Kniefall vor den Rechten
Die Innenminister der Europäischen Union haben die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl beschlossen. Das ist ein Frontalangriff auf die Rechte Schutzsuchender und ein Anschlag auf die Menschenrechte. Zukünftig sollen Geflüchtete in Lagern an den EU-Außengrenzen unter haftähnlichen Bedingungen interniert werden, Asylanträge in Schnellverfahren bearbeitet und Abschiebungen in Drittländer ausgeweitet werden.
Lagerhaft für Kinder
Es geht um Menschen, die kein Verbrechen begangen haben, die auf der Flucht sind vor Kriegen, Verfolgung, Hunger. Nicht mal Familien mit kleinen Kindern sind ausgenommen. Es wird ernsthaft diskutiert, wie man Kinder kindgerecht inhaftieren und möglichst „human“ einsperren kann, was unvereinbar mit der Kinderrechtskonvention ist. Und diese Einigung feiert Bundesinnenministerin Faeser als einen „historischen Erfolg“ für eine solidarische Migrationspolitik. Um die Grenzverfahren durchzuführen, braucht man an den EU-Außengrenzen Lager mit 30.000 de facto Haftplätzen. Und Frau von der Leyen reiste gerade ausgerechnet mit Meloni nach Tunesien, um einen weiteren Autokraten als Türsteher Europas zu gewinnen.
Was hat das mit den viel beschworenen „europäischen Werten“ zu tun? Über Trump hat man sich empört, als er Kinder einsperren ließ, jetzt zieht die Festung Europa die Mauern weiter hoch. Es ist eine Schande. Ich war auf Lesbos, in Moria, in Kara Tepe. Wo Menschen jahrelang in Zelten leben. Bei Kälte wie bei Hitze. Ich habe Kinder getroffen, die in ihrem Leben noch keinen Spielplatz gesehen haben. Dort sind die "Ärzte ohne Grenzen" im Einsatz, weil es sonst keine medizinische Versorgung gäbe – in einem Land der Europäischen Union. Solche Lager dienen jetzt als Vorbild – sie sind europäische Modellprojekte, finanziert mit EU Geldern.
Das Auswärtige Amt sabotiert die Seenotrettung
Zwei Meldungen vom gestrigen Tag: Die erste: Nach einem Bootsunglück vor Griechenland werden Hunderte vermisst. Während Seenotrettungsschiffe in Italien festgehalten werden und anderen das Geld fehlt, um auszulaufen, ertrinken Menschen. Und die zweite: Das Auswärtige Amt blockiert die beschlossene Millionenhilfe für zivile Seenotretter und hält versprochene Zahlungen zurück. Nein, es ist kein tragisches Unglück, wenn Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken, es ist die Folge einer Politik der Abschottung, der Kriminalisierung ziviler Seenotrettung und der Pushbacks. Das Mittelmeer wird zum Massengrab, weil es keine sicheren Fluchtrouten geben soll.
Was die Ampel mit beschlossen hat, bedeutet, das Recht so lange an den faktischen Zustand des Asyl-Unrechts anzupassen, bis Unrecht zu Recht geworden ist. Wovon Horst Seehofer träumte, setzt eine sozialdemokratische Innenministerin um – mit Unterstützung der grünen Mitglieder der Bundesregierung. Das hat mit dem Koalitionsvertrag und einer humanen Asylpolitik nichts zu tun. Das ist ein Kniefall vor Rechtsaußen und ein politischer Offenbarungseid. Der Beschluss ist ein Erfolg für die rechten Kräfte in Europa und wird sie weiter stärken. Diese Lehre sollte man gezogen haben aus der Debatte um den Asylkompromiss 1993 und der Welle rechter Gewalt damals. Der Jahrestag des Brandanschlags von Solingen jährte sich gerade zum 30. Mal – er ereignete sich drei Tage nach der Abstimmung über die Asylrechtsverschärfung.
DIE LINKE wird für das Recht auf Asyl kämpfen
Flucht ist kein Verbrechen. Menschenrechtsorganisationen wie ProAsyl und Amnesty sind entsetzt, es gibt laute Kritik aus Gewerkschaften, Kirchen, von Kulturschaffenden und auch aus SPD und Grünen. DIE LINKE wird im Europäischen Parlament, im Bundestag und auf der Straße für das Recht auf Asyl kämpfen. Wir sollten nie vergessen: Die Genfer Flüchtlingskonvention war auch eine Lehre aus dem Schicksal vieler jüdischer Flüchtlinge, die an Grenzen abgewiesen wurden und keine Aufnahme fanden, als sie Schutz vor den Nazis suchten. Diese Entscheidung ist historisch. Sie hat fatale Folgen für Schutzsuchende und dieser Asylkompromiss 2.0 wird für immer mit der Regierungszeit der Ampel verbunden sein. So wie der Asylkompromiss von 1993 heute sinnbildlich für die Entrechtung Geflüchteter und das Einknicken vor den Rechten steht. Damals standen die Grünen mit uns auf der Seite der Menschenrechte. Heute müssen Sie entscheiden, auf welcher Seite Sie stehen.