Lichtblicke in den Städten
Das Ergebnis der Kommunal- und Europawahlen war für die Linke eine herbe Enttäuschung. In Ost und West verlor die Partei Stimmen und Mandate. Eine genaue Analyse der Wahlniederlage wird die Partei in den nächsten Wochen beschäftigen. In einzelnen Städten und Bezirken gelang es dennoch, gegen den Trend respektable Ergebnisse zu erlangen.
In einigen ihrer Hochburgen bleibt die Linke zweistellig. Diese liegen vor allem in den Großstädten. In Hamburg-St.Pauli erreichte die Linke bei der Europawahl 17,9 Prozent, auch in Berlin Friedrichshain-Kreuzberg (13 Prozent), Berlin-Mitte, Neukölln und Lichtenberg (jeweils 10 Prozent), Rostock Kröpeliner-Tor-Vorstadt (13,3 Prozent), Kassel Nord-Holland (15,3 Prozent), Köln-Kalk (11 Prozent) und Leipzig Süd (15,8 Prozent) erzielte die Partei starke Ergebnisse.
In Leipzig eröffnen die Ergebnisse der Kommunalwahlen Aussicht auf den Gewinn von drei Direktmandaten bei der Landtagswahl im September. Sollte die Linke in mindestens zwei Wahlkreisen vorne liegen, ist ihr der Einzug in den sächsischen Landtag auf jeden Fall sicher. Juliane Nagel (Wahlkreis Leipzig 4), Marco Böhme (Leipzig 6) und Nam Duy Nguyen (Leipzig 1) haben gute Chancen auf ein Direktmandat, da die Linke bei der Stadtratswahl hier jeweils vorne lag. Auch anderswo im Osten gab es Erfolge zu verbuchen: In Sömmerda wurde der Linke Ralf Hauboldt als Bürgermeister wiedergewählt.
In einigen westdeutschen Universitätsstädten konnte die Linke gegen den Trend Zugewinne verbuchen. In Freiburg im Breisgau gewann die Linke Liste ein zusätzliches Mandat. Auch in Mainz hat sich die Linke bei der Kommunalwahl von 5,9 auf 6,9 Prozent verbessert und konnte ihre vier Mandate im Stadtrat damit halten. „Natürlich gab es auch einen Trabert-Effekt“, meint Miriam Bürger, Co-Sprecherin des Kreisverbands Mainz/Mainz-Bingen. Der Sozialmediziner Dr. Gerhard Trabert ist für sein soziales Engagement in Mainz bundesweit bekannt und kandidierte auf Listenplatz vier für die Linke bei der Europawahl. „Allerdings hatten wir mit Martin Malcherek aber auch einen sehr bekannten und beliebten Kandidaten für den Mainzer Stadtrat. Ich denke, dass uns das ebenfalls sehr geholfen hat.“
„Da gab es sicherlich auch noch einen Effekt aus der Oberbürgermeisterwahl im Februar, bei der Martin sehr stark abgeschnitten hat“, erklärt Nico Bludau, ebenfalls Co-Sprecher des Kreisverbands. „Das fünfte Mandat haben wir sehr knapp verpasst. Aber uns hat definitiv geholfen, dass wir bekannte Gesichter haben, die bisher auch schon im Stadtrat präsent sind. Neben Martin sind das Tupac Orellana und Carmen Mauerer.“
„Martin wird vor allem mit Kultur- und Sozialthemen in Verbindung gebracht“, erklärt Miriam Bürger. „Er hat sich sehr für den Erhalt und für die Unterstützung unabhängiger Kulturangebote eingesetzt.“ Außerdem setzt die Mainzer Linke einen Schwerpunkt auf die Verkehrspolitik, wie etwa den Ausbau des Straßenbahnnetzes und auf eine Umverteilung des Reichtums in der Stadt. Denn in Mainz sitzt unter anderem der Pharmakonzern Biontech, der einen der ersten Corona-Impfstoffe entwickelte. „In den letzten Jahren gab es dadurch ein gewaltiges der Einnahmenplus im Mainzer Stadthaushalt. Aber statt das Geld so zu investieren, dass es den Menschen zugutekommt, hat die Stadt die Gewerbesteuer gesenkt. Unsere Stadtratsfraktion hat sich dagegen dafür eingesetzt, dass mit dem Geld zum Beispiel mehr Stellen für Schulsozialarbeiter*innen geschaffen werden“, erklärt Miriam Bürger.
Die bisher regierende Ampelkoalition hat nach der Kommunalwahl in Mainz keine Mehrheit mehr, da alle drei Parteien Stimmen verloren haben. Eine rot-rot-grüne Mehrheit wäre allerdings weiter möglich. Ob eine solche Kooperation tatsächlich zustande kommt, kann Miriam Bürger nicht abschätzen. Die Gespräche laufen erst an. „Wir haben in Mainz die Ampel ja leider praktisch erfunden“, so Nico Bludau. „Erst gab es sie im Stadtrat, dann in Rheinland-Pfalz, und nun im Bund.“ Nun müssen andere Mehrheiten gefunden werden.
Bei aller Freude über das gute Ergebnis ist man sich aber auch in Mainz der schwierigen Lage der Partei bewusst. „Mainz hat insgesamt sehr progressiv gewählt. Aber man muss ganz ehrlich sagen, dass wir es im Landkreis Mainz auch deutlich schwieriger hatten als in der Stadt“, so Miriam Bürger. „Wir haben dennoch gezeigt, dass man mit sehr geringen Ressourcen, aber viel ehrenamtlichem Engagement, effektiv Wahlkampf führen kann“. In Rheinland-Pfalz gibt es keine linken Bundestagsabgeordneten, der Landesverband hat nur in der Landesgeschäftsstelle hauptamtliche Mitarbeiter*innen.
„Unser Wahlkampf hat schon vor Monaten angefangen“, so Miriam Bürger. „Wir haben seit Dezember alle zwei Wochen eine Veranstaltung durchgeführt, sodass wir im Stadtbild stets mit Plakaten präsent waren.“ Zum 8. März gab es eine Lesung von Texten mit Alexandra Kollontai, außerdem waren Janine Wissler und Özlem Demirel zu Besuch. „Die Organisation war für die Fraktion und den Kreisverband ein großer Kraftakt, der aber auch viel Spaß gemacht und uns zusammengeschweißt hat. Außer den vielen Veranstaltungen gab es auch Haustürwahlkampf, Infostände und Flyerverteilaktionen “, erklärt Miriam Bürger. „Und es hat sich auf jeden Fall gelohnt, nicht nur wegen des tollen Wahlergebnisses in Mainz. Wir hatten viele Parteieintritte und viele Genoss*innen sind zu aktiven Parteimitgliedern geworden, die sich auch nach der Wahl weiter einbringen wollen.“
Sicherlich kann sich die Linke nicht allein auf die Großstädte verlassen, will sie bundesweit relevant bleiben. Doch auch für die erfolgreiche Arbeit im ländlichen Raum gibt es Beispiele, die zeigen: Eine konsequent linke Partei wird weiterhin gebraucht – im ganzen Land.