Europa soll auf der Schiene zusammenwachsen
Die Linke will, dass die Bahn ihren Auftrag als Rückgrat der Verkehrswende erfüllen kann – europaweit und gemeinwohlorientiert. Hierzu stellten der Bundesvorsitzende Martin Schirdewan und Martin Günther, Kandidat für das Europäische Parlament, zusammen mit Florian Witte, EVG-Betriebsrat bei DB Cargo, auf einer Pressekonferenz am Montag in Berlin einen 7-Punkte-Plan vor.
Durch eine „United Railways of Eurpe“, also die Vereinigten Bahnen von Europa, will die Linke erreichen, dass der Bahnverkehr europaweit gestärkt wird, indem öffentliche Bahngesellschaften beim grenzüberschreitenden Verkehr stärker kooperieren sollen. „Statt auf Zerschlagung von integrierten Eisenbahnunternehmen mit dem Ziel der Konkurrenz setzen wir auf eine Stärkung der Gemeinwohlorientierung“, stellt das Konzept der Linken klar.
Martin Schirdewan unterstrich, dass sich die Entwicklungen in der Verkehrspolitik unter der Ampel-Regierung nicht gebessert, sondern verschlimmert haben. Insbesondere die Verschiebung des Deutschlandtakts – eines bundesweit koordinierten Eisenbahnfahrplans mit deutlichen Angebotsausweitungen – durch Bundesverkehrsminister Volker Wissing von 2030 auf 2070 kritisierte er scharf: „Eine sozial gerechte Verkehrswende fällt unter dieser Regierung einfach aus.“
„Statt der Orientierung auf Profit und Privatisierung der Bahn drängen wir auf eine gemeinwohlorientierte Bahn“, betonte Martin Schirdewan. Doch die EU-Kommission hat andere Vorstellungen. „Jüngstes Beispiel ist das Beihilfeverfahren von Ursula von der Leyen gegen die DB Cargo und auch gegen ihre französische Schwester, die Fret SNCF“, erklärte Martin Schirdewan. „Es ist absoluter Wahnsinn […], sowohl sozialpolitisch als auch unter ökologischen Gesichtspunkten, den Schienengüterverkehr anzugreifen und damit dazu beizutragen, dass Güter – mit der entsprechenden ökologischen und sozialen Belastung – wieder auf der Straße transportiert werden.“
Bessere Verbindungen europaweit
Kernstück der linken Strategie für den europäischen Bahnverkehr sind die „United Railways of Europe“, eine „gemeinnützige europäische Bahngesellschaft, die den grenzüberschreitenden Zugverkehr in Europa organisiert, mit koordinierten Fahrplänen, einer gemeinsamen Buchungsplattform und besseren grenzüberschreitenden Fahrgastrechten“, wie Martin Schirdewan erklärt. Durch einen Europatakt sollen die europäischen Großstädte bis 2035 im Stundentakt verbunden werden. „Wir wissen aber auch, dass all dies nicht geht, ohne die Beschäftigten und ihre Interessen in den Blick zu nehmen“, so Martin Schirdewan.
Florian Witte, Gewerkschafter bei der EVG und Betriebsrat bei DB Cargo, erklärte, dass auch die Friedensfrage die Beschäftigten gerade umtreibt. Viele von ihnen wollen beim Transport von Rüstungsgütern nicht mitwirken. „Es muss ein Recht sein, zu sagen: ‚Das war nie etwas, was ich mir vorgestellt habe‘“, forderte Florian Witte. „Wir reden hier von Kriegsmitteln, also nicht von Hilfsgütern und sonstigen Dingen, die natürlich möglicherweise auch durch die Deutsche Bahn AG über die Grenze transportiert werden.“
Insgesamt müssen sich die Beschäftigungsbedingungen im Bahnsektor verbessern. „Es gibt ganz viele junge Leute, aber auch andere Menschen, die sich umorientieren und bei der Eisenbahn arbeiten wollen. Das ist erstmal schön und begrüßenswert. Wenn sie dann aber ankommen und Wechselschichten sowie unheimlich lange Arbeitszeiten haben und bis zu 20 Tage außer Haus sein sollen, dann ist das eine andere Realität“, erklärte Florian Witte.
Durch den technischen Fortschritt, etwa das europäische Signalsystem ETCS oder die digitale automatische Kupplung im Güterverkehr könnten viele einfache Tätigkeiten im Eisenbahnwesen in Zukunft wegfallen, gerade auch in Osteuropa. „Für diese Menschen muss es durch staatliche Förderung eine Sicherheit geben, dass man hier eine vernünftige Umschulung und Weiterqualifizierung bekommt, um nicht durch den notwendigen technischen Fortschritt in die Arbeitslosigkeit zu fallen“, forderte Florian Witte.
Teil der Daseinsfürsorge
„Die Bahn ist das Rückgrat des ÖPNV und einer gelingenden Mobilitätswende. Eine europaweit gut funktionierende Bahn ist die Voraussetzung für eine Mobilität, die sowohl sozial als auch ökologisch ist“, erklärte Martin Günther, Kandidat der Linken für das Europaparlament: „Der Ausbau des Schienenverkehrs ist nur öffentlich sinnvoll zu organisieren. Die Bahn ist ein Bereich der Daseinsvorsorge, wo wir schlicht und ergreifend feststellen müssen: Dort hat Konkurrenz nichts zu suchen, weil sie kontraproduktiv ist“, betonte er.
„Alle erfolgreichen Bahnen auf der Welt setzen auf einen integrierten Betrieb. Es gibt nur ein Schienennetz, und das muss mit Blick aufs Ganze ausgebaut und betrieben werden“, so Martin Günther. Diese Lektion ist in Brüssel aber offenbar noch nicht angekommen. „Man hat den Eindruck, in der EU haben einige den Schuss nicht gehört. Die EU will weiterhin wider aller Vernunft die Privatisierung der Bahnnetze vorantreiben. Durch das Vergaberecht soll in Zukunft noch stärker auf Ausschreibungen und Wettbewerb gesetzt werden. Das läuft auf einen Rückbau der bestehenden Standards hinaus“, so Martin Günther.
Die Linke steht für ein zuverlässiges Verkehrssystem in Händen der Allgemeinheit, wie Martin Günther betont: „Wir wollen die öffentlichen Verkehrsmittel durchgehend wieder in die öffentliche Hand holen und massiv ausbauen. Das gilt auf kommunaler Ebene, auf nationale Ebene und mit unserem Plan für eine ‚United Railways of Europe‘ auch für die Koordinierung auf europäischer Ebene.“
Martin Günther unterstrich ebenfalls, dass die hierfür notwendigen Ressourcen sehr sinnvoll verwendet wären: „Natürlich kostet das Geld. Aber das Geld ist sehr gut angelegt. Ein gutes öffentliches Verkehrssystem senkt die ökologischen Kosten der Mobilität und ist damit am Ende auch volkswirtschaftlich sinnvoll.“ Erfahrungen aus Nachbarländern zeigen, dass sich diese Investitionen äußerst positiv auswirken. „Die erfolgreiche österreichische Bahn sollte europäischer Standard werden. Das heißt, insbesondere hierzulande muss mehr in die Schiene investiert werden“, so Martin Günther.