Je weniger man hat, desto schärfer wird man kontrolliert

Wer Grundsicherung bezieht, erhält gerade mal so das Existenzminimum. Von Reichtum kann keine die Rede sein. Die Höhe des Minimums ist beim Bürgergeld und bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung identisch. Für eine alleinstehende Person gibt es derzeit 502 Euro und eine “angemessene“ Miete am jeweiligen Wohnortes. Etwas weniger gibt es nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Für das Bürgergeld sind die Jobcenter zuständig. Für die Grundsicherung im Alter und die Erwerbsminderungsrente müssen sich die Betroffenen an die örtlichen Grundsicherungsämter wenden. Zwischen den Behörden gibt es rechtliche und praktische Unterschiede. Was beide Behörden jedoch eint, ist die Überprüfung der eingehenden Gelder auf das Konto der Leistungsberechtigten. Sei es über  regelmäßigen Datenabgleich durch die Behörden selbst oder über die Anforderungen der Kontoauszüge bei den Leistungsberechtigten. Frei nach dem Motto: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Das war schon immer so, und wird auch noch in hundert Jahren so sein. Je weniger man hat, umso mehr muss kontrolliert werden. Für Reiche gilt das natürlich nicht. Bis heute weiß niemand, wie viel Geld die Wohlhabenden dieser Republik wirklich haben, weil sie ihren Reichtum verstecken können.

Vorsicht bei Geschenken!

Manchmal kommt es vor, dass Menschen in den Grundsicherungen Geld oder Sachgeschenke erhalten. Sei es zum Geburtstag, zu Weihnachten oder sonstigen Anlässen. Beim Bürgergeld ist die Regelung relativ einfach: Geldgeschenke über 50 Euro, die nicht zweckgebunden sind, können angerechnet werden. Ein Fahrrad wird nicht in Euro umgerechnet und somit nicht angerechnet. Ergo: Sachgeschenke sind frei. Aber Achtung: Ein PKW im Wert von über 7.500 Euro wäre wiederum zu teuer. Geldgeschenke von den Großeltern zum Geburtstag oder zu Weihnachten werden auch nicht angerechnet, solange die Summe angemessen ist. Steht eine Konfirmation oder ein ähnliches religiöses Fest an, sind bis zu 3.100 Euro anrechnungsfrei.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Geldgeschenke beim Bürgergeld, die dieselben Bedarfe abdecken, wie das Bürgergeld, werden angerechnet. Beispiel: Die Freundin Anna überweist der Freundin Berta 70 Euro, um Lebensmittel einzukaufen. Diese 70 Euro werden auf das Bürgergeld angerechnet, da im Bürgergeld ein Anteil für Lebensmittel enthalten ist. Schauen wir aber mal zum Grundsicherungsamt hinüber. Dort melden sich Menschen, die zumeist über 65 Jahre jung sind oder aufgrund einer Erkrankung durch den Rententräger als dauerhaft erwerbsunfähig eingestuft wurden. Deren Rente ist so niedrig, dass sie mit Grundsicherung aufstocken müssen. Die aufstockende Grundsicherung ist nicht höher als das Bürgergeld (Hartz IV). Und doch kommen wir jetzt in eine andere Regelung hinein. Geldgeschenke sind auch hier bis 50 Euro frei. Grundsätzliche werden sie jedoch als Einkommen berücksichtigt. Da kann es dann in einem Schreiben vom Grundsicherungsamt heißen: „Nach Durchsicht Ihrer Kontoauszüge ist mir folgende Gutschrift aufgefallen: tt.mm.jjjj. Frohe Weihnachten – Betrag x“. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ich beabsichtige die o.g. Gutschrift als Einkommen i.S.d. § 82 SGB XII zu werten und entsprechend anzurechnen.“ Nur, wenn die Berücksichtigung mit einer „besondere Härte“ verbunden wäre, dann könnte das Geldgeschenk frei sein. Hier gibt es jedoch keine einheitliche Regelung und wird durch das jeweilige örtliche Grundsicherungsamt bestimmt.

Weniger Geld wegen einer Waschmaschine

Nun bekommt Frau Müller von ihrer Freundin zum Geburtstag eine Waschmaschine geschenkt, da ihre alte kaputt ist. Wunderbar! Nicht für Frau Müller. Das Grundsicherungsamt freut sich, wenn die Freundin das Geld für die Waschmaschine auf das Konto von Frau Müller überwiesen hat. Die Warnblinklampe beim Grundsicherungsamt leuchtet auf. Geld, Geld, Geld. Und prompt wird dieses Geld auf den Regelsatz der Grundsicherung angerechnet. Warum? Die Waschmaschine kann aus dem Grundsicherungs-Regelsatz angespart werden. Dafür ist ein gewisser Satz inkludiert. Dass Frau Müller dafür rund 15 bis 20 Jahre benötigt - egal. Dass ihre Waschmaschine kaputt ist - egal. Selbst, wenn Frau Müller die Waschmaschine nun verkaufen würde, müsste sie von diesem Geld leben. Geschenkt ist geschenkt. Anders sehe es aus, wenn Frau Müller noch sehr jung wäre und einen Führerschein benötigte und sie aufgrund ihrer Eltern in der Grundsicherung lebt. Zum Geburtstag erhält sie von der Freundin Geld für den Führerschein. Da dieses Geld zweckgebunden ist, dürfte sie dieses, nach individueller Entscheidung durch das Grundsicherungsamt, womöglich behalten. Aber auch hier gilt: Es ist eine individuelle, regionale Entscheidung vor Ort. Anders als beim Bürgergeld. Das heißt, wir haben bei der Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung nochmals eine Verschärfung der Gesetzgebung bezüglich der Einkommensanrechnung. Ich spreche hier bewusst von „nochmals“, da bereits bei einer Nebentätigkeit mehr vom Einkommen angerechnet wird, als beim Bürgergeld.

Bürgergeldreform - eine verpasste Chance

Im Rahmen der Bürgergeldreform in diesem Jahr wurde eine Reform beim SGB XII in diesem Bereich total vernachlässigt, außer, dass wie beim Bürgergeld, junge Menschen auf Minijob-Basis 520 Euro dazuverdienen dürfen, ohne dass es angerechnet wird. Nun kann ich schreiben: arm, Bürgergeld, Grundsicherung nach SGB XII. Das bringt uns aber nichts. Arm sind sie alle. Ein Gegeneinander ausspielen ist an dieser Stelle auch nicht angebracht. Mit der Agenda 2010 sollte 2003 eine neue moderne Arbeitsmarktreform stattfinden. Mit dem Bürgergeld soll jetzt alles noch besser werden: mehr Respekt, mehr Augenhöhe. Natürlich, kann freundlicher in den Amtsstuben gesprochen und der neue Kooperationsplan einfacher geschrieben werden. Mehr Geld bringt das den Menschen jedoch nicht. Wenn eine Waschmaschine in der Grundsicherung als Geld angerechnet wird, haben die Menschen sogar weniger Geld. Stattdessen wird seit Jahrzehnten darauf gesetzt, dass gute Samariter um die Ecke kommen. Das sind die Tafeln, Kirchen, Stiftungen oder Dritte, die die Haushalte der armen Menschen mit Gaben füllen. Wer in der Grundsicherung lebt, muss darauf hoffen, dass niemand merkt, wenn er etwas geschenkt bekommt. Das ist hart und unsozial.

Als Kind liebte ich die Paternosteraufzüge. Das sind die offenen Aufzüge, aus denen man jederzeit ein- und aussteigen kann. Wer gesund, fit und schnell ist, schafft es. Wer alt, krank oder behindert ist, kann ihn nicht benutzen. Und so sehe ich unsere Sozialpolitik. Wer alt und krank ist, bleibt draußen und wird nicht befördert. Das ist die falsche Politik. Eine gute Sozialpolitik garantiert neben einer guten Grundsicherung eine Grundsicherheit. Sie bedeutet Inklusion und Integration. Davon sind wir weit entfernt. Für eine wirkliche Sozial-Reform braucht es soziale und wirtschaftliche Phantasie sowie den politischen Willen, die Verelendung zu beenden gebraucht. Stattdessen regieren weiter Verdrängung und Geizmentalität.