"Wir stellen die Verteilungsfrage"
- Martin Heinlein
- DIE LINKE
Schon unter normalen Umständen ist ein digitaler Parteitag eine Herausforderung für alle Beteiligten. Doch an diesem Wochenende herrschen keine normalen Umstände, sondern tropische Temperaturen. Es ist einfach zu heiß, auch in den Berliner Rheinbeckhallen, wo die Tagungsleitung sitzt, werden über 30 Grad gemessen. Da machen gleich mehrere Computer schlapp, weil die Lüfter nur heiße Luft ansaugen können. Trotzdem muss der Parteitag nie länger unter- oder gar abgebrochen werden.
Tropische Hitze, sachliche Diskussionen
Alles andere als heiße Luft ist hingegen das, was hier diskutiert wird. Schließlich geht es ums Wahlprogramm der LINKEN. Auf diesem Programmparteitag melden sich vor allem jene zu Wort, die Änderungsanträge eingebracht hatten. Über 1000 Änderungsanträge zum Leitantrag, aus dem einmal das Wahlprogramm werden soll, hat es im Vorfeld gegeben. Viele Anträge konnten bereits im Vorfeld vom Parteivorstand und der Antragskommission „abgeräumt“ werden. Dafür hatte der Parteivorstand eigens Zuständige für die einzelnen Abschnitte des Leitantrags bestimmt, die sich dann bei den jeweiligen Diskussionen der Antragskommission einbringen konnten. Doch nicht alle Anträge konnten so aufgefangen werden. Und so wurde auf dem Digital-Parteitag eifrig diskutiert. Für Außenstehende nicht immer einfach zu verfolgen, weil sich die Änderungsanträge auf bestimmte Formulierungen in den dicken Antragsheften bezogen.
Allen Genoss:innen war klar: Von diesem Parteitag soll auch ein Signal ausgehen. Ein Signal des Aufbruchs und der Einigkeit. In den letzten Wochen machte die Partei vor allem mit öffentlich ausgetragenen Diskussionen von sich reden. Das schlägt sich auch in den Umfragewerten nieder. Auch das Abschneiden bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt brachte nicht den erhofften Rückenwind für die Bundestagswahl im September. Zuvor hatte die Partei schon in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg enttäuschend abgeschnitten.
"Wir gehen nicht zu Boden!"
- Martin Heinlein
- DIE LINKE
Auch Susanne Hennig-Wellsow ging in ihrer Rede auf die Probleme ein: "Ich spüre selber auch den Ärger und die Wut darüber, dass wir auch in den eigenen Reihen diskutieren - nicht immer auf eine sehr produktive Art und Weise. Und ich spüre auch, dass es eine gewisse Angst oder Furcht gibt, dass wir das alles nicht schaffen. Aber ich kann Euch eines versprechen: Wir gehen nicht zu Boden". Die Thüringerin machte zudem deutlich, wofür sie kennt: „Ich will, dass es den Menschen nach dem 26.9. besser geht. Das treibt mich an.“ Gleichzeitig warnte Hennig-Wellsow vor Union und FDP: "Die soziale Frage ist uns als Kern in die Gene geschrieben. Was uns blüht: Wenn die CDU in die Regierung kommt, wenn die FDP in die Regierung kommt, dann bedeutet das faktisch einen Kampf gegen die Armen."
„Wir stellen die Verteilungsfrage, und zwar sehr grundsätzlich“, betonte Spitzenkandidat Dietmar Bartsch in seiner Rede am Sonntag. „Wir wollen eine Steuerreform, die den Großteil der Bevölkerung entlastet“. Alle anderen sollen deutlich stärker zur Kasse gebeten werden. „Wir sind bereit, uns mit den Mächtigen anzulegen“, sagte Bartsch und verwies auf die Klatten-Familie, die Milliarden besitzt und Anteile am Autokonzern BMW hält.
Umverteilen von oben nach unten
Auch Janine Wissler als zweite Spitzenkandidatin machte klar, wofür DIE LINKE steht: „Umverteilung von oben nach unten“. Tatsächlich finden sich im Leitantrag zum Parteitag konkrete Vorschläge, wie so eine Umverteilung aussehen könnte. So gibt es dort die Forderung nach einer Vermögensteuer mit „geschätzten Einnahmen“ von jährlich über 50 Milliarden Euro. Auch wenn es mehr als 1000 Änderungsanträge gab, nahm der Parteitag keine grundlegenden Änderungen am Wahlprogramm mehr vor.
Niemand rüttelte an den Säulen dieses Programmentwurfs: Vermögensabgabe zur Finanzierung der Corona-Krise sowie eine Vermögenssteuer für Wohlhabende, ein garantiertes Mindesteinkommen von 1200 Euro, massiver Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, eine Neubauoffensive für Sozialwohnungen im ganzen Bundesgebiet sowie 200 000 zusätzliche Pflegekräfte für Krankenhäuser und Altersheime. Dazu ein Lohnplus von 500 Euro monatlich. DIE LINKE will zudem einen bundesweiten Mietendeckel und ein Neubauprogramm für Sozialwohnungen. Offenbar steht die überwältigende Mehrheit der Genoss:innen hinter dem Entwurf: Fast 90 Prozent der Delegierten stimmten für den Entwurf, nur 30 dagegen. Das rund 120-seitige Wahlprogramm trägt den Titel "Zeit zu handeln: Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerechtigkeit!".
Ein Signal des Aufbruchs
Und so ging vom Parteitag tatsächlich das erhoffte Signal des Aufbruchs aus. DIE LINKE hat ein mutiges Wahlprogramm verabschiedet, das eventuelle Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und der SPD nicht einfacher macht, dafür aber linke und progressive Akzente setzt. Dass der Klimawandel und die sozial gerechte Transformation der Wirtschaft zentraler Bestandteil des Programms geworden sind, beweist zudem, dass hier keine Ewiggestrigen am Werk sind, sondern Menschen, die in die Zukunft schauen. Und es ist ja auch eine Art Lob, wenn "Die Zeit" im Anschluss an den Parteitag urteilt: 'Im Programm der Linken finden sich viele Forderungen, die eine Regierungsbeteiligung schwierig machen dürften."