Was tun, wenn Vonovia überzogene Betriebskostenabrechnungen zustellt?

Isabelle Vandre (wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag), Björn Oesingmann (LINKER Direktkandidat und Betroffener), Jörg Schindler (Kreisvorsitzender Die Linke Potsdam und Rechtsanwalt), Marlen Block (rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag und Rechtsanwältin) und Tino Henning (Jurist) besuchten die Vonovia-Siedlung.

Kurz vor Weihnachten ereilte knapp 300 Mietparteien einer Vonovia – Siedlung in der brandenburgischen Gemeinde Seddiner See ein Schock: die Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen für 2022. Der Immobilienkonzern verlangte von seinen Mieter:innen nicht nur Nachzahlungen von bis zu 3.000 €, sondern vervielfachte gleichzeitig die Abschlagszahlungen für die kommenden Monate. Ja, gestiegene Energiepreise in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine belasten momentan leider viele Haushalte, aber ein genauer Blick in die Vonovia-Abrechnungen lohnt sich nicht nur, sondern ist dringend geboten. Als wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag war ich Anfang Januar mit Marlen Block, rechtspolitische Sprecherin unserer Landtagsfraktion, sowie zwei weiteren Anwälten des Sozialberatungsteams des Kreisverbandes Potsdam in Seddin, um erste Hilfe zu leisten. Auf 300 im Wohngebiet verteilte Flyer reagierten knapp 80 Personen und kamen zu drei einstündigen Runden, um sich zu vernetzen und ihre Fragen loszuwerden. Danke an den Kreisverband Potsdam Mittelmark für die Organisation der Veranstaltung und die Einladung nach Seddin!

Organisiert euch, denn fehlerhafte Betriebskostenabrechnungen scheinen System zu haben!

Fehlerhafte Betriebskostenabrechnungen, bei denen nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt werden, sind absolut keine Seltenheit bei Vonovia. Da sollen Mieter:innen für eine Dachrinnenreinigung zahlen, die nie vorgenommen wurde, oder die Pflege eines Spielplatzes finanzieren, der bereits vor Jahren einem neuen Wohngebäude weichen musste. Doch nur wer fehlerhafte Abrechnungen beanstandet, hat die Chance, einen Nachlass oder eine Erstattung zu erwirken. Dass dies erfolgreich sein kann, zeigen viele Beispiele. Der Großteil der Mieter:innen widerspricht den Kostenabrechnungen jedoch meist nicht, weil die Verunsicherung zu groß ist oder es an Erfahrungen, Zeit und Kapazitäten fehlt. Genau deswegen ist es wichtig sich zu organisieren und die Nachbarschaft zusammenzubringen. Vielleicht hat ja bereits eine Person erfolgreich Zahlungsnachlässe erwirkt und kann den anderen Personen verraten, mit welchen Nachweisen es gelingt. Eine andere Person hat vielleicht genau beobachtet, dass die zur Dachrinnenreinigung beauftragte Firma nach 10 Minuten wieder gefahren ist, ohne einen Handschlag zu tätigen. All das gilt es gemeinsam zu sammeln, zu dokumentieren und dann möglichst viele Nachbar:innen zu einem Widerspruch zu motivieren. Wer sich allein mit einem riesigen Immobilienunternehmen und einer Schar von Anwält:innen konfrontiert sieht, fühlt sich ohnmächtig und gibt nach. Wer allerdings mit den Nachbar:innen zusammen gebracht wird und die Auseinandersetzung nicht allein durchstehen muss, geht vielleicht sogar gestärkt daraus hervor. Besonders wichtig ist es, alle mitzunehmen und anzusprechen. Insbesondere alleinstehende Personen sollten nach Unterstützungsbedarfen gefragt und aktiv zur Mitwirkung eingeladen werden.

Orientierung geben, Widerspruch einlegen!

Jede Betriebskostenabrechnung ist individuell und muss auf der Basis des bestehenden Mietvertrages bewertet werden. Und dennoch gibt es ein paar allgemeingültige Grundsätze, die Mieter:innen bei der Orientierung helfen können. Es ist bspw. ratsam Einzugsermächtigungen zu stoppen, Nachzahlungen nicht zu leisten und dem Vermieter schriftlich zu kommunizieren, dass man der Betriebskostenabrechnung widerspricht und so lange vom Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, bis Akteneinsicht in alle relevanten Verträge gewehrt wurde. Musterschreiben für den Widerspruch gegen Betriebskostenabrechnungen gibt es bspw. von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt hier: https://www.verbraucherzentrale-sachsen-anhalt.de/sites/default/files/2018-08/Musterbrief_Heizkosten_neu_0.pdf. Bereits in dem ersten Widerspruch sind möglichst konkrete Gründe, die am besten zuvor in der Nachbarschaft gesammelt und dokumentiert wurden, zu benennen. Die Akteneinsicht sollte in alle damit im Zusammenhang stehenden Verträge beantragt werden. Wenn bspw. der Verdacht naheliegt, dass die Dachrinne nie gereinigt wurde, obwohl Leistungen gegenüber dem Mieter abgerechnet wurden, sollte Einsicht in den Vertrag und die Abrechnung mit der betreffenden Firma verlangt werden. Auch der Vertrag mit dem Energieversorger muss geprüft werden. Mieter:innen einer Vonovia Siedlung in Berlin-Tempelhof haben zu diesem Zweck erst kürzlich eine Prüfgemeinschaft gegründet.

Grundsätzlich gilt: Der Zweck einer Informationsveranstaltung ist es, erste Hilfe zu leisten und Orientierung zu geben. Es geht gar nicht darum, alle Fragen zur Betriebs- und Nebenkostenabrechnung restlos auszuräumen. Viel wichtiger ist es, die Leute zusammenzubringen, Kontakte zu Anwält:innen und Mietervereine oder die Verbraucherzentrale zu vermitteln und das Gefühl der Ohnmacht zu überwinden, indem grundlegende Informationen geteilt werden.

Unsere Forderung bleibt: Vonovia und Co enteignen!

Vonovia wird seine Betriebspraxis nicht von allein ändern. Dazu braucht es politischen Druck, z. B. für transparentere Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen. Und auch, dass Vonovia und andere Immobilienkonzerne überhaupt erst so groß geworden sind, liegt an politischen Entscheidungen wie der anhaltenden Privatisierung öffentlicher Wohnungsbestände. Sowohl in Seddin, als auch in anderen Brandenburger Kommunen, in denen ich in den vergangenen Jahren mit Betriebskostenabrechnungen, der Vonovia zu tun hatte, handelte es sich bei den Wohngebieten um ehemalige Eisenbahnsiedlungen, die vom Bund verkauft wurden. Unsere Forderung bleibt daher: Vonovia und Co müssen enteignet und die dringend benötigten Wohnungsbestände vergesellschaftet werden.

Fazit

Die Betriebskostenabrechnungen der Vonovia hat den Menschen in vielen Kommunen den Boden unter den Füßen weggerissen. Ohnmacht, Verzweiflung und Verunsicherung sind spürbar. Wir müssen den betroffenen Mieter:innen als Linke Halt und Orientierung geben – juristisch, sowie politisch. Unsere Botschaft muss daher sein: organisiert euch! Als Nachbar:innen gegen die individuellen Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen und mit uns gegen die Macht der Immobilienkonzerne!