Wenn Wohnen unerschwinglich wird
„Wohnen ist ein Grundrecht“. Allerdings fehlt diese Regelung im Grundgesetz. Was nützt einem die Unverletzlichkeit der Wohnung, was der Schutz der räumlichen Privatsphäre, wenn man keine bezahlbare Wohnung findet?
Wer Bürgergeld bezieht, ist noch schlimmer dran. „Wenn Sie Bürgergeld beziehen, übernimmt Ihr Jobcenter die Kosten für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe. Welche Kosten angemessen sind, erfahren Sie bei Ihrem Jobcenter“, erklärt die Bundesagentur für Arbeit auf ihrer Webseite.
Tatsächlich sind die regionalen Unterschiede sehr groß. Als Single erhält man in Hamburg 573 Euro, in Stuttgart 566 Euro, in Berlin 449 Euro und in Dresden knapp 369 Euro als Mietzuschuss. Damit sind die Kaltmiete und die laufenden Betriebskosten abgegolten. Die Heizkosten werden nach einem gesonderten Heizspiegel übernommen. Natürlich auch nur im angemessenen Rahmen. Wer in einer schlecht isolierten Wohnung lebt, läuft in die Gefahr, dass die übernommenen Heizkosten nicht ausreichen.
Die Wohnkostenlücke
Städte sind teuer und Wohnraum wird knapper. So kommt es, wie es kommen muss. Die Wohnungen werden teurer und Bezieher:innen von Sozialleistungen müssen immer mehr aus ihrem kargen Bürgergeld draufzahlen, weil die Mietkosten vom Jobcenter nicht mehr ausreichen. Im Fachjargon nennt sich das „die Wohnkostenlücke“.
Diese Lücke spüren sie und sie tut weh. Für viele ist die Belastung existentiell. DIE LINKE wollte das genauer wissen und fragte im Bundestag die Wohnkostenlücke ab. Das Ergebnis überrascht nicht und ist doch gleichzeitig erschreckend: Durchschnittlich muss jede:r neunte Bürgergeldberechtigte zubuttern. Und das nicht gerade wenig: 107 Euro müssen durchschnittlich von 563 Euro Bürgergeld abgezwackt werden, um nicht auf der Straße zu sitzen. In Hamburg sind es 95 Euro, in Dresden 114 Euro, in Berlin 201 Euro und im Schwabenländle, in Stuttgart, sogar durchschnittlich 338 Euro. Da bleibt nur noch die Suppenküche. Aber sie haben immerhin ein Dach über dem Kopf. Diese Aussagen sind so zynisch wie die Wohnsituation für Menschen mit wenig Geld. Und immer mehr Menschen mit geringem Einkommen konkurrieren um Wohnungen.
Immer weniger Sozialwohnungen
Hintergrund ist die seit Jahren sinkende Zahl der Sozialwohnungen. Gab es vor dreißig Jahren noch 2,9 Millionen Sozialwohnungen, waren es Ende 2022 nur noch 1,1 Millionen. Privatisierung lautet das Stichwort. Das ist gefährlich und es profitieren nur die Investoren und Miethaie.
Sozialwohnungen fallen nach 15 Jahren oder maximal 40 Jahren aus der Sozialbindung. Danach sind dem Markt überlassen und können teuer verscherbelt werden. Dass die Zahl der Wohnungen, die aus der Sozialbindung herausfallen, höher ist, als die die Zahl neu entstandener Sozialwohnungen, interessiert dabei nicht. Im Jahr 2020 gab es so eine Lücke von etwa 33 000 Wohnungen. Wer Geld hat, zieht aufs Land und pendelt zur Arbeit. Wer Geld hat, baut. Und wer Geld hat, investiert und vermietet an solvente Mieter:innen.
Reinigungsfachkräfte, Pflegepersonal, Auszubildende, Student:innen, Migrant:innen und viele andere schlecht bezahlte Arbeitnehmer:innen suchen weiter. Bürgergeldbezieher:innen zahlen weiter darauf und werden vom Jobcenter unter Druck gesetzt, ihre Wohnung zu verlassen, weil sie zu teuer ist. Dass der Stempel Bürgergeld kaum zu einer Wohnung führt, findet keine Beachtung. Es interessiert nicht.
Die Jobcenter sind für die Wohnungssuche nicht zuständig. Das ist eine bundespolitische Sache. Eine Not, die seit vielen Jahren besteht und keine Änderung erfährt. Sie bietet Diskussionsstoff, es wird geredet, es werden Wohnungen versprochen und dieses Versprechen wird wieder gebrochen. Von den aktuell angekündigten jährlich 400.000 Wohnungen wurden durchschnittlich 220.000 gebaut – inklusive Einfamilienhäuser. Es lohnt sich weiter darüber zu diskutieren, die Bodenpreise zu senken, das Bodenrecht neu zu überdenken – und über die Umsetzung des Artikels 14 Absatz 2 des Grundgesetzes nachzudenken: „Eigentum verpflichtet“. Die kapitalistische Spekulation mit Wohnungen und Boden muss ein Ende haben.