Ein klares Profil für die Bundestagswahl!

Die Linke ist wütend auf den Kapitalismus und sollte das auch laut sagen.

Um bei der Bundestagswahl 2025 aus der existenzbedrohenden Krise herauszukommen, bedarf Die Linke in allererster Linie eines klaren programmatischen Profils. An sich sollte das angesichts des unglaublichen Rechtsrucks der letzten Jahre nicht so schwierig sein, aber vor allem in der Friedenspolitik gab es in letzter Zeit immer wieder Unklarheiten in der Außendarstellung, die für das Desaster bei den letzten Landtagswahlen mitverantwortlich sind. Auf der anderen Seite eröffnen das Entsetzen über die Hetze gegen Migrant*innen und die Frustration über die Untätigkeit im Bereich Klimaschutz neue Allianzen, unter anderem mit den aus der Grünen Jugend ausgetretenen Personen.

Notwendig ist eine Konzentration auf wenige profilbildende Themen mit klaren Botschaften, die uns eindeutig von allen anderen Parteien unterscheiden. Das Wahlprogramm kann und soll natürlich auch wichtige andere Punkte ansprechen, aber für die Erkennbarkeit in der Öffentlichkeit kommt es auf wenige Kerninhalte an. Unabdingbar sind eine eindeutige Positionierung in den Bereichen Frieden und sozial gerechte Ökologisierung sowie eine menschenrechtsorientierte Migrationspolitik.

1. Frieden

Die Linke muss sich zu einer antimilitaristischen Außenpolitik bekennen, die das Ziel hat, gewaltförmige Konflikte durch friedliche Streitschlichtungsmechanismus zu ersetzen. Sowohl der Krieg gegen die Ukraine als auch der Angriff der Hamas auf Israel und die absolut disproportionale Antwort der israelischen Regierung in Gaza und im Libanon belegen, dass der Einsatz militärischer Gewalt zu unglaublichen Zerstörungen, der Tötung von Tausenden und der Vertreibung von Millionen führt, ohne dass ein einziges Problem dadurch gelöst werden könnte. Auch wenn sich in beiden Fällen klar belegen lässt, dass der Auslöser der aktuellen Kämpfe ein völkerrechtswidriger beziehungsweise terroristischer Angriff war, gibt es für Konflikte immer tiefer liegende Ursachen, die sich einer Beurteilung nach einem Schwarz-Weiß-Schema entziehen. Dies gilt auch für die jahrzehntelange Auseinandersetzung um die außenpolitische Orientierung der Ukraine einschließlich der wechselhaften Geschichte der Krim oder die brutale Entrechtung der Palästinenser*innen in den Gebieten, deren Besetzung nun auch der Internationale Gerichtshof als völkerrechtswidrig eingestuft hat.

Eine friedensorientierte Politik muss sich deshalb dem moralischen, oft aber auch interessengeleiteten Impetus der Parteinahme entziehen und nach für alle Beteiligten auch längerfristig akzeptablen Lösungen suchen. Im Falle Russlands ist eine große Friedenskonferenz unter neutraler Vermittlung erforderlich, die nicht nur für die Ukraine, sondern auch für die anderen Konfliktzonen wie Moldawien und Georgien tragfähige Modelle der Koexistenz entwickelt, die für alle Seiten schmerzhafte, aber erträgliche Kompromisse enthalten. Die NATO oder einzelne ihrer Mitglieder sind dafür ganz sicher ungeeignete Vermittler.

Die Linke sollte sich vor allem daran erinnern, dass schon die frühe Friedensbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts die Schaffung einer internationalen Gerichtsbarkeit als Alternative zur gewaltförmigen Austragung zwischenstaatlicher Streitigkeiten gefordert hat. Es gibt zwar den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der sowohl in Bezug auf die Ukraine als auch Israel wichtige Entscheidungen getroffen hat. Das große Problem ist aber, dass er von vielen Staaten nicht ernst genommen wird.

Hier könnte Deutschland als gutes Beispiel vorangehen und den Vorbehalt in seiner im Jahr 2008 abgegebenen Unterwerfungserklärung aufheben, dass der Gerichtshof nicht über Auslandseinsätze der Bundeswehr urteilen darf. Vor allem sollte Deutschland aktiv darauf hinwirken, dass die Urteile des IGH beachtet werden, nicht zuletzt gegenüber Israel. Ein Instrument könnte sein, dass Deutschland in allen internationalen Verträgen auf eine Klausel drängt, dass sich die anderen Staaten ebenfalls uneingeschränkt dem IGH unterwerfen. Solange es noch Waffenexporte gibt, könnten sie auch an diese Bedingung geknüpft werden. Dadurch werden sich die massiven internationalen Machtasymmetrien nicht auflösen, aber es würde zumindest das wichtigste Instrument, um Konflikte friedlich zu lösen, gefördert.   

2. Sozial gerechte Ökologisierung

Das Ende der Nutzung fossiler Energien könnte das größte antikapitalistische Projekt der Menschheitsgeschichte sein, wenn es zu einer konsequenten Dezentralisierung der Wirtschaftskreisläufe und zu einer nachhaltigen Ressourcennutzung führt. Eine solche Entwicklung, die mit dem Begriff der Transformation eigentlich noch viel zu zurückhaltend gekennzeichnet wird, wird allerdings früher oder später zum Ende der Großindustrien führen. Das treibt erhebliche Teile der Arbeiterschaft in die Arme der AfD, worauf eine zukunftsorientierte linke Politik aber keine Rücksicht nehmen darf. Vorerst sieht es aber so aus, dass eine solche umfassende Veränderung der Wirtschaftsweise keine Chance auf rasche Verwirklichung hat. Im Gegenteil, es muss elbst um kurzfristige Schritte in die richtige Richtung gerungen werden muss, damit die in den letzten Jahren zumindest angestoßene Entwicklung in Richtung Dekarbonisierung nicht wieder gestoppt wird, sondern mit dem notwendigen sozialen Ausgleich beschleunigt wird. Die wichtigsten Bausteine sind der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Dezentralisierung der Energieerzeugung.

Im Verkehrssektor ist nicht die Elektrifizierung der Fahrzeuge die vorrangige Lösung, sondern der Ausbau der viel effizienteren Alternativen Fahrrad, Bus und Bahn. Die Vorstellung, alle Verbrenner-Autos könnten durch Elektroautos ersetzt werden, so dass strukturelle Veränderungen nicht notwendig sind, ist illusionär. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze kann gar nicht so schnell erfolgen, wie es für die dadurch entstehende Nachfrage erforderlich wäre. Außerdem bleiben die Probleme der völlig ineffizienten Nutzung der einzelnen Fahrzeuge, der Knappheit der Rohstoffe für die Batterien, der unterschätzten Umweltverschmutzung durch den Reifenabrieb und der Verschwendung von knappem Platz in den Städten.

Deshalb kann die Lösung nur in einem schnellstmöglichen Ausbau von Bus und Bahn bestehen – mit ausreichenden Bedienungsstandards für alle Siedlungen, auch in den ländlichen Regionen –, die durch Carsharing, Ruftaxis und elektrische Nutzfahrzeuge ergänzt werden. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass die Preise für den öffentlichen Nahverkehr sozialverträglich sind, wofür allerdings auch die milliardenschweren Subventionen für den Autoverkehr und Mittel für den Straßenbau umgenutzt werden können.

Der große Vorteil der erneuerbaren Energien ist ihre dezentrale Verfügbarkeit, insbesondere, wenn sie mit intelligenten Speichertechnologien verbunden werden. Ziel muss es sein, den Bedarf an Raumwärme und Warmwasser durch regionale Kapazitäten abzudecken, so dass keine riesigen neuen Strukturen für Wasserstoff oder gar Erdgas kombiniert mit viel zu ineffizienten und unsicheren Kohlendioxid-Speichertechnologien erforderlich werden.

Soweit Fern- und Nahwärmenetze nicht in Frage kommen, wird dabei die Wärmepumpe eine zentrale Rolle spielen, so weit wie möglich in Kombination mit Erdwärme. In den Kampagnen gegen das Heizungsgesetz ist leider untergegangen, dass es sich um eine bewährte Technologie handelt. Diejenigen Immobilienbesitzer*innen, die für die Umstellung finanzielle Unterstützung benötigen, müssen eine staatliche Förderung erhalten, die z.B. durch eine Vermögenssteuer und eine Anhebung des Spitzensteuersatzes finanziert werden kann. Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Mehrzahl der Grundeigentümer*innen (vor allem im Westen) finanziell so potent ist, dass sie die Kosten alleine stemmen können.

Die Akzeptanz des Klimaschutzes leidet enorm an der fehlenden sozialen Absicherung der Maßnahmen. An der Verteuerung fossiler Energie führt kein Weg vorbei. Ihre Auswirkungen müssen durch ein Klimageld für alle Haushalte und durch eine deutliche Erhöhung des Bürgergelds gedämpft werden. Außerdem muss viel drastischer als bisher in den Mietmarkt eingegriffen werden, um zu verhindern, dass die steigenden Energiekosten allein bei den Mieter*innen hängen bleiben. Die zulässige Mieterhöhung bei Modernisierungen muss verringert werden, notfalls mit einem Ausgleich für nicht-kommerzielle Vermieter’innen.

3. Menschenrechtskonforme Migrationspolitik

Einwanderung ist seit vielen Jahrzehnten ein zentrales Charakteristikum der deutschen Gesellschaft. Jede linke Politik muss von dem Grundsatz ausgehen, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben, auch wenn die Unterschiede aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht völlig negiert werden können. Eine menschenrechtskonforme Migrationspolitik muss insbesondere die schrittweise Herstellung der Gleichberechtigung für alle hier lebenden Menschen und die Garantie des Schutzes für alle flüchtenden Menschen umfassen. Entmilitarisierung der internationalen Politik und konsequenter Klimaschutz sind auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Fluchtursachen.

Rassismus und Benachteiligung sind immer noch alltägliche Erfahrung viel zu vieler eingewanderter Personen. Die Vielfalt der Herkünfte muss von der gesamten Gesellschaft als normal akzeptiert werden, ausländerfeindliche und diskriminierende Praktiken müssen konsequent bekämpft werden. Notwendig ist eine verlässliche ausreichende Finanzierung von Sprachförderung sowie sozialer und rechtlicher Beratung. Das Wahlrecht auf allen Ebenen muss für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Personen geöffnet werden. Die Beteiligung von Personen mit Migrationsgeschichte in der öffentlichen Verwaltung entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung muss gefördert werden.

Das Asylgrundrecht muss verteidigt werden, weil Flucht und Vertreibung globale Phänomene sind, für die auch die reichen europäischen Staaten Verantwortung übernehmen müssen. Eine militarisierte Grenzsicherung ist keine Lösung, stattdessen müssen ausreichend Kapazitäten für die Seenotrettung geschaffen werden. Die Inhaftierung von Flüchtlingen und die Verlagerung der Zuständigkeit in andere europäische oder gar außereuropäische Staaten sind strikt abzulehnen. Stattdessen sind finanzielle Ausgleichsmechanismen innerhalb Europas erforderlich. Die individuelle Aufnahme muss durch großzügige humanitäre Kontingente für besonders schutzbedürftige Personen ergänzt werden. Die Kommunen müssen bei der Unterbringung stärker unterstützt werden.

Wenn Die Linke es in den kommenden Monaten schafft, sich als die einzige politische Kraft zu profilieren, die Frieden, Klimagerechtigkeit und Menschenrechte ernst nimmt und konkrete Konzepte anbietet, um diese Ziele zu fördern, dann wird es ihr auch gelingen, mehr als fünf Prozent der Wähler*innen davon zu überzeugen, bei ihr das Kreuz zu machen.