Konferenz

Für einen Osten, wie wir ihn wollen

Ostdeutsche Beschäftigte erhalten im Schnitt 17 Prozent weniger Lohn als ihre Kolleginnen und Kollegen in Westdeutschland. Diese markante Schlechterstellung der Ostdeutschen bei der Bezahlung gleicher Arbeit liegt insbesondere auch daran, dass die Tarifbindung der Unternehmen im Osten geringer ist, als im Westen. Bei den Tariflöhnen liegen die Bruttoverdienste mit 97 Prozent nur knapp unter Westniveau. Es ist also Zeit, die Stärkung der Tarifbindung in Ostdeutschland in den Fokus zu nehmen.

Wie die Tarifbindung und damit die Löhne im Osten der Republik erhöht werden kann, war Thema des Gewerkschaftsratschlags Ost der Linken, der am Wochenende in Leipzig stattfand. Über 150 Genoss*innen und Kolleg*innen fanden sich in Leipzig zusammen, die über die aktuellen Kämpfe und Erfolge der gewerkschaftlich Organisierten sprachen.

Dass die Zeiten von "Wild Ost" vorbei seien, sei leider bisher nicht überall angekommen, stellte der DGB-Vorsitzende in Sachsen, Markus Schlimbach in seinem Grußwort fest und sorgte für Optimismus. „Die Beschäftigten merken: Da geht was für uns, wenn wir zusammenhalten und selbst aktiv werden“. Nach Jahren, in denen die Angst um den Arbeitsplatz jeglichen Kampf um Verbesserung der Arbeitsbedingungen gelähmt habe, sei der Arbeitsmarkt völlig geändert, stellte der DGB-Bezirkschef fest. Durch den Fachkräftemangel sei eine Situation entstanden, in der sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr alles gefallen ließen. „Junge, gut ausgebildete Menschen lassen sich mit schlechten Löhnen und miesen Arbeitsbedingungen nicht mehr abspeisen“.

Die Historikerin und Mitbegründerin der Initiative für unabhängige Gewerkschaften, Renate Hürtgen, blickte zurück und erinnerte daran, dass die Westgewerkschaften in den 1990er-Jahren zwar bemüht waren, den Apparat auf den Osten zu übertragen. Aber sie hätten die Selbstorganisationen nicht wahrgenommen. „Der Schwung wurde ausgebremst.“ In den Diskussionen und Panels wurde aber deutlich, dass die bleiernen Jahre im Osten vorbei sind. Die Erfolge der gewerkschaftlich Organisierten in der Ernährungswirtschaft, im Gesundheitsbereich und in der Metall- und Elektroindustrie lassen hoffen. Ein Beispiel dafür nannte Paul Schmidt, ver.di Landesfachbereichsleiter Verkehr: „Wir haben einen wichtigen politischen Sieg errungen, in dem die Unterlassungsklage gegen den Streik der Verkehrsbetriebe abgewiesen wurde. Das zeigt: Unsere Streiks sind legitim. Mit ‘Wir fahren zusammen’ haben wir gezeigt, dass es große Unterstützung für gute Arbeitsbedingungen gibt und eine Mobilitätswende."

Für den sächsischen Landesvorsitzenden Stefan Hartmann, der auch Spitzenkandidat der Linken bei den Landtagswahlen am 1. September ist, ist die Solidarität mit Streikenden eine Selbstverständlichkeit: „Die sächsische Linke geht seit Jahren grundsätzlich zu jedem Streik. Egal, wie groß oder klein und das machen wir auch weiter so“, versprach er in seinem Grußwort. Dass die Kämpfe der Gewerkschaften aber nicht nur Solidarität, sondern auch politische Unterstützung benötigen, daran erinnerte Jana Seppelt, stellvertretende Parteivorsitzende der Linken und Mitglied der die Konferenz organisierenden Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft: "Gute Arbeitsbedingungen starten in der öffentlichen Hand. Zu Zwecken der Tarifflucht ausgelagerte Betriebe müssen in die Mutterunternehmen mit besserer Tarifbindung zurückgeführt werden.“ Hierfür trage Die Linke in Regierungsverantwortung wie in Opposition ebenfalls Verantwortung. Sie muss mit dafür sorgen, “dass die dafür notwendigen Gelder in den Haushalt eingestellt werden. Das sind harte Kämpfe, wir werden sie nur zusammen gewinnen", ermahnte die Gewerkschafterin auch ihre eigene Partei.

Ebenfalls an die Politik appellierte Stefan Bornost, Gewerkschaftssekretär ver.di Berlin-Brandenburg mit Schwerpunkt Abfallwirtschaft. Er weiß auf die Wichtigkeit der Rolle von Aufsichtsräten bei Ausgliederung und Beteiligungen hin. Häufig seien aber Aufsichtsräte von öffentlichen Unternehmen fachlich nicht in der Lage, diese Aufsicht sachgerecht zu leisten. Auch Die Linke müsse ihre Leute hier weiterbilden und Räume für strategischen Austausch schaffen.

Präsent waren auf der Konferenz auch die aktuellen Kämpfe, die es zu führten und zu gewinnen gilt. René Gruber, Vertrauensmann bei den Leipziger Verkehrsbetrieben, machte deutlich, dass es bei den Tarifauseinandersetzung im ÖPNV nicht nur um angemessene Bezahlung, sondern auch um bessere Arbeitsbedingungen geht. ÖPNV sei ein 24h Job. “Wir kämpfen für Entlastung, wir wollen nicht krank werden, wir brauchen Erholung - dafür kämpfen wir!", sagte er unter dem Beifall der Anwesenden. 

Ein Betriebsrat von Knorr Auerbach berichtete über bevorstehende Entlassungen, die der internationale Verbrauchsgüter- und Lebensmittelhersteller Unilever, dem Knorr Auerbach gehört, vornehmen will. Der Grund: Die von Unilever vorgegebene Gewinnmarge soll nicht erzielt werden. “Wir werden uns das nicht gefallen lassen. Der Betrieb ist in den schwarzen Zahlen, die Leute haben sich bis zu 45 Jahre hier den Rücken krumm gebuckelt. Menschen vor Marge!”, zeigte er sich kämpferisch. Gezeigt wurde auch ein Video über die Kämpfe der Kolleg*innen von Knorr Auerbach

In Arbeitsgruppen wurden Fragen zur parlamentarischen Unterstützung, zur Frage der Rolle der Linken in Regierungen in Land und Kommunen sowie zur Rolle der Linken in migrantisch geprägten Arbeitskämpfen vertieft. Dies Fragen waren auch Gegenstand des Panels mit dem Gruppenvorsitzenden und Leipziger Bundestagsabgeordneten, Sören Pellmann, sowie mit der Parteivorsitzenden Janine Wissler.

In ihrem Beitrag unterstrich die sächsische Landesvorsitzende der Linken und Spitzenkandidatin zur Landtagswahl, Susanne Schaper, dass es eine politische Aufgabe ist, der wir uns im Parlament und außerhalb stellen. Sie unterstrich, dass es zentral sei, politische Angriffe auf die Rechte der Beschäftigten, wie das Streikrecht, zurückzuweisen. Das habe Die Linke im sächsischen Landtag wiederholt getan. Unter Beifall versprach sie: “Wir müssen Betriebsräte, die Union Busting erfahren, unterstützen.”.

Nicht ausgeklammert werden konnte auf der Konferenz die Gefahr von Rechts. Aber auch hier wurden im gewerkschaftlichen Aufbruch Ost Chancen gesehen. Die Sozialwissenschaftlerin Sophie Bose vom Leipziger Else-Frenkel-Brunswik-Institut sieht die Möglichkeit, dass Beschäftigte in Arbeitskämpfen wichtige „demokratische Erfahrungen“ machen, die helfen, autoritäre Mustern entgegenzuwirken. „Beteiligungs- und konfliktorientierte Gewerkschaftsarbeit“ kann so auch helfen, die Demokratie zu verteidigen und zu stärken.