Ukrainekrieg

LINKE Antworten auf den Ukrainekrieg

Konsequente Friedenspolitik ist mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal der LINKEN

Wir alle hoffen, dass es in diesem Jahr gelingt, unserer Partei wieder zu größerer Bedeutung zu verhelfen. Das Ergebnis der Wahlen in Berlin ist unter den schwierigen Bedingungen ein Erfolg, auf dem aufgebaut werden kann. Es wird keine einfache Aufgabe sein, auch die weiteren Wahlen in diesem Jahr in Bremen, Bayern und Hessen erfolgreich zu bestehen. Dazu ist vor allem konsistente Politik zu den aktuell wichtigsten Politikfeldern eine wichtige Voraussetzung.

Neben diesen tagespolitischen Aufgaben gibt es neue Herausforderungen und Fragen zu beantworten, die grundsätzlicher Natur sind. Dabei geht es um die mittel- und längerfristigen Positionen und Linien linker Politik. Krieg, wirtschaftliche Krise, Gerechtigkeitskrise und Klimakatastrophe zwingen uns zu politischer Sprechfähigkeit und schlüssigen Antworten. In einer linkspluralistischen Partei wird es immer unterschiedlichen Zugang zu diesen Fragen und deshalb auch unterschiedliche Positionen geben, die geklärt werden müssen. Ebenso gibt es unterschiedliche Positionen zum Selbstverständnis unserer Partei. Was wollen wir sein? Eine eher linkspopulistische/populäre Partei oder eine bewegungsorientierte Mitgliederpartei, die einen emanzipatorischen und verbindenden (im Sinne von verbindender Klassenpolitik) Ansatz erfolgt. Es ist kein Zufall, dass in der Beurteilung des Zustandes unserer Partei und den Lösungsvorschlägen zum Teil verschiedene und nicht selten konträre Positionen vertreten werden. Ich habe versucht, einige Grundlagen herauszuarbeiten, die in den letzten Jahren für den Parteiaufbau entwickelt und in der Partei verankert wurden.

Unterschiedliche Positionen zum Ukraine-Krieg

Unterschiedliche Positionen prägen das Verhältnis zum Krieg gegen die Ukraine. Man möchte eigentlich meinen, dass DIE LINKE als Friedenspartei an Vertrauen und Zustimmung gewinnt, wenn der Frieden innerhalb Europas gebrochen wird. Das ist bisher nicht der Fall. Ebenso wenig verzeichnet die klassische Friedensbewegung einen Aufschwung und kann bisher keine größeren Massen auf die Straße bringen. Zu vielstimmig sind die Positionen. Dass Russland die Ukraine mit einem völkerrechtswidrigen und verbrecherischen Krieg überzieht hat jahrelang vorhandene Gewissheiten ins Wanken gebracht. Wir erleben Friedensgruppen Aufrufe, in denen der Krieg gegen die Ukraine nicht einmal erwähnt geschweige denn klar verurteilt wird. Wenn das geschieht häufig mit Relativierungen, dass das Vordringen der NATO an die russischen Grenzen und das Ignorieren der Sicherheitsinteressen von Russland ursächlich für die russische Reaktion sind. Dahinter steckt die etwas absurde Sorge, wenn Russland zu stark kritisiert wird, dann würde die Kritik an der imperialistischen Politik der USA verharmlost.

Auf der anderen Seite gibt es auch innerhalb unserer Partei Gruppen, die die entgegengesetzte Position vertreten. So gab es auf dem letzten Parteitag einen Antrag für begrenzte und gezielte Waffenlieferungen. Bodo Ramelow vertritt prominent diese Auffassung oder der ehemalige verteidigungspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Paul Schäfer. Er kritisiert die Linke wegen ihrer Position, die Lieferung von Waffen abzulehnen. Schäfer in den Blättern: „Solidarität mit der Ukraine zu rufen, wie es die Linkspartei tut, und sich zugleich dem zu verweigern, was dafür getan werden muss, ist inkonsequent, moralisch fragwürdig und letztlich Ausdruck von Politikunfähigkeit.“

Schließlich gab und gibt es unterschiedliche Haltungen zur Frage der Sanktionen. Mit zum Teil unterschiedlichen Zugang. Die einen kritisieren, Sanktionen wären Quatsch, wenn sie die eigene Bevölkerung treffen aber nicht Russland. Dahinter steckt das Interesse, die Gaslieferungen aus Russland wieder in Gang zu bringen, um die Hauptursache der Gaspreisverteuerung zu beseitigen. Andere wollen sich auf keinen Fall mit wirtschaftlichen Sanktionen gemein machen, weil dahinter die Interessen des westlichen Bündnisses auf wirtschaftliche Schwächung von Russland stehen würden. Außerdem würde die Bevölkerung stärker an die Seite des Putin-Regimes gedrängt.

Schlussendlich steht noch die Frage der Abgrenzung nach rechts im Raum. Sahra Wagenknecht hat sich nicht zufällig geweigert, eine klare Abgrenzung nach rechts vorzunehmen. Seit der Auseinandersetzung um die Flüchtlingspolitik ist die fehlende Abgrenzung nach rechts eine offene Flanke. Dahinter steckt die Vorstellung AfD Wähler*innen zurückzuholen (wohin auch immer, denn die Linke ist ja nicht mehr ihr Bezugspunkt). Um dieses Ziel zu erreichen wäre eine scharfe Kritik an rassistischen und nationalistischen Positionen nicht geeignet.

*Dazu mehr im Abschnitt „Kampf gegen Rechtsradikalismus und Rassismus

Welche Haltung nehmen wir ein

Krieg heißt Leid, Barbarei, Massenmord. Es ist ein schrecklicher Angriffskrieg den Putins Regime seit fast einem Jahr gegen die Ukraine führt. Dafür gibt es keine Rechtfertigung und keine Relativierung. Die Linke ist Friedenspartei. Deshalb verurteilen wir die vielen Kriege des US-Imperialismus, auch die der NATO. Wir kritisieren aber ebenso uneingeschränkt, wenn Russland Krieg führt. Wir lehnen Krieg als Mittel der Politik ohne Wenn und Aber ab und treten ein für Waffenstillstand, Verhandlungen, ja, auch für Vermittlung durch China, Indien oder von Lulas Brasilien.

Linke Politik unterscheidet nicht, welche imperialistische Politik schlimmer ist. Wir verharmlosen auch nicht die imperialistische Politik der USA oder schwächen unsere Kritik an der NATO ab, wenn wir den Krieg von Russland als verbrecherisch bezeichnen und einen sofortigen Rückzug russischer Truppen fordern. Die Linke identifiziert sich in aller Regel nicht mit Regierungsinteressen, weder der russischen noch der Ukrainischen. Schon August Thalheimer hat in den 20er Jahren analysiert, dass militärische Überfälle auf andere Länder nur den Nationalismus stärken. Damals ging es um die Frage, ob der Sozialismus militärisch exportiert werden kann. Thalheimer lehnte das grundsätzlich ab. Sowohl die russische als auch die ukrainische Führung vertreten einen überbordenden Nationalismus. Linke Politik muss auf der Seite der leidtragenden Bevölkerung stehen und auf Seite der Kräfte, die auf beiden Seite für eine Beendigung des Krieges eintreten. Im Krieg sind die unterschiedlichen Klasseninteressen nicht verschwunden, sie werden nur durch den Nationalismus verdeckt. Historisch vertrat die sozialistische Bewegung die Position, dass Arbeiter*innen verschiedener Länder nicht gegeneinander schießen. Kräfte, die diese Position hörbar vertreten gibt es bei beiden Kriegsparteien kaum. Auch wenn wir das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine nicht in Zweifel ziehen, genau so wenig, wie die territoriale Integrität der Ukraine, identifizieren wir uns weder mit der Politik Selenskys noch mit der Interessenslage des Westens und der NATO.

Nach mehr als 12 Monate Krieg, mit einer hohen Zahl an Toten und Verletzten auf beiden Seiten und unerträglichem Leid für die ukrainische Bevölkerung zeigt sich, dass die Lieferung von immer mehr und immer schwereren Waffen nicht zu einer Beendigung des Krieges führt. Ohne Zweifel verlängern Waffenlieferungen den Krieg. Für die Bevölkerung gibt es ohnehin nichts zu gewinnen. Sie wird am Ende die große Leidtragende sein. Das Land wird mehr und mehr zerstört. Deshalb ist es völlig richtig, wenn DIE LINKE weiterhin Waffenlieferungen ablehnt. Wir müssen aus der Logik des militaristischen Denkens ausbrechen, die sich fast alle Parteien und Medien zu Eigen machen und für einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen eintreten.

Die Logik der Befürworter, dass Putin erst verhandelt, wenn er sieht, dass die Ukraine nicht militärisch besiegt werden kann und deshalb alle Waffen geliefert werden müssen, welche die Ukraine benötigt, erhöht die Wahrscheinlichkeit eines noch jahrelang anhaltenden Krieges. Gesprochen wird dann von einem Abnutzungskrieg. Abnutzung heißt, dass noch mehr Menschen auf beiden Seiten sterben müssen. Den Berichten über militärische Erfolge darf auf beiden Seiten kein Glaube geschenkt werden. Falschinformationen sind Bestandteil der Kriegsführung. Die Ankündigungen von Selensky keine Verhandlungen mit Putin zu führen, weil er jeden Vertrag brechen wird, dient hauptsächlich der Aufrechterhaltung der Kampfmoral im eigenen Land. Verhandlungen wären nur nach einem Regimechange möglich. Die Absetzung von Putin ist jedoch nicht in Sicht, demnach würde es jahrelang keine Verhandlungen geben. Dabei wird ja verhandelt, über Gefangenenaustausche, über den Transport von Getreide. Was passiert, wenn die Ukraine nicht siegen wird, sondern Russland oder keine Seite?

Wer Verhandlungen will, muss die Frage beantworten, wie Russland unter Druck gesetzt werden kann Verhandlungen aufzunehmen. Am ehesten könnte das über China und Indien geschehen. Russland ist durch die westlichen Sanktionen wirtschaftlich mehr und mehr von Indien und besonders China abhängig. Beide haben kein Interesse an einer Fortsetzung des Krieges. Völlig unerklärlich ist, warum das Positionspapier von China fast schon verächtlich abgetan wurde. China hätte sich ja bei der UN-Vollversammlung enthalten und sei dadurch nicht unparteiisch lautet ein Argument. Aber gerade weil sich China enthalten hat ist es im Unterschied zur EU in der Lage zu vermitteln. Die Initiative von Peking verlangt die „Souveränität und Integrität aller Staaten“ zu garantieren. Außerdem erteilen die Chinesen allen atomaren Androhungen eine klare Absage. Deshalb wäre es ein großer Fehler die chinesische Initiative abzutun oder gar abzulehnen.

Das einzige was Peking Russland konkret anbietet, ist die Beendigung der Sanktionen. Die Sanktionen beginnen zu wirken, im Gegensatz zu vielen gegenteiligen Behauptungen. Gerade im militärisch industriellen Komplex schmälern sie die Fähigkeit Russlands komplexe Waffensysteme zu produzieren. Selbst im Energiesektor gehen die Einnahmen wegen aktuell sinkenden Energiepreisen zurück. Russland kann nicht so schnell Leitungen nach China und Indien legen, wie ihm die Märkte im Westen wegbrechen. Erhebliche Teile der traditionellen Friedensbewegung, in unserer Partei z.B. Wagenknecht, lehnen Sanktionen ab. Sie wären Teil eines Wirtschaftskrieges und würden die ohnehin geplagte Bevölkerung in Russland treffen. Was bleibt sind dann nur noch Appelle an Putin doch bitteschön zu verhandeln oder wie bei Wagenknecht, Russland ein Angebot zu unterbreiten, mit dem Putin an den Verhandlungstisch kommt. Dabei spielt dann offensichtlich die Ukraine keine Rolle. In der Ukraine würde ja ohnehin ein Stellvertreterkrieg geführt. Eine solche Entmündigung des angegriffenen Landes kann keine linke Position sein.

Wirtschaftliche Sanktionen, wenn sie gegen den militärisch-industriellen Komplex gerichtet sind und gegen die Putin stützenden Oligarchen, sind als wirtschaftliches Druckmittel durchaus wirkungsvoll und deutlich besser, als Waffen zu liefern. Wer keine Waffen liefern will, jedoch Jegliche Sanktionen ablehnt wirkt nicht besonders glaubwürdig. Keinesfalls müssen wir deshalb mit dem derzeitigen Sanktionsregime einverstanden sein, das sich häufig gegen die Bevölkerung richtet und auch nicht wirkungsvoll genug ist.

Die auch in der Fraktion DIE LINKE von wenigen vertretene Position, die Sanktionen würden die eigene Bevölkerung und die Wirtschaft mehr treffen als Russland – deshalb sollten sie eingestellt werden, damit wir wieder Gas zu günstigen Preisen erhalten – ist in doppelter Hinsicht falsch. Einmal davon abgesehen, dass die Gaspreise auch ohne Aufhebung der Sanktionen gesunken sind und der prophezeite Energienotstand nicht eingetreten ist, muss die sozialökologische Transformation und damit der Umbau auf regenerative Energie beschleunigt werden. Das gilt nicht nur für den Westen sondern auch für Russland. Russlands fossiler Kapitalismus belastet die Klimabilanz und wird ökonomisch nach und nach seine Grundlage verlieren.

Angst vor der Ausweitung des Krieges

In seinem Essay in der Süddeutschen Zeitung vom 15.2.2023 plädiert Jürgen Habermas für ein öffentliches Nachdenken über den schwierigen Weg zu Verhandlungen. Habermas: „mir geht es um den vorbeugenden Charakter von rechtzeitigen Verhandlungen, die verhindern, dass ein langer Krieg noch mehr Menschenleben und Zerstörungen fordert und uns am Ende vor eine ausweglose Wahl stellt: entweder aktiv in den Krieg einzugreifen oder, um nicht den ersten Weltkrieg unter nuklear bewaffneten Mächten auszulösen, die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen.“ Er kritisiert auch die Position, dass nur die Ukraine über die Möglichkeit entscheiden kann als inkonsistent und verantwortungslos. „Das Schlafwandeln am Rande des Abgrundes wird vor allem deshalb zu einer realen Gefahr, weil die westliche Allianz der Ukraine nicht nur den Rücken stärkt, sondern unermüdlich versichert, dass sie die ukrainische Regierung so „lange wie nötig“ unterstützt und dass die ukrainische Regierung allein über Zeitpunkt und Ziel möglicher Verhandlungen entscheiden kann. Diese Beteuerung soll den Gegner entmutigen, aber sie ist inkonsistent und verschleiert Differenzen, die auf der Hand liegen. Vor allem kann sie uns selbst über die Notwendigkeit täuschen, eigene Initiativen über Verhandlungen zu ergreifen“.

Ausgeblendet oder verharmlost wird von den Bellizisten, dass es sich bei Russland um eine Atommacht handelt und die Gefahr einer Ausdehnung des Krieges oder sogar der Einsatz von Atomwaffen steigt. Wenn Strack-Zimmermann, Hofreiter und andere sagen, dass Russland nur bluffen würde, ist das völlig verantwortungslos. Woher wollen sie das wissen? Einerseits zeichnen sie Putin als Monster, als gefährlichen und unberechenbaren Autokraten, andererseits würde er mit seiner Androhung, auch Atomwaffen einzusetzen, nur bluffen. Und wie kann ausgeschlossen werden, dass Atomwaffen nicht aus „Versehen“ abgeschossen werden? Der spanische linke Aktivist und Buchautor, Raul Sanchez Cedillo, sagt dazu in einem Interview mit Pablo Iglesias, indem er den Ukrainekrieg mit dem ersten Weltkrieg vergleicht: „der moralische Hochmut, mit dem beide Seiten den Krieg als zivilisatorischen Kreuzzug ausgeben, zugleich die Leichtfertigkeit bzw. das „Schlafwandlertum“, wie Christopher Clark es in Bezug auf den Ersten Weltkrieg nannte, mit dem unverhohlen militaristisch agiert und ein bedingungsloser Sieg propagiert wird. Ein anderer Aspekt, der eine weitreichende Ähnlichkeit mit der Phase des fanatischen Nationalismus und der „heiligen Einheit“ in Frankreich bzw. des „Burgfriedens“ in Deutschland ab dem Juli 1914 aufweist: Die Darstellung des Pazifismus als Agent der gegnerischen Seite.“

Laut mehreren Befragungsinstituten sind etwas über 30 Prozent gegen die Lieferung schwerer Waffen und gibt es eine absolute Mehrheit, die für die Aufnahme von Verhandlungen plädiert. Eine Mehrheit ist der Auffassung, dass die Bundesregierung zu wenig unternimmt um Verhandlungen voranzutreiben. DIE LINKE kann diesen Positionen eine wichtige Stimme im und außerhalb des Parlamentes verleihen.

Krieg gegen die Ukraine – ein Paradigmenwechsel der deutschen und europäischen Außenpolitik

Der Krieg gegen die Ukraine verändert in einer bisher kaum vorstellbaren Geschwindigkeit die Haltung der politischen „Klasse“ zur Aufrüstung, zu Waffenlieferungen, zur Entspannungspolitik der vergangenen Jahrzehnte und zur Rolle der Bundeswehr. Der Paradigmenwechsel der Politik in Deutschland und Europa ist enorm. Nicht nur die Sprache ist militaristischer geworden, auch die Aufrüstung nimmt bedrohliche und beängstigende Dimensionen an. Schon wird lt. Generalsekretär Jens Stoltenberg von einigen NATO-Ländern gefordert, das 2 Prozent Ziel nicht mehr länger als anzustrebende Größe, sondern als Mindestgrenze festzulegen. Dabei wird allein das 100 Mrd. Paket für die Bundeswehr und größtes Aufrüstungspaket der Nachkriegsgeschichte die Haushalte der nächsten Jahre massiv belasten. Es ist keineswegs sicher, dass es nicht noch weitere Pakete geben wird. Der neue Verteidigungsminister, Boris Pistorius, fordert im Haushalt eine weitere Aufstockung für die Bundeswehr um 10 Mrd. einzuplanen. Schon jetzt beginnt die Debatte, ob diese Milliarden dann noch für die Kindergrundsicherung zur Verfügung stehen werden.

Die von Bundeskanzler Scholz gezogene Grenze, keine Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern, ist spätestens mit der Marder-Lieferung überschritten. Noch wurde kein Marder überführt, mehrten sich die Stimmen nach Auslieferung von Leopard-Panzern. Nachdem auch hier Kanzler Scholz und die SPD „umgefallen“ sind, werden jetzt vom stellvertretenden Außenminister der Ukraine, A. Melnyk, Kampfjets und U-Boote gefordert. Der aktuelle Verteidigungsminister der Ukraine forderte gar völkerrechtswidrige Streubomben und Biowaffen. Diese Forderung wurde vom Westen zurückgewiesen.

Ansonsten gibt es kaum rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen. Besonders Politiker*innen der Grünen und der FDP scheinen innerhalb der Ampelkoalition keine Grenzen mehr zu kennen. Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen lautet das Credo. Wer dem widerspricht wird schnell als Hilfstruppe für Putin abgestempelt. Die meisten Medien verstärken diesen Kurs. Wer Bedenken oder gar Kritik an Waffenlieferungen übt oder lediglich Anstrengungen für Friedensverhandlungen einfordert kommt entweder nicht zu Wort oder wird mit dem Totschlagargument konfrontiert, dass man das Geschäft Russlands besorge. Habermas kritisiert zurecht: „…..aber bei uns angetrieben durch den bellizistischen Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung, in der das Zögern und die Reflexion der deutschen Bevölkerung nicht zu Wort kommen."

Umso wichtiger wäre das Entstehen einer breiten Friedensbewegung. Notwendig wäre dafür eine Plattform zu schaffen, die keinen Zweifel an der Verurteilung Russlands lässt, mit Empathie Solidarität mit der leidgeplagten ukrainischen Bevölkerung zeigt, die territoriale Integrität der Ukraine nicht in Frage stellt, Aufrüstung und Waffenlieferungen kritisch und ablehnend gegenübersteht, Verhandlungen als ersten Schritt zur Beendigung des Krieges auf den Weg bringen will, eine Stimme der Vernunft ist und die zunehmende Militarisierung und Kreuzzugmentalität ablehnt. So oder so ähnlich könnte eine Plattform für ein breites Friedensbündnis unter Einschluss von Gewerkschaften, kirchlichen Friedensgruppen, Personen mit öffentlicher Reichweite und Antikriegsinitiativen aussehen. Die Linke kann und muss die Initiative dafür ergreifen. Auch vor Ort können solche Bündnisse dafür sorgen, dass weit über die traditionellen Kreise der Ostermarschbewegung hinaus mobilisiert werden kann. Einem Aufruf einer ähnlich gelagerten Initiative sind letztes Jahr im März rund 35 000 Menschen in Stuttgart gefolgt. Die klare Abgrenzung gegen rechts muss dabei eine Selbstverständlichkeit sein. Mit der AfD und ihrem Umfeld gibt es keine Gemeinsamkeiten.

Weltweite hegemoniale Verschiebungen und Krisen verschärfen die Kriegsgefahr

Der Krieg ist auch als Folge massiver weltweiter hegemonialen Verschiebungen und Teil einer neuen Blockbildung zu verstehen. Welche Konstellation sich dabei letztendlich herausbilden wird, ist schwer zu sagen. Russland hat bisher seine Kriegsziele nicht erreicht, nämlich in der Ukraine einen größeren Korridor gegenüber dem Westen und der NATO zu schaffen und dauerhaft zu verhindern, dass die Ukraine in die NATO aufgenommen wird. Der Krieg hat erst einmal die NATO gestärkt. Sie erweitert sich durch Finnland und Schweden. Eine neue Blockbildung zeichnet sich ab. Russland wird stärker an die Seite von China, die EU stärker an die Seite der USA gedrängt. Russland hat seine Einnahmen aus den fossilen Energien nicht genutzt eine Transformation und Modernisierung der eigenen Wirtschaft auf den Weg zu bringen. Es bleibt ein politisch autoritärer und ökonomisch fossiler Oligarchenkapitalismus und eine absteigende Macht, jedoch in Besitz eines großen Arsenals von Atomwaffen. Nicht so China, das einen bisher nie dagewesenen wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen und große Teile seiner modernen Sektoren transformieren kann. China tritt als neue Weltmacht auf den Plan, ohne jedoch die USA, die weiterhin die größte Militärmacht bleibt, militärisch herausfordern zu können oder auch zu wollen. Chinas Außenpolitik ist nicht darauf ausgerichtet eine weltweit militärische hegemoniale Vormachtstellung zu erringen, sondern ihre auf weiteres Wachstum ausgerichtete Ökonomie abzusichern. China verfügt nur über einen einzigen Militärstützpunkt in Übersee. Das Land rüstet jedoch ebenfalls auf. Die USA wiederum verlagert längst Teile seines Militärs Richtung China und betreibt ein enormes Aufrüstungsprogramm. Sie gibt ca. 3 Mal so viel für ihr Militär aus, als China.

Die USA hat jedoch ihre Stellung als alleinige Weltmacht verloren. Sie versucht Chinas wirtschaftlichen Aufstieg mittels wirtschaftlicher Sanktionen zu verhindern oder mindestens zu verzögern. Bisher mit wenig Erfolg. Die EU wird an außenpolitischer Bedeutung verlieren, wenn sie enger an der Seite der USA operiert. Es handelt sich dabei mehr um ein Unterordnungsverhältnis als um ein gleichberechtigtes Bündnis. Von einer eigenständigen Außenpolitik Deutschlands oder Europas kann derzeit kaum die Rede sein. Sie erfolgt in enger Abstimmung mit den USA, die ersichtlich das Ziel verfolgt Russland dauerhaft militärisch zu schwächen.

Die Blockbildung gegen Russland und China wird mit der Erzählung verbunden, dass es um einen Kampf zwischen autoritär geführten Ländern und liberalen Demokratien geht. Diese Erzählung ist wenig glaubwürdig, befinden sich doch in der NATO mit der Türkei, Ungarn und Polen autoritär regierte Länder. Die Bündnispartner Saudi Arabien, Ägypten oder Katar können nicht gerade als liberale Demokratien bezeichnet werden. Insoweit ist die feministische- und menschenrechtsorientierte Außenpolitik von Annalena Baerbock mit einem erheblichen Schuss Heuchelei versehen. Indien und Brasilien als wichtige Schwellenländer haben die Wirtschaftssanktionen nicht mitgemacht und verfolgen eigene Interessen. Indien hat seine Importe von Öl und Gas aus Russland deutlich erhöht.

Ingar Solty hat dazu einen interessanten Artikel geschrieben (Auf dem Weg in eine neue Blockkonfrontation) indem er von einer mehrdimensionalen neuen Blockkonfrontation ausgeht, mit einer geschwächten EU. Der Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr, Carlo Masala spricht von einer Weltunordnung. „Die Ausstrahlung des liberaldemokratischen Westens mit dem von ihm maßgeblich geschaffenen internationalen System seit 1945 sinkt beständig. Es bleibt also bei einer Weltordnung, in der die disruptiven (zerstörerischen, BR) Tendenzen zunehmen werden und in der die auf- und absteigenden Mächte sich weiterhin nicht als Manager des internationalen Systems im 21. Jahrhundert verstehen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Kampf um die Vorherrschaft in den kommenden Jahren an Schärfe deutlich zunehmen wird“ (Masala in: Weltunordnung, die globalen Krisen und die Illusionen des Westens, S180). Mit anderen Worten: Die Gefahr von weiteren Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen wird größer.

Die Charakterisierung des Krieges als Rückkehr des Imperialismus in Europa durch Olaf Scholz unterschlägt, dass nicht nur Russland imperialistische Interessen verfolgt. Die imperialistischen Interessen der USA und des Westens werden ausgeblendet. Das ist genauso falsch, wie die Aussage von Annalena Baerbock, dass wir „mit unseren Waffen Leben retten“.

Weil die verschiedenen Blöcke nicht in der Lage sind eine dauerhaft beständige Friedensordnung hervorzubringen, muss es der Linken weltweit genau darum gehen. Die Position, dass mit Putin nicht verhandelt werden kann, bedeutet im Umkehrschluss: Bevor es keinen Regimechange in Russland gibt, kann kein Waffenstillstandsabkommen und kein Friedensvertrag geschlossen werden. Das ist absurd. Auch wenn sich beide Seiten Vorteile auf dem Schlachtfeld erhoffen, muss es auf kurz oder lang (je früher desto besser) Verhandlungen für einen Friedensvertrag geben. Darüber hinaus wird die Frage beantwortet werden müssen, wie eine Sicherheitsarchitektur in Europa aussehen kann. Wenn Olaf Scholz die Einschätzung ablehnt, wonach ein neuer kalter Krieg heraufziehen würde, dessen Kern die Konfrontation zwischen den USA und China bildet und er stattdessen sagt, es gelte auch „mit Ländern zusammenzuarbeiten, die demokratische Institutionen zwar selbst nicht angenommen haben“, aber ein regelbasiertes System unterstützen, ist vielleicht noch nicht alle Einsicht verloren. Gerade Deutschland und Europa müssen ein großes Interesse an einer friedlichen Koexistenz mit Russland und China haben. Es ist zwar der denkbar ungünstigste Zeitpunkt ein kollektives Sicherheitssystem ohne NATO, vielleicht mit Stärkung der OSZE und/oder Demokratisierung einer handlungsfähigen UN zu popularisieren. Es wird aber ohne Zweifel eine wichtige Aufgabe linker Friedens- und Außenpolitiker sein, Grundzüge einer solchen Friedensordnung zu entwickeln. Nicht zuletzt hat unsere Partei wegen ihrer Außenpolitik (wenn wir den Umfragen Glauben schenken) erhebliche Stimmenanteile verloren hat. Hier gilt es Vertrauen zurückzugewinnen.

Außerdem können wir davon ausgehen, dass sowohl die konservativ/liberalen Parteien als auch Grüne und SPD bei den Europawahlen, die Stärkung der EU als dem liberalen demokratischen Block gegen die autoritär geführten Länder, wie Russland in das Zentrum des Wahlkampfes rücken. Dabei wird die Frage einer europäischen Armee, zumindest einer deutlich stärkeren militärischen Kooperation und gemeinsamen Außenpolitik deutlich mehr Gewicht erhalten, als in den vergangenen Wahlen. Wenn DIE LINKE hier nicht klar und sprechfähig ist, können wir leicht unter die Räder kommen.