Außenpolitik für Erwachsene

Demonstration gegen den Irakkrieg am 15. Februar 2003 in Barcelona

Die Linke ist als Friedenspartei groß geworden. Sie kann nur als Friedenspartei überleben. Gleichzeitig ist unsere Außen- und Friedenspolitik einer der meistgenannten Wahlhinderungsgründe. Wir können und dürfen unsere friedenspolitischen Positionen nicht aufgeben.

Es besteht aber trotzdem Handlungsbedarf. Wir selbst erscheinen uns in der Binnenperspektive als prinzipientreu. In der Außenperspektive wird unsere Position aber oft inhaltlich einfach falsch wahrgenommen und das Wertegerüst dahinter nicht verstanden. Dies gilt sowohl für Vorwürfe, wir seien zu pro-westlich, als auch für gegenteilige Unterstellungen.

Die Kernprinzipien unserer Außen und Friedenspolitik sind solide und tragfähig. Unser prinzipielles Bekenntnis zu friedlicher Konfliktlösung ist richtig und hat den Test der Zeit gut überstanden. Wir müssen aber feststellen, dass wir unsere Außenpolitik anders kommunizieren und auf ein neues inhaltliches Fundament stellen müssen.

Im Kern der ungeklärten Problemstellung, wie wir unsere Friedenspolitik kommunizieren können, steht die Frage, ob und wie wir uns die Sichtweise von Staaten und geopolitischen Akteuren zu eigen machen sollten. Hierzu gibt es schlicht unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Partei, und unsere Kommunikation zu außen- und friedenspolitischen Themen weist insofern Inkonsistenzen auf.

Das Verhältnis der Linken zum Staat ist natürlich ein sehr komplexes, und es gibt auch hier keinen Konsens, noch scheint einer in Reichweite zu liegen. Es gibt aber gute Argumente dafür, warum sich diese Frage im Kontext der Außenpolitik anders stellt, und warum ihre – zumindest vorläufige –Beantwortung hier dringlicher ist.

Bei innenpolitischen Themen können wir uns darauf einigen, dass wir ein gemeinsames Ziel mit unterschiedlichen Mitteln und auf unterschiedlichen Wegen verfolgen: Politik für die arbeitende Klasse kann man im Staat, im Parlament, im Betrieb, auf der Straße und anderswo machen, ohne dass sich diese Ansätze notwendigerweise unmittelbar widersprechen.

In der Außenpolitik stehen wir vor der Situation, dass der Skopus unserer Politik schwieriger abzustecken ist. Wir sind eine politische Partei in Deutschland. Wir haben den Anspruch an uns selbst, politische Vertretung der arbeitenden Klasse zu sein. Das ist in erster Linie, aber eben nicht nur und nicht ausschließlich, die arbeitende Klasse, die auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland lebt. Völlig zu Recht sind wir der Auffassung, dass der politische Kampf der arbeitenden Klasse ein internationaler ist und eine solidarische, internationalistische Politik erfordert. Wir können und sollten mit der arbeitenden Klasse und ihren politischen Vertretungen auf der ganzen Welt in engem Austausch stehen und ihre Anliegen in unserer eigenen Öffentlichkeit artikulieren. Gleichzeitig können und dürfen wir uns nicht anmaßen, für sie zu sprechen.

Als Linke wollen wir die Welt verändern. Gleichzeitig machen wir Politik in einem nationalstaatlichen und, innerhalb der Europäischen Union, supranationalen Kontext. Wenn wir eine Außen- und Friedenspolitik artikulieren wollen, die über radikale und abstrakte Systemkritik hinausgeht (und das muss unser Anspruch sein, denn dies wird von uns als Partei erwartet), müssen wir uns auf die Handlungsoptionen dieser strukturellen Akteure beziehen. Gleichzeitig dürfen wir nicht in methodologischen Nationalismus verfallen und die Außen- und Geopolitik als Schachbrett staatlicher und militärischer Akteure begreifen, die keine Klassengesellschaften beherrschen beziehungsweise repräsentieren und keine interne Klassendimension haben.

In den Worten des Diplomaten Wolfgang Sporrer ausgedrückt: Es gibt eine Sicht auf Konflikte „von oben“, auf der abstrakten Ebene der Beziehungen zwischen geopolitischen Akteuren, und eine Sichtweise „von unten“, die Sichtweise der Menschen, die Kriege und Konflikte tatsächlich durchleben.

Die Sichtweise „von oben“ können wir von Zeit zu Zeit einnehmen, um die Entstehung von Konflikten nachzuvollziehen und Auswege zu suchen. Bei unserer politischen Bewertung und bei der Ausarbeitung von Lösungen müssen wir die Perspektive „von unten“ aber immer wieder aufsuchen und sie auch gegenüber der Perspektive „von oben“ privilegieren. Sie muss unser Default-Standpunkt sein. Unsere Sichtweise ist nicht die des Generals, sondern des Wehrpflichtigen, nicht die der Geostrategin, sondern der obdachlosen Mutter, die ihr Haus bei einem Bombenangriff verloren hat und mit ihren Kindern auf der Straße steht.

Wenn wir konsequent diese Perspektive einnehmen und artikulieren, werden wir uns insbesondere im deutschsprachigen Diskurs sehr schnell wieder ein politisches Alleinstellungsmerkmal verschaffen. Die deutsche Öffentlichkeit ist dominiert von Hobbygenerälen. Die pro-westliche und pro-israelische Perspektive überwiegt dabei natürlich. Wir müssen als Partei aber ebenso Distanz zur all jenen Stimmen wahren, die eine unkritische pro-russische Perspektive einnehmen oder die vergessen, dass auch in einem asymmetrischen Konflikt wie im Nahen Osten Zivilisten Zivilisten bleiben.

Dies bedeutet keinesfalls, dass wir uns hinter einem unpolitischen und klassenblinden Humanismus verstecken sollten. Zur Klärung sei Folgendes festgehalten: Auch in der Innenpolitik müssen wir uns einer harten, antagonistischen, materialistischen und klassenbewussten politischen Auseinandersetzung stellen, wenn wir für uns in Anspruch nehmen, politische Vertretung der arbeitenden Klasse zu sein. Doch dieses klare Bekenntnis zur Klassenpolitik führt nicht zu einer Vergiftung und Verrohung der Politik, sondern paradoxerweise zu ihrem Gegenteil. Wenn es keinen Akteur gibt, der eine klare klassenpolitische Perspektive artikuliert, ohne fortschrittliche und humanistische Prinzipien dabei aufzugeben, treten andere gesellschaftliche Konflikte an ihre Stelle, die wesentlich destruktiver für das demokratische Klima sind. Wenn wir es schaffen, die materiellen Interessen der arbeitenden Klasse als Ganzes zu artikulieren, entschärfen wir damit andere, toxische kulturelle Nullsummenspiele, die in einer politischen Landschaft ohne erkennbare Klassendimension dominieren. Ähnliches gilt in der Außenpolitik.

Der Machtkampf von Staaten und Imperien ist ebenfalls ein Nullsummenspiel, in dem ein Interessenausgleich bestenfalls temporär und instabil ist. Wir dürfen weder diese politische Perspektive einnehmen noch akzeptieren, dass die Geopolitik ausschließlich entlang dieser Konfliktlinien diskutiert und entschieden wird. In einer Welt der staatlichen Akteure und Staatenbündnisse, die sich in einem anarchischen Konkurrenzverhältnis befinden, kann es keinen Frieden, sondern allenfalls temporäre Stabilität durch ungefähr ausgeglichene Machtverhältnisse geben.

Die arbeitende Klasse hat das stärkste und unmittelbarste Interesse am Frieden, denn sie hat im Krieg alles zu verlieren und wenig zu gewinnen. Wie wir aus der Geschichte aber schmerzlich gelernt haben, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie sich nicht für Nationalismus und Militarismus gewinnen lässt. Und der weltweite, radikale Systembruch ist derzeit kein gangbarer Weg aus der zwischenstaatlichen Konkurrenz, ganz gleich, wie wir dies sonst aus abstrakter Perspektive bewerten. Wir werden auf absehbare Zeit weiterhin in einer Welt der Staaten und der Klassengesellschaften leben und müssen eine linke Friedenspolitik für diese Welt artikulieren, auch, wenn sie nicht unserem Ideal und unserem Fernziel entspricht.

Welche praktischen Implikationen hat dies für eine linke Friedenspolitik im Jahr 2024? Zunächst einmal, dass Frieden in der Welt, wie sie tatsächlich ist, schmerzliche Kompromisse bedeutet. Wir können uns in unserer Suche nach Friedenslösungen nicht ausschließlich von abstrakten Gerechtigkeitsüberlegungen leiten lassen.

Diese Feststellung mag uns zunächst schwerfallen und zu ablehnenden Reaktionen führen. Ich glaube aber, sie ist mit linken und antiimperialistischen Prinzipien vereinbar und auch notwendig. Was bedeutet sie im Kontext der aktuellen Kriege in der Ukraine, im Gazastreifen und im Libanon? Verfallen wir hier in eine Form der falschen Ausgeglichenheit, die mit dem Unterdrücker gemeinsame Sache macht und den Unterdrückten in den Rücken fällt?

Machen wir einen Schritt zurück und betrachten wir diese Grundhaltung in anderen Kontexten, wo sie Früchte getragen hat: Die Genossen, die das Karfreitagsabkommen auf irischer Seite unterzeichnet haben, waren keine Verräter am Antiimperialismus und haben sich nicht mit der Sache des britischen Imperialismus gemein gemacht. Das zu behaupten, wäre blutrünstiger Wahnsinn. Sie haben eine deutliche Ausweitung ihrer demokratischen Rechte akzeptiert, im Wissen, dass Irland geteilt und teilweise fremdbeherrscht bleibt – aber nicht auf alle Zeit bleiben muss. Ihr politischer Kampf war und ist damit nicht beendet. Aber sie haben sich bewusst dafür entschieden, der Gewalt abzuschwören und ihren Kindern ein friedlicheres Nordirland zu hinterlassen. Die Gesellschaft hat diesen Friedensschluss mehrheitlich akzeptiert. Ähnliches gilt für den Konflikt im Baskenland. Auch in Belgien sind die Genossinnen und Genossen von der PTB die einzigen, die das Sektierertum zwischen Sprachgemeinschaften im Parteiensystem bewusst überbrücken, weil sie diese gesellschaftliche Spaltung gegenüber dem Klassenkonflikt für nebensächlich halten. Und nicht zuletzt haben sich die Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst dagegen entschieden, kollektive Rache an den Deutschen zu nehmen – auch wenn es für die Verbrechen des Faschismus eine kollektive Verantwortung gab, die über individuelle Schuld hinausging.

Wenn wir eine Friedenslösung im Ukrainekrieg oder im Nahostkonflikt fordern, müssen wir dies im Bewusstsein tun, dass auch hier schmerzhafte Kompromisse den Preis des Friedens wert sind. Wenn ein Kompromiss von der ukrainischen Gesellschaft getragen wird, wäre es zwar unschön, aber hinnehmbar, dass Putin damit auch einen Teil seiner Kriegsziele erfüllt. Und auch im Nahostkonflikt werden beide Seiten hinnehmen müssen, dass die Sicherheit und Selbstbestimmung der anderen Seite nicht verhandelbar ist – sei es im Rahmen einer Einstaaten- oder Zweistaatenlösung – und dass es im „Krieg gegen den Terror“ nur Verlierer gibt.

Unsere inhaltlichen Forderungen – ein Stopp der Waffenexporte, ein sofortiger Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung – sind in beiden Konflikten absolut richtig. Wir müssen und dürfen sie nicht modifizieren. Wir müssen aber klarer artikulieren, aus welcher Perspektive wir dabei sprechen, was sie implizieren und auf welche Werte wir uns dabei berufen.

In beiden Fällen lässt sich leider beobachten, warum die neue Blockkonfrontation für die Welt eine Katastrophe ist. Es scheint schwer vorstellbar, dass Israel einem Waffenstillstand und vollständiger Selbstbestimmung für Palästina ohne massiven Druck aus den USA zustimmt. Ebenso wird Russland von seinem Kriegskurs nur durch andere BRICS-Staaten wie China, Indien oder Brasilien abzubringen sein. Russland wiederum könnte eine essentielle Rolle dabei einnehmen, den Iran von weiterer Aggression gegenüber Israel abzuhalten. Doch statt eine konstruktive Rolle einzunehmen, tragen die Welt- und Regionalmächte unablässig dazu bei, dass gegenseitige Misstrauen zu erhöhen. Wir müssen den Modus der Blockkonfrontation dringend durchbrechen. Deutschland und Europa könnten hier ein sicherlich begrenzter, aber trotzdem wichtiger mäßigender Einfluss auf die USA sein, aber auch auf unsere Handelspartner Russland und China.

Russland führt in der Ukraine einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, die russischen Truppen begehen schwerste Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Dafür gibt es keine Rechtfertigung. Die Ukraine hat diesem Angriff wider allen Erwartungen getrotzt und sich erfolgreich verteidigt. Wir wissen heute, zweieinhalb Jahre nach Kriegsbeginn, vor allem zwei Dinge über das Regime in Russland und das russische Militär, die vorher nicht so klar einzuschätzen waren:

Erstens: Putin betrachtet den Ukrainekrieg als Überlebensfrage. Es geht ihm wohl auch um militärstrategische Ziele, wie etwa die Sicherung des russischen Zugangs zum Schwarzen Meer. Doch alles deutet darauf hin, dass er diesen Krieg vor allem führt, um sich und sein Regime zu legitimieren. Man muss leider sagen: Das funktioniert. Mehrheitlich stehen die Menschen dort bedauerlicherweise hinter Putin und akzeptieren seine Logik – zumindest bis jetzt. Daran ändern auch die Sanktionen nichts, denn sowohl die russische Kriegswirtschaft, als auch wichtige zivile Sektoren wie Lebensmittel und Energie wurden in den letzten Jahren bewusst auf Autarkie ausgerichtet. Gegenüber dem Druck des Westens nachzugeben, würde Putin schwer beschädigen. Das russische Regime hat jeden Anreiz, den Krieg weiterzuführen. Wir sollten nicht erwarten, dass Putin nachgibt, selbst wenn die wirtschaftlichen und menschlichen Kosten des Kriegs noch weiter zunehmen.

Zweitens wissen wir heute: Russlands militärische Fähigkeiten sind begrenzt. Es stimmt, dass die Rüstungsproduktion gerade enorm ausgeweitet wurde, aber in vielen wichtigen Bereichen können Verluste nicht so schnell ausgeglichen werden. Russland reaktiviert weiter altes Militärgerät aus sowjetischer Reserve, was aktuell bedeutender als die Neuproduktion ist. Russland hat es in zweieinhalb Jahren nicht geschafft, seine militärischen Mindestziele in der Ukraine zu erreichen, also den Osten und Südosten des Landes einzunehmen und zu besetzen, geschweige denn das ganze Land. Auch ohne die USA geben die NATO-Staaten dreimal so viel für ihr Militär aus wie Russland. Es ist nicht so, als bestünde eine völlig einseitige militärische Übermacht Russlands und Europa sei wehrlos.

Welche Schlüsse ziehen wir daraus? Wir wissen, dass Russland seine Maximalziele nicht erreichen kann. Der ursprüngliche Plan Putins, die ganze Ukraine einzunehmen, ist schon in den ersten Tagen und Wochen des Kriegs gescheitert. Russland hat gar nicht die Fähigkeiten, ein so großes Land wie die Ukraine zu besetzen, schon allein personell, zumal mit sehr viel Widerstand zu rechnen ist. Die Ukraine hat nicht die Fähigkeiten, ihr ganzes Territorium zurückzuerobern, selbst wenn wir ihr das ganze Arsenal der NATO geben würden: Es gibt schlicht nicht genügend Soldaten, und viele hunderttausende mehr würden dabei sterben. Russland und die Ukraine sind zwei alternde Gesellschaften mit enormen demographischen Herausforderungen, viele gut ausgebildete junge Leute wandern aus, und der Krieg verstärkt diese Dynamik. Auch das muss man im Auge behalten, wenn man das Gefahrenpotential analysiert.

Daraus folgt, dass dieser Konflikt am Verhandlungstisch beigelegt wird. Je schneller wir darüber im Westen und in der Ukraine einen Konsens finden, desto weniger Menschenleben wird der Konflikt kosten. Wir Linken trauen uns, das offen anzusprechen. Dafür werden wir hart angegangen, und das ist im öffentlichen Diskurs auch legitim. Aber ich denke, diese Ansicht wird sich am Ende bei uns durchsetzen, genauso wie in Russland.

Auch im Nahostkonflikt wäre es illusionär zu glauben, dass Sicherheit auf Kosten der gegnerischen Seite zu erreichen sei. Wir dürfen nicht vergessen, dass die große Mehrheit der israelischen Bevölkerung im Land geboren ist und keine weitere Staatsbürgerschaft besitzt. Es ist für diese Menschen nicht irrational, den Fortbestand des Staats Israel als Garantie für die eigene Sicherheit zu betrachten. Sehr wohl irrational ist aber, diese Sicherheit durch die permanente Besatzung der palästinensischen Gebiete und Territorien angrenzender Staaten wie des Libanon sowie durch eine grausame, für die Bevölkerung katastrophale Kriegsführung im Gazastreifen aufrechterhalten zu wollen. Für die gegenwärtige israelische Regierung hat die gewaltsame Vertreibung von Palästinensern und ein permanenter militärischer Expansionskurs einen hohen ideologischen Stellenwert. Israelische Regierungsmitglieder haben sich auf eine Art und Weise geäußert, die man als genozidal bezeichnen muss. Demgegenüber stehen islamistische Terrororganisationen wie Hamas und Hisbollah, die sich, ebenso wie das iranische Regime, einer eliminatorischen und genozidalen Rhetorik gegenüber Israel bedienen. Die Angriffe vom 7. Oktober 2023 haben auf brutale Art und Weise gezeigt, dass dies keine leeren Worte sind.

Es muss für alle unvoreingenommenen Betrachter klar sein, dass es bei den Entscheidern in der Region selbst keinen Willen zur Deeskalation gibt. Eine funktionierende Weltgemeinschaft würde gemeinsam darauf hinarbeiten, diesen Willen herzustellen: Durch einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an alle Konfliktparteien, maximalen diplomatischen Druck, und, als letztes Mittel, gemeinsame und koordinierte Wirtschaftssanktionen.

Derzeit haben wir keine solche funktionierende Weltgemeinschaft. Wir müssen als Sozialistinnen und Sozialisten daran arbeiten, sie herzustellen. Wir als Linke in Deutschland können dazu nur einen kleinen Teilbeitrag leisten. Wir müssen mit Regierungen, Parteien, Verbänden, Friedensbewegungen und Gewerkschaften, die nach Auswegen aus der neuen Blockkonfrontation suchen, auf der ganzen Welt intensiv zusammenarbeiten. Hierzu gehört auch die gemeinsame Arbeit und der gemeinsame Kampf für eine gerechtere und solidarischere Weltwirtschaft und die Angleichung der Lebensverhältnisse auf der Welt. Die Umgestaltung der globalen Handelsbeziehungen ist nicht nur eine Aufgabe, die sich durch ökologische Imperative ergibt, sondern auch notwendiger Bestandteil einer Strategie zur langfristigen Friedenssicherung.

Die politischen wie die ökonomischen Voraussetzungen für eine neue Friedensordnung können nur durch solche gemeinsamen Anstrengungen globaler Bündnisse geschaffen werden. Wir müssen dabei unterschiedliche Meinungen und Einschätzungen in Einzelfragen zulassen – ohne sie unausgesprochen zu lassen – und uns auf ein gemeinsames Ziel konzentrieren: Die mächtigen Staaten der Welt von ihrem desaströsen Kollisionskurs abzubringen. In Deutschland müssen wir als Linke die Voraussetzungen für eine solche Kooperation schaffen. Zuvorderst müssen wir uns dafür einsetzen, dass Kriegsdienstverweigerer aus Russland, der Ukraine und anderen Staaten bei uns Asyl bekommen und dass die Waffenexporte der deutschen Rüstungsindustrie gestoppt werden.

Im inländischen Diskurs stellen wir uns damit einer breiten bellizistischen Front entgegen. Wir erleben gerade eine enorme Verrohung des gesellschaftlichen Klimas, und damit meine ich explizit nicht nur den Aufstieg der extremen Rechten. Es gibt viele, gerade auch im Mainstream-Medienbetrieb, die sich in ihrer Wahrnehmungsblase einschließen, sich verrennen und dabei ihre Empathie und Menschlichkeit vergessen. Aus verschiedenen Lagern werden Kriegsopfer – sei es in der Ukraine, sei es in Gaza oder im Libanon – ausgeblendet und verleugnet, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Wir müssen laut und deutlich sagen, dass diese Form der Kriegsverharmlosung ins Verderben führen wird.

Das Eintreten für Frieden in der Welt, wie sie ist, bedeutet notwendigerweise, dass die abstrakte Gerechtigkeit manchmal auf der Strecke bleibt und manche historischen Verbrechen ungesühnt bleiben. Wenn wir immer wieder die Perspektive „von unten“ auf Konflikte einnehmen, wird uns dies nicht nur als hinnehmbar, sondern als unter diesem Gesichtspunkt vernünftige und gebotene Handlungsoption erscheinen. Ich bin überzeugt, dass wir sie als solche in den politischen Diskurs tragen und damit auch wieder mehr Menschen überzeugen werden können. Eine linke Außenpolitik für Erwachsene muss einen imperfekten Frieden dem endlosen Krieg vorziehen.