Der 1000-Türen-Tag in Hamburg
Mit Gesprächen und Erfolgen raus aus der Blase
- Rainer Benecke, Julian Georg, Natalia Werdung
Um den 30. Juli herum haben 45 Mitglieder von DIE LINKE. Hamburg - in allen sieben Bezirken unserer Stadt an 1.769 Türen geklingelt und 614 Gespräche geführt. Rund 40 Türen, rund 15 Gespräche pro #klingellinks-Aktivist:in. Dieser 1000-Türen-Tag - so nannten wir unsere Aktion - wird im Bundestagswahlkampf 2021in Hamburg nicht der letzte sein.
Jede Untersuchung, jede Empirie, zeigt: Unsere möglichen Wähler:innen wollen von uns im Gespräch überzeugt werden. Durch diese Nähe zu uns und im Austausch mit uns entwickelt sich langsam Vertrauen in linke Politik. Vertrauen der Menschen in linke Politik ist Voraussetzung, um zusammen mit uns für die eigenen Interessen einzutreten - und wenn's darauf ankommt auch DIE LINKE zu wählen oder Mitglied zu werden.
Hamburg-Eimsbüttel, Frühsommer 2021.
Gemeinsam mit einer Mieter:inneninitiative gegen die Zwangsversteigerung eines Mietshauses sammeln einige Mitglieder der LINKEn Unterschriften gegen diese Maßnahme. Sie formulieren die Angst der betroffenen Mieter:innen. Sie befürchten, irgendwann auf der Straße zu sitzen, weil die Miete nach dem Eigentümer:innenwechsel unbezahlbar geworden ist. Der Hamburger Senat, die Landesregierung also, wird via Unterschrift aufgefordert, einzugreifen, bei der Versteigerung mitzubieten, politisch verantwortlich und im Interesse der Mieter:innen dort und im ganzen Viertel zu handeln. Schließlich wird eine mögliche Mietenerhöhung Auswirkungen auf den ganzen Stadtteil, auf ganz Hamburg-Eimsbüttel haben. Darum ist es gut, dass Abgeordnete der Linksfraktion in der Bezirksversammlung Peter Gutzeit und die aus Eimsbüttel direkt gewählte Bürgerschaftsabgeordnete Carola Ensslen mit dabei sind. An der Tür, im Gespräch mit der Initiative, am Infotisch.
Unsere Genoss:innen an den Haustüren oder am Infostand verstecken sich nicht hinter der Initiative oder gar hinter den Unterschriftenlisten. Sie klingeln, informieren über ihr Anliegen durch die Gegensprechanlage - und siehe da, sie werden meistens ins Haus gelassen. An der Wohnungstür angekommen wird noch schnell ein Blick auf das Klingelbrett geworfen - nun können wir unser Gegenüber mit Namen ansprechen: "Guten Tag, Frau Müller, entschuldigen Sie bitte die Störung. Mein Name ist … von der Partei DIE LINKE hier in Eimsbüttel. Heute sammeln wir Unterschriften für die Mieter:inneninitiative hier in unserem Viertel. Dort engagieren wir uns...." In wenigen Worten skizzieren wir das drängende Problem. Und häufig hören wir: "Ach DIE LINKE! Ihr seid doch auch für den Mietendeckel! Das ist gut, denn mit den Mieten kann es nicht so weitergehen. Klar, ich unterschreib - und seh‘ mal zu, dass andere das auch tun! Drum lass´ mir mal bitte einen Bogen hier..."
So kommt Unterschrift zu Unterschrift - und ein Erfolg: Die Zwangsversteigerung wird abgesagt. Atempause für die Mieter:innen, politischer Erfolg auch für DIE LINKE, deren Mitglieder für diese Forderung im Stadtteil unterwegs und an den Türen waren.
Währenddessen in Hamburg-Altona: Natalia Werdung ergreift die Initiative. Im Bürgerschaftswahlkampf 2020 in Hamburg hat sie für DIE LINKE bereits am Haustürwahlkampf teilgenommen. Sie führt das leicht verbesserte Ergebnis für DIE LINKE in Hamburg auch auf diese Form des Wahlkampfes zurück - und bittet zu Haustürgesprächen in ihrem Bezirk, in Hamburg-Altona. Anders als im benachbarten Eimsbüttel, wo der aktuelle Anlass drängte, bereitet Natalia diese Gesprächsrunden vor. Sie bittet erfahrene Haustürkämpfer:innen aus dem Karl-Liebknecht-Haus in Berlin um Hilfe, organisiert Schulungen und geht jeden Monat mit immer mehr motivierten Genoss:innen los. Zuerst ist die Gruppe zu fünft, dann zu zehnt, unter ihnen der Abgeordnete der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Norbert Hackbuch. Er freut sich darüber, mal "endlich aus der 'Bubble' gekommen zu sein", denn er fragt mit seinen Genoss:innen in den Häusern Altonas nach den Problemen des Alltags. Viele Antworten, viel Unterstützung für linke Politik und eine Erkenntnis: Das machen wir wieder. Doch zunächst wird sich mit den Genoss:innen aus Eimsbüttel ausgetauscht. Welche Erfahrungen wurden dort gemacht?
So erblickt der 1000-Türen-Tag das Licht der Welt- denn nach dem Erfahrungsaustausch der Aktiven war klar: Was in Eimsbüttel und Altona aus unterschiedlichen Anlässen erfolgreich war, wird auch in ganz Hamburg funktionieren.
Den fünf weiteren Hamburger Bezirken wurden die positiven Erfahrungen geschildert. Sie wurden gebeten, sich am 1000-Türen-Tag zu beteiligen - um den Menschen zuzuhören, Lebenslagen und Probleme aufzuspüren und auf einem längeren Weg diese Alltagssorgen möglichst gemeinsam zu lösen. Das Leben erleichtern - durch die Nähe zu den Menschen Vertrauen gewinnen und die Hoffnung auf Veränderungen gemeinsam mit uns, mit der LINKEN und ihren Mitgliedern entwickeln. Und Unterschriften für einen bundesweiten Mietendeckel zu sammeln, denn die Mieten- und Wohnungsprobleme drängen in Hamburg wie in anderen großen Städten. Immer häufiger wird die Hälfte des Einkommens für Miete und Nebenkosten ausgegeben.
Der 1000-Türen-Tag startet am 31. Juli im Osdorfer Born, einer Großsiedlung mit 11.000 Menschen, besonders viele Ältere und Arme leben dort. Gemeinsam mit der Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, Cansu Özdemir, machen sich Natalia Werdung und zehn weitere auf den Weg, um ein Alltagsproblem anzugehen, dass die dort lebenden Menschen jeden Tag nervt: Die Filiale der Hamburger Sparkasse im Born soll schließen, die größte Sparkasse Deutschlands mit 200 Filialen und 370 Geldautomaten in der Stadt will ausgerechnet dort ihre Filiale schließen. Es ist die letzte Bankfiliale überhaupt im Born. Dort, wo das Online-Banking nicht verbreitet ist, dort wo die knapp 4,50 Euro Fahrgeld für den Hin- und Rückweg zur nächsten Filiale der Hamburger Sparkasse schmerzen, wird die Versorgung mit dem Geld zu einem Problem. "Wie soll ich denn nun an mein Geld kommen..." werden wir an Türen von älteren Menschen verzweifelt gefragt. Die Gruppe hat Postkarten dabei - fertig adressiert an den Haspa-Vorstand, mit der Forderung, die Haspa zu erhalten. „Sie müssen nur hier unterschreiben, wir schicken das für Sie ab!“. Schnell werden weit über 100 Unterschriften auf den Postkarten abgegeben, ein guter Türöffner für die Wahlkämpfer:innen und ein Stück Selbstwirksamkeit für die Menschen im Osdorfer Born.
Auch in Hamburg-Steilshoop, einer Großsiedlung im Bezirk Wandsbek, werden unsere Aktiven sehr häufig sehr emotional begrüßt. Mieter:innen von Häusern, die der Vonovia gehören, berichten von Mietensteigerungen von über 30 Prozent in den letzten Jahren - und dass ihr Einkommen da nicht mitkommt. Aber wir werden auch gefragt, was wir denn dagegen zu tun gedenken, ganz praktisch, auch vor Ort. Mit dem Hinweis auf einen Gesetzesentwurf zum Mietendeckel kommen wir ein Stück weiter - und das stärkt unsere Erkenntnis: Linke Politik muss einen Gebrauchswert für die Mehrzahl der Menschen haben. Aber linke Politik muss auch immer die Botschaft aussenden: Gemeinsam mit euch schaffen wir das! Parolen alleine genügen nicht...
Wir freuen uns über den Erfolg des 1000-Türen-Tages und die schnelle Unterstützung. Aus Berlin erhielten die daran beteiligten Verbände direkt die notwendigen Materialien wie Klemmbretter, Taschen, Erfassungsbögen. Der nächste 1000-Türen-Tag in Hamburg wird noch besser vorbereitet - Mängel in der Vorbereitung sind dazu da, die Arbeit zu verbessern. Wir werden uns gemeinsam schulen und die Frage beantworten: Wie führen wir noch bessere Gespräche an der Haustür? Wie arbeiten wir in Stadtteilen, in denen andere Sprachen gesprochen werden, aber gewählt werden darf? Was fangen wir mit den Ergebnissen an - schön, dass wir Namen von Interessierten aufgenommen haben, mit denen wir in Kontakt bleiben, die wir einladen, um gemeinsam kleine Alltagsprobleme vor Ort zu lösen. Ein einziger Tag an über 1000 Türen macht uns auf viele Aufgaben aufmerksam, die linke Politik im Stadtteil und Bezirk angehen kann - und muss, wenn DIE LINKE ihrem Anspruch genügen will. Denn Wahlen werden zwischen den Wahlen gewonnen, auch im Kontakt mit den Menschen. Nun steht aber erstmal der bundesweite Haustüraktionstag an. Es ist an der Zeit, auf die Briefwahl aufmerksam zu machen. Am 21.08.2021 werden wir auch in Hamburg wieder an vielen Orten klingeln und mit den Menschen ins Gespräch kommen.