Nachhaltigkeit und Klimaneutralität als Prämissen neuer linker Politik

Windkraftanlage in Dingwall, Schottland.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die multiple Krise des Kapitalismus in immer neuen Formen manifestiert und stetig vertieft. Kriege, Umwelt- und Klimazerstörung, die Covid-19-Pandemie, Zusammenbrüche der internationalen Finanzmärkte und die damit zusammenhängenden Konsequenzen wie Artensterben, Extremwetterereignisse, Vermüllung der Ozeane, Migration von Millionen Menschen und Massenarmut bei gleichzeitiger Konzentration des Reichtums auf wenige sind Folgen der profit- und wachstumsgetriebenen Wirtschaftsweise.

Globale Erwärmung, Biosphäre, Entwaldung, Schadstoffe / Plastik, Stickstoffkreisläufe und Süßwasser: Sechs von neun der planetaren Grenzen sind heute überschritten.

Besonders betroffen von den Krisenerscheinungen des Kapitalismus sind Lohnabhängige und unter diesen am stärksten Menschen im globalen Süden. Praktisch bedeutet das, dass linke Politik nicht die gleichen Prioritäten setzen kann, wie vor der massiven Manifestation der multiplen Krise des Kapitalismus. Sie muss heute ein Konzept für die sichere und gerechte Einhaltung planetarer Grenzen vorweisen. Dabei muss sie berücksichtigen, dass insbesondere die Umwelt- und Klimakrise die Kriegsgefahr enorm erhöht, und dass zugleich Kriege gewaltige Treiber von Umwelt- und Klimazerstörung darstellen. Überleben auf einem Planeten mit fragiler Umwelt, geschädigtem Klima und begrenzten Ressourcen bedingt die Ächtung aller Kriege.

Planetare Grenzen respektieren

Die sichere und gerechte Einhaltung der planetaren Grenzen bezieht soziopolitische Faktoren mit ein: Wie kann sichergestellt werden, dass die Menschheit zur Verfügung stehende Ressourcen jetzt und Zukunft gerecht nutzt und nicht eine Vielzahl von Menschen ungleich von Veränderungen oder Mängeln betroffen sind?

Dabei müssen drei Formen von Gerechtigkeit berücksichtigt werden: Gerechtigkeit gegenüber anderen Lebewesen und Ökosystemen, Gerechtigkeit gegenüber den nächsten Generationen und Gerechtigkeit gegenüber den Menschen der heutigen Generation, unabhängig davon, wo und wie sie leben. Dabei zielen diese Grenzen darauf ab, Menschen vor erheblichen Schäden zu schützen.  Dazu zählen der Verlust von Menschenleben, Lebensunterhalt oder Einkommen, Vertreibung, Verlust von Nahrungsmitteln sowie Wasser- oder Ernährungssicherheit. Der zusätzliche Aspekt der Gerechtigkeit führt zu strengeren planetaren Grenzen. Der gerechte Handlungsraum muss dabei sowohl lokal als auch global definiert werden.

Sichere und gerechte Grenzen des Erdsystems auf globaler Ebene bedeuten für die einzelnen Unterkategorien (1):

  • Klima: Die sichere und gerechte Klimagrenze liegt bei einem Grad Celsius Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit und wurde mit derzeit etwa 1,6 Grad bereits überschritten.
  • Biosphäre: Hier wurden zwei Grenzen definiert. 1) 50 bis 60 Prozent der Landfläche auf der Erde müssen naturbelassen erhalten oder wiederhergestellt werden, damit die Ökosysteme funktionieren können. Die Grenze ist überschritten, da der derzeitige Anteil nur 45 bis 50 Prozent beträgt. 2) 20 bis 25 Prozent jedes Quadratkilometers auf der Erde, inklusive landwirtschaftlicher und städtischer Flächen, müssen von weitgehend natürlicher Vegetation bedeckt sein. Das trifft aktuell nur auf ein Drittel der Flächen zu. Damit ist die Grenze überschritten.
  • Wasser: Hier wurden zwei Grenzen definiert. 1) Bei Oberflächenwasser (Flüsse und Seen) weltweit darf der Wasserstand nur um etwa 20 Prozent der Wassermenge schwanken. Dies ist nur auf ca. 70 Prozent der weltweiten Fläche der Fall. 2) Es darf nur so viel Grundwasser entnommen werden, wie wieder hinzukommen kann. Diese Grenze wird derzeit auf 47 Prozent der weltweiten Landflächen überschritten. 
  • Nährstoffkreisläufe: Hier wurden zwei Grenzen für die Belastung von Böden und Gewässern mit Stickstoff und Phosphor definiert, die über Kunstdünger in Erd- und Wassersysteme eingetragen werden. Beide gelten als überschritten. 
  • Atmosphäre: Die einzige Grenze, die global nicht überschritten wurde, ist die Belastung mit Luftschadstoffen. Lokal sind diese Grenzwerte aber an vielen Orten der Welt bereits überschritten.

DIE LINKE verfügt bereits über Bausteine für eine nachhaltige, klimagerechte Politik wie Konzepte für eine Verkehrswende, Energiewende, Agrarwende und Ressourcenwende. Sie muss sie nun zu einem integrierten Konzept einer demokratischen, überwiegend regionalen, nachhaltigen, sozialgerechten, kooperativen Kreislaufwirtschaft fortentwickeln. Ein weiteres Wachsen der Wirtschaft kann zukünftig nur in Sektoren geduldet werden, die Klima und Umwelt nicht zusätzlich belasten. Klima- und umweltschädliche Produktionen müssen nicht nur dekarbonisiert, sondern zu einem Teil auch rückgebaut werden. Der sogenannte ökologische Fußabdruck von derzeit 2,83 gHa darf vor allem in den westlichen Industrienationen nicht mehr wachsen, sondern muss jährlich schrumpfen. Ihre Konzepte für einen ökosozialistischen Umbau muss Die Linke offensiv vertreten und popularisieren.

Dem Rechtsruck eine linke, ökosozialistische Vision entgegenstellen

Transformationsängste treiben einen weltweiten Rechtsruck an. Menschen, die in der Ära des Neoliberalismus mit Transformationsprozessen schlechte Erfahrungen gemacht haben, aber auch solche, die gesellschaftliche Veränderungsprozesse wie die Emanzipation von Frauen oder LSBT*Q ablehnen, wenden sich vermehrt rechten Parteien mit autoritären bis faschistischen Programmen zu.

Die Rechte wird nur dann zurückgedrängt, wenn ihre Diskurse geächtet, ihre Ideologie ausgeschlossen und ihre Räume verengt werden. Ihren Forderungen nachzukommen, stärkt sie und macht ihre Erklärungen plausibel.

Gegen den Rechtsruck wird nicht etwa eine Zwei-Punkte-Partei, sondern eine neue linke Erzählung und ein begeisterndes Programm einer „Neuen Sozialen Idee“ benötigt. Es muss solidarische und über den Kapitalismus hinausweisende, ökosozialistische Alternativen – und auch den Einstieg in diese – darstellen. Es muss den Menschen die Angst vor sozialem Abstieg in Folge von Veränderungen nehmen sowie die Hoffnung auf ein besseres Leben wecken.

Bausteine einer solchen neuen linken Erzählung könnten Grundeinkommen und Infrastruktursozialismus, nachhaltige, solidarische Landwirtschaft, Dekarbonisierung der Industrie und Kreislaufwirtschaft sowie Arbeitszeitverkürzung und innerbetriebliche soziale Demokratie sein.