dem Land gibt es viele Wege, die mit dem Fahrrad oder E-Bike zurückgelegt werden können. Dafür braucht es sichere Wege mit guter Qualität und sicheren Querungsmöglichkeiten. Auch in der Stadt werden mehr sichere, baulich vom Autoverkehr getrennte, Radwege mit ausreichender Breite, Radschnellwege und ausreichend Abstellanlagen an Stationen des öffentlichen Verkehrs benötigt. Die kostenlose Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr muss überall gewährt werden.
Stadtplanung und regionale Wirtschaftspolitik müssen kürzere Wege im Alltag ermöglichen und Mobilitätszwänge – wie lange Pendelstrecken, lange Wege zum Einkaufen oder zum Arztbesuch – verringern. Kinderbetreuung und Bildung müssen wohnort- oder arbeitsnah gut erreichbar sein. Die Orientierung muss auf regionales Wirtschaften, eine bessere Versorgung und Infrastruktur der ländlichen Räume sowie eine Stadtplanung für kurze Wege im Alltag gelegt werden. Bis 2029 wollen wir autofreie Innenstädte.
Baustein 7: Flugverkehr auf Bahn verlagern
Den Flugverkehr wollen wir – soweit es geht – auf die Bahn verlagern. Kerosin muss besteuert werden. Auch wollen wir die Erhebung der MwSt auf die Tickets für internationale Flüge. Je zuverlässiger die Bahn wird, je mehr es einen Deutschlandtakt gibt und je weiter und regelmäßiger Nachtzüge verkehren, desto mehr Flüge können auf die Bahn verlagert werden. Zum Schutz der Nachtruhe fordern wir ein Nachtflugverbot von 22:00 bis 6:00 Uhr.
Baustein 8: Arbeitsbedingungen und Entlohnung im Verkehrssektor verbessern
Arbeitsbedingungen und die Entlohnung im Verkehrssektor sind zum Teil miserabel; insbesondere in den Transportberufen (ÖPNV, Speditionen, Lieferdienste, im Seeverkehr, an Flughäfen und bei Billigairlines) sowie bei den neuen Mobilitätsanbietern (UBER, E-Scooter etc.). Wir unterstützen die Forderungen der Beschäftigten nach höherer Entlohnung und besseren Arbeitsbedingungen.
Quellen:
ADAC Stauprognose
https://www.adac.de/verkehr/verkehrsinformationen/stauprognose/
Agora Verkehrswende 2022: ÖV Atlas 2022.
Agora Verkehrswende (2023): Mobilitätsarmut in Deutschland. Annäherung an ein unterschätztes Problem mit Lösungsperspektiven für mehr soziale Teilhabe und Klimaschutz. Berlin.
BUND Brücken
Bundesregierung: Klimaschutzbericht 2024
https://dserver.bundestag.de/btd/20/127/2012760.pdf
Candeias, Mario 2022: …das braucht unglaublich viel Arbeitskraft! In: Candeias, Mario und Krull, Stephan (Hg.): Spurwechsel. Studien zu Mobilitätsindustrien, Beschäftigungspotenzialen und alternativer Produktion. Hamburg: VSA-Verlag.
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/Spurwechsel_VSA.pdf
Deutsche Bahn
Riexinger, Bernd 2020: System Change - Plädoyer für einen linken Green New Deal. Hamburg: VSA-Verlag.
Der Spiegel: Privatjets. Zahl der Flüge steigt stark an.
Umweltbundesamt (UBA) 2024a: Luftqualität 2023
Umweltbundesamt (UBA) 2024b: Verkehrslärm
https://www.umweltbundesamt.de/daten/umweltindikatoren/indikator-belastung-der-bevoelkerung-durch
Umweltbundesamt (UBA) 2024c
Umweltbundesamt (UBA) 2024d: Verteilungswirkung Verkehrswende September 2024
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/verteilungswirkungen-einer-verkehrswende
WSI Report Nr. 98, Ungleiche Teilhabe: Marginalisierte Arme – Verunsicherte Mitte. WSI-Verteilungsbericht 2024.