Nicht endende Beerdigung
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Tausende Schädel aus der Zeit, als Deutschland als Kolonialmacht in Afrika auftrat, lagern immer noch in Berlin. Sie wurden vor über hundert Jahren für pseudowissenschaftliche Untersuchungen oder schlicht als Trophäen aus Gebieten des heutigen Tansania in deutsche Einrichtungen verschickt.
Eine Zeit, die nicht überall vergessen ist. Die Regisseurinnen Agnes-Lisa Wegner und Cece Mlay begleiten für ihren sehenswerten Dokumentarfilm „Das leere Grab“ die Angehörigen zweier Familien aus Tansania bei der Spurensuche. Da ist der junge Anwalt John Mbano und seine Frau Cesilia, die Geschichtslehrerin ist. Sie erforschen die Lebensgeschichte von Johns Urgroßvater, der von der deutschen Kolonialarmee als feindlicher Kämpfer angeklagt und hingerichtet wurde.
Tansania stand von 1885 bis 1918 unter deutscher Kolonialherrschaft. Von 1905 bis 1907 herrschte Krieg, die die Bevölkerung im Süden des Landes wehrte sich gegen die Besatzungsmacht. Songea Mbano, einer der Anführer, wurde von den Deutschen hingerichtet. Sein Leichnam wurde begraben, sein Kopf aber bald darauf von den Deutschen exhumiert und zu „Forschungszwecken“ nach Deutschland gebracht.
115 Jahre später wollen Mbanos Nachfahren ihren Angehörigen bestatten, sein Grab darf nicht leer bleiben. Sie und ihre Angehörigen, sagen sie, fühlten sich wie bei einer „Beerdigung, die nicht endet“. Ähnlich geht es Felix und Ernest Kaaya: Auch sie kämpfen um die Rückführung der Gebeine ihres Vorfahren.
Befreundete Aktivisten helfen ihnen bei der Spurensuche. Bald scheint es tatsächlich nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis sie ihre Vorfahren bestatten können. Dann aber beginnt der Kampf mit der Bürokratie, von Tansania ebenso wie von Deutschland, wo die damaligen deutschen Kolonialherren und „Afrika-Forscher“ mit Straßennamen geehrt werden. Bundespräsident Walter Steinmeier kommt auf Entschuldigungsvisite. Das Grab indes bleibt weiterhin leer.
Die Regisseurinnen begleiten ihre Protagonisten mit der Kamera und lassen sie ausführlich zu Wort kommen. Die Debatte um Restitution gegenüber den ehemaligen Kolonien sei bisher vor allem von Politikern und Wissenschaftlern geprägt worden, sagen die Filmemacherinnen. Entscheidende Stimmen hätten jedoch gefehlt: die der Angehörigen. Ihr Film breche das Schweigen: „Im Bewusstsein, dass das Private politisch ist, haben wir uns von den Perspektiven der Familien durch den Entstehungsprozess dieses Films leiten lassen.“
„Das leere Grab“. Regie: Agnes-Lisa Wegner, Cece Mlay. Kinostart: 23. Mai 2024.