Panorama der Drangsalierung

Nach seinem Film „Die Wütenden“ von 2019 schaut Regisseur Ladj Ly mit „Die Unerwünschten“ ein weiteres Mal in die Banlieues französischer Großstädte. Und wütend sind auch diese Unerwünschten. Kein Wunder –es geht um das Thema Wohnen und wie die politische Elite versucht, unliebsame Nachbarschaften zu verdrängen.

Ly setzt aufs Geschichtenerzählen, mit Blick auf die abstrusen Momente im Leben alter Leute: Der Bezirksbürgermeister lässt einen Hochhausbau sprengen, damit er Platz hat für schöne neue Wohnungen. Der Sprengmeister verkalkuliert sich jedoch ordentlich beim Sprengstoff und dessen Wirkung. Nachdem er auf den Knopf gedrückt hat, fliegen den anwesenden Honoratioren die Trümmer um die Ohren. Für den Bürgermeister bleibt das nicht folgenlos. Der Stress ist zu viel, er verstirbt noch an Ort und Stelle an einem Herzinfarkt.

Eigentlich wäre nun sein Vertreter Roger an der Reihe, aber die Parteioberen entscheiden anders. Roger ist schwarz und hat die Sympathie der ansässigen Bevölkerung. Man nimmt lieber den weißen Kinderarzt Pierre. Dem ist das Nachbarschafts-Multikulti ein Dorn im Auge, er will die Habenichtse aus dem Viertel haben.

Die junge, aus Mali stammende Haby absolviert gerade ein Praktikum im Rathaus, als der Regierungswechsel stattfindet. Ihr passt es nicht, wie die Stadtoberen darauf hinarbeiten, Wohnblocks abzureißen. An Politik ohnehin schon interessiert, rutscht sie bald in die Vermittlerrolle zwischen Bewohnern und Bezirksamt. Spätestens als Pierre plant, ihren eigenen Wohnblock plattzumachen – ein Brand ist ausgebrochen, Pierre erklärt das Gebäude für einsturzgefährdet – wird sie in eine recht aktive Rolle gedrängt: Für die nächste Bürgermeisterwahl lässt sie sich selbst als Kandidatin aufstellen und will gegen Pierre antreten. Das Bezirksamt kennt sie ja schon. Es schlägt ihr zunächst viel Sympathie entgegen, doch letztlich kann sie die Katastrophe nicht verhindern, das Haus wird geräumt.

Aber auch mit der ihrer Nachbarschaft innewohnenden Gewalt hat sie zu kämpfen. Bald nimmt ihr bester Freund die Familie des Interimsbürgermeisters als Geiseln. Auf die weitere Dynamik kann Haby dann nur noch wenig Einfluss nehmen.

Institutionelle und andere Gewalt, gesellschaftlicher und anderer Sprengstoff stehen wie gehabt auf der To-Do-Liste des engagierten Regisseurs. Minutiös zeichnet er die politischen und sozialen Prozesse im Kampf um Leben und Wohnen nach; zeigt, wie machtlos man scheindemokratischen Machtverhältnissen ausgeliefert sein kann. Dass man dennoch nicht todtraurig aus dem Kino geht, ist seiner Hauptfigur Haby zu verdanken: Die beweist, dass Engagement und Teilhabe egal unter welchen Bedingungen und mit welchen Rückschlägen immer möglich und lohnend sind.

 

„Die Unerwünschten“. F 2023. Regie: Ladj Ly, mit Anta Diaw, Alexis Manenti. Kinostart: 6. März 2025