Stopp dem großen Steuerraub!
Marode Schulen, ständige Verspätungen und Ausfälle bei der Bahn, ein Schwimmbad nach dem anderen schließt. Viele Menschen fragen sich zu Recht, wie das sein kann, wo sie doch Jahr für Jahr durch ihre Steuern zur Finanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge beitragen. Die Antwort ist recht eindeutig: Während Normalverdiener*innen und Kleinunternehmer*innen weiterzahlen, drücken sich Superreiche und Konzerne zunehmend von der Steuerzahlung – und zwar europaweit. Die Auswirkungen sind offensichtlich: In der gesamten Europäischen Union explodieren die Vermögen der Elite, während Konzerne Rekordgewinne vermelden und immer höhere Dividenden ausschütten.
Die Linke will, dass diese Entwicklung nicht noch weiter aus dem Ruder läuft. Auf einer Pressekonferenz in Berlin stellten Bundesgeschäftsführer Ates Gürpinar und Martin Günther, Kandidat für das Europäische Parlament, ein Konzept der Partei zur Steuergerechtigkeit in der EU vor.
Steuerlast umverteilen
Ates Gürpinar betonte, dass trotz der Stimmungsmache von rechts die meisten Menschen Steuern als grundsätzlich legitim und gesellschaftlich notwendig ansehen. Die Bereitschaft, Steuern zu zahlen, ist allgemein hoch. Allerdings leidet sie dann, wenn trotzdem keine hochwertige Infrastruktur und verlässliche Daseinsvorsorge gewährleistet werden kann. „Wer Steuern bezahlt, spürt gleichzeitig jeden Tag, dass die öffentliche Infrastruktur gerade nicht mehr funktioniert“, so Ates Gürpinar. Baufällige Brücken, unpünktliche Züge sowie fehlendes Personal in der Kita und in Gesundheitseinrichtungen zeigen deutlich, dass sich die extrem Reichen und internationale Konzerne nicht angemessen an der Finanzierung der gesellschaftlich notwendigen staatlichen Dienstleistungen beteiligen, wie der Bundesgeschäftsführer der Linken erläuterte.
„Entgegen der eigentlichen Steuerprogression gilt immer mehr: Je reicher du bist, je profitabler dein Konzern, desto weniger Steuern zahlst du. Warum ist das so? Weil die reichsten Menschen und profitabelsten Konzerne tausend legale und illegale Wege kennen, das Geld an der Steuer vorbeizuschleusen. Jede Bäckerei in Deutschland hat eine höhere Steuerquote als beispielsweise die großen Digitalkonzerne“, so Ates Gürpinar.
„Die Kassiererin im Supermarkt, die Pflegekraft, der Dachdecker: Sie bezahlen mit ihren Steuern die Sanierung der Brücken mit, über die Amazon, Ikea und Co ihre Waren transportieren, die dafür wiederum so gut wie nichts bezahlen“, erklärte der Bundesgeschäftsführer. „Da ist es kein Wunder, dass wiederum für die Gemeinschaftsaufgaben und für die öffentliche Daseinsvorsorge zu wenig Geld da ist.“
Ates Gürpinar verweis auf eine Studie der University of London, die aufzeigt, dass den EU-Mitgliedsstaaten pro Jahr 825 Milliarden Euro durch Steuerflucht verloren gehen, 125 Milliarden davon entfallen alleine auf Deutschland. „Wir haben als Linke viele Vorschläge für ein gerechtes Steuersystem, aber es wäre schon mal ein großer Schritt, wenn die Superreichen und Konzerne die bestehenden, eigentlich existierenden Steuern zahlen würden“, erklärte er.
Die Linke fordert, den Wettbewerb um immer niedrigere Unternehmenssteuersätze zu stoppen und Steuerschlupflöcher zu schließen. Dies soll unter anderem erreicht werden, indem Konzerne durch eine sogenannte Quellensteuer stärker am Ort des Umsatzes besteuert werden. Den Mindeststeuersatz für Unternehmen von 15 Prozent, den die Finanzminister*innen der G20-Staaten im Jahr 2021 beschlossen hatten, hält die Linke für unzureichend: „Wir fordern einen globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen von 25 Prozent, um ernsthaft gegen Steuerwettbewerb und Profitverschiebung vorzugehen“, so das Konzept der Partei.
„Wer eine gerechte EU will, muss sich mit Reichen und Konzernen anlegen“, erklärte Martin Günther, Kandidat der Linken für das Europäische Parlament. „Steuertricks müssen in der EU ein Riegel vorgeschoben werden. Die Steueroasen müssen wir austrocknen und Steuerflüchtige aufhalten. Das ist die Voraussetzung für ein gerechtes Steuersystem. Dafür wollen wir eine Quellensteuer von 50 Prozent auf alle Zahlungen – also Dividenden, Zinsen oder Lizenzabgaben – von Unternehmen einführen, die in Staaten abfließen, die nicht Teil eines gemeinsamen Steuerabkommens sind, das Steuerflucht verhindert.“
Finanzbehörden sollen besser ausgestattet werden
Die Linke fordert außerdem den Aufbau einer europäischen Finanzpolizei, die kriminellen Praktiken von Unternehmen wie Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, Geldwäsche und Korruption einen Riegel vorschieben soll. Denn die Behörden sind viel zu schlecht ausgestattet, um mit den Tricksereien der Unternehmen mithalten zu können. „Es muss Schluss damit sein, dass die Wirtschaftskriminalität mit dem Rennboot vorbeifährt, während die Finanzbehörden mit einem Einbaum hinterherpaddeln“, so Martin Günther.
„Steuerflüchtige arbeiten international. Die Verfolgung von Steuerflucht muss daher ebenfalls grenzüberschreitend erfolgen“, erklärte er. „Die Steuerbehörden müssen in die Lage versetzt werden, der kreativen Buchführung der Superreichen und Konzerne Paroli zu bieten, und da, wo am meisten Geld liegt, eine ausreichende Kontrolldichte zu garantieren.“
Zudem will die Linke die Besteuerung von großen Vermögen, Erbschaften und hohen Einkommen gerechter gestalten. Das ist auch als Maßnahme zur Stärkung der Demokratie gedacht – denn das unkontrollierte Vermögenswachstum der Superreichen beschert ihnen enorme wirtschaftliche und politische Macht.
„Dafür, dass einige wenige so unfassbar viel besitzen und damit ja auch sehr viel undemokratische Macht in den Händen halten, wissen wir erschreckend wenig über die tatsächlichen Vermögensstrukturen“, so Martin Günther. „Europa braucht dringend effektive Transparenzregeln für Vermögensverhältnisse und Geldflüsse.“ Die Linke fordert deshalb die Einführung eines EU-Vermögensregisters. Die Daten in den nationalen Transparenzregistern müssen öffentlich einsehbar werden.
Außerdem will die Linke eine Finanztransaktionssteuer von 0,1 Prozent einführen, um den computergestützten Hochfrequenzhandel an den Bösen auszubremsen. In Deutschland sollen Kapitalerträge in Zukunft der regulären Einkommensteuer unterliegen. Die Abgeltungssteuer, die Einkommen aus Kapital gegenüber erarbeitetem Einkommen besserstellt, will die Linke abschaffen.
Auch absurde Steuerschlupflöcher bei der Erbschaftssteuer will die Linke durch eine bessere Erfassung von Vermögenswerten und durch angemessenere Steuersätze schließen. „Der österreichische Unternehmersohn und Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz hat 2022 25 Milliarden steuerfrei geerbt. Für diese Superreichen sollen die Steuersätze für Erbschaften und Schenkungen erhöht und die persönlichen Freibeträge heruntergesetzt werden“, so das Konzept der Partei.
Die Berichtspflichten für Konzerne sollen so erweitert werden, dass Geschäftszahlen für jedes Land, in dem sie wirtschaftlich aktiv sind, gesondert ausgewiesen werden müssen. „Wir müssen das Dunkelfeld ausleuchten“, so Martin Günther. „Wenn transparent wird, wo genau das Geld ist, ist es auch deutlich einfacher, Steuergerechtigkeit durchzusetzen.“