Bad im Geldspeicher

Halberstadt im Harz, 1990: Das verschlafene Städtchen ist plötzlich aufgeweckt worden. Gerade ist die Mauer gefallen, der DDR-Osten ist nicht mehr, der Westen aber auch noch nicht ganz da. Immerhin hat es dafür gereicht, dass die Volkswirtschaft mehr oder weniger zusammengebrochen ist, demnächst winken ABM-Maßnahmen – für die Jüngeren: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Es ist eine Zeit des großen Aufbruchs für die einen, für die anderen ist es der große Zusammenbruch. Die Welt, wie die Ostdeutschen sie kannten, ist weg. Maren (Sandra Hüller), Robert (Max Riemelt) und Volker (Roland Zehrfeld, in Nadja Brunckhorsts Filmkomödie „Zwei zu eins“ Freunde seit Kindesbeinen an, wissen auch nicht richtig, wie es weitergehen soll. Da fällt ihnen das Glück auf die Füße: Lastwagen transportieren große Mengen von Irgendwas durch die Landschaft hin zu einem alten Schacht. Bald finden die drei Wendegeschädigten heraus, was da gelagert wird: DDR-Geldscheine en masse. Sie stammen aus der Zentralbank in Berlin, keiner braucht sie mehr. Es sind sogar 500 Ostmark-Scheine dabei, die nie ausgegeben wurden.

Nun stellt sich heraus, dass die Umtauschfrist Ostmark – Westmark im Verhältnis zwei zu eins unter bestimmten Bedingungen noch läuft. Das Trio wittert den Groß-Coup. Säckeweise schleppen sie das Geld aus dem Stollen – einmal sogar unter Waffeneinsatz eines übriggebliebenen NVA-Soldaten. Dem Zuschauer wird es mulmig zu Mute: Werden die drei ihre Ziele umsetzen können? Lohnt sich das Ziel überhaupt? Mindestens Maren träumt davon, den alten Volkseigenen Betrieb (VEB), zu erwerben und für den Weltmarkt flottzumachen („Haben schon mit Schweden gesprochen…“). Mit allerlei Wortwitz und etwas weniger Action folgt man den Amateurganoven durch ihr Abenteuer, umgeben von einem liebevoll dekorierten DDR-Ambiente. Erstaunlich, wie viele Gegenstände von vor 35 Jahren heute noch übrig sind, um so ein Filmset einzurichten.

„Zwei zu eins“ beruht auf einer wahren Begebenheit. In der Tat wurden 1990 rund 400 Tonnen Bargeld in dem Stollen zum Verrotten deponiert, weil es keine geeignete Verbrennungsstätte gab. Es sollen größere Mengen Geld entwendet worden sein, Täter wurden nicht ermittelt. „Ich habe die Fotos gesehen von den Leuten, die in dem Stollen zum ersten Mal das Geld sehen. Sie wirken sehr glücklich. Wahrscheinlich wird man beim Anblick eines solchen Geldhaufens wieder zum Kind“, erzählt Regisseurin Brunckhorst. Freudig hat sie ihre Protagonisten das Bad im Geldspeicher nachspielen lassen.

Nun ist viel an dem Film sicher richtigerweise kritisiert worden, da stimmten diese Details nicht, da fehle jegliches Gespür für Ost-Geschichte, für zeitgeschichtliche Fakten sowieso. Mag sein. Dagegen einzuwenden ist: Hier stehen drei Darsteller in der ersten Reihe, die allesamt aus dem Osten stammen, zweitens spiegeln sich jede Menge Besonderheiten deutscher Geschichte wieder, wie zum Beispiel im Monolog einer älteren Dame in der Funktion der VEB-Kassenverwalterin, die erklärt, dass sei nicht ihre erste Währungsreform, schon 1948 hätte sie keine Kohle mehr gehabt – ein Rezensent in der Zeitung „Die Welt“ sah sich deshalb veranlasst, darauf hinzuweisen, dass schon wieder eine große Geldtransformation bevorsteht: die vom Bar- zum Digitalgeld.

Ein Besuch bei Ikea verdeutlicht den neuen DDR-Unternehmern, dass sie schon immer für den Westen gearbeitet hatten, weil dort die Pins für die Billy-Regale hingewandert sind, für die ihr Betrieb berühmt war. „Und wir dachten, wir halten mit unserer Arbeit die Welt zusammen, aber das war nicht unsere, sondern die der anderen“, wie einer der VEBler bemerkt.

Geld ist im Kapitalismus nicht unerheblich, im Staatskapitalismus aber auch, lernen die BRD-Neubürger dann auch schnell. Dem Westen wollen sie es trotzdem zeigen, aus Rache, dass ihnen Job und Republik – zwei zu nichts! – flöten gegangen sind. Mit denen sie auch schon nicht glücklich waren – vom Unglück ins Pech, könnte man sagen. Ob es damit getan ist? Das sanierungsträchtige VEB wird ihnen die Treuhand später noch nachschmeißen.

Sicher auch ein Pluspunkt: Gefühlt 120 Prozent deutscher Kinofilme spielen in Berlin, der hier spielt im Harz auf DDR-Seite. Nicht allzu oft klemmt sich eine Großproduktion in die Provinz, dafür Chapeau. Und das ist die Leistung von „Zwei zu eins“: Der Film ruft mit guter Besetzung ins Gedächtnis, dass die Deutschen auch woanders als in der Hauptstadt wohnen, dass es so etwas wie die DDR überhaupt gab. Lange ist es her. Prädikat: sehenswert!

 

„Zwei zu eins“, D, 2024. Regie: Natja Brunckhorst, Darsteller: Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld. Derzeit in den Kinos