Der geplante Wahlkreisneuzuschnitt in Berlin ist ein Angriff auf DIE LINKE
Die Pläne für eine Verkleinerung des Bundestages durch die Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 280 sollen nach Auffassung des Bundeswahlleiters dazu führen, dass Berlin bei der nächsten Bundestagswahl einen Wahlkreis verliert. Die vier Wahlkreise mit den wenigsten Wahlberechtigten in Berlin liegen alle im Westen. Und auch beim prognostizierten Bevölkerungszuwachs bis 2040 liegen die Ostbezirke Pankow, Treptow-Köpenick und Lichtenberg klar vorn. Doch beim Neuzuschnitt der Berliner Wahlkreise soll ausgerechnet der Osten einen Wahlkreis verlieren. Bei beiden vorgeschlagenen Varianten der Landeswahlleitung (LWL) für einen Wahlkreisneuschnitt, würde der Wahlkreis Lichtenberg wegfallen! Durch offensichtliche Wahlkreisschiebung soll DIE LINKE ihre Hochburg Lichtenberg und das dort regelmäßig errungene Direktmandat verlieren. Damit wäre, bei einem erneuten Unterschreiten der Fünfprozenthürde bei der kommenden Bundestagswahl, auch der Wiedereinzug der Partei in den Bundestag über die Grundmandatsklausel in Gefahr. Die von der Wahlkreiskommission favorisierten Pläne sind nicht nur ein respektloser Akt gegen die Bevölkerung im Osten, sondern auch ein durchsichtiger parteipolitisch motivierter direkter Angriff auf unsere Partei. Beides werden wir nicht hinnehmen!
An und für sich ist eine Wahlkreisreform nichts Ungewöhnliches. Die beim Bundeswahlleiter beheimatete Wahlkreiskommission begutachtet regelmäßig den Zuschnitt der Wahlkreise in Deutschland. Denn mit den Jahren kommt es zu demografischen Veränderungen: Wahlkreise wachsen durch Zuzug oder schrumpfen durch Weggang, hinzu kommt nun der politische Wille zur Verkleinerung des Bundestags, die eine Reduzierung der Wahlkreise bei einer Zielgröße von 250.000 Wahlberechtigten (+/- 15 Prozent Toleranz, also maximal 37.500 Wahlberechtigten) mit sich bringt. Dass ausgerechnet die wachsende Metropole Berlin, deren Einwohnerzahl auch in den nächsten Jahren steigen wird, in Zukunft einen Wahlkreis weniger haben soll, ist schon wenig überzeugend. Mal ganz davon abgesehen, dass es bessere Wege zur Verkleinerung des Bundestages gibt (z.B. die Verhinderung von Überhang- und Ausgleichsmandaten), als eine Reduzierung der Direkt-Wahlkreise. Wenn aber reduziert werden muss, dann müsste sich ein Reformvorschlag logischerweise mit den Wahlbezirken befassen, die schon jetzt unterhalb der Zielgröße liegen. Diese liegen im Westen: Reinickendorf (176.585, minus 29,4 Prozent vom Sollwert 250.000), Spandau-Charlottenburg-Nord (180.251 Wahlberechtigte 2021, minus 27,9 Prozent), Charlottenburg-Wilmersdorf (196.800, minus 21,3 Prozent), Neukölln (197.037, minus 21,2 Prozent). Erst dann folgt mit Marzahn-Hellersdorf (197.988, minus 20,8 Prozent) ein Ostwahlbezirk.
Die LWL hat im Sommer zwei Vorschläge ausgearbeitet, von deren Existenz die Öffentlichkeit allerdings erst vor einigen Wochen erfuhr. Der erste orientiert sich recht schematisch an den Wahlkreisen zur Abgeordnetenhaushauswahl, beim zweiten werden sogenannte „lebensweltliche Orientierungsräume“ als Maßstab genommen, also eher darauf geschaut, welche Kieze von ihrer Sozialstruktur her zusammenpassen könnten.
Das Problem aber ist, dass bei beiden Varianten der LWL gilt: Für die angrenzenden Westbezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf ändert sich nichts, stattdessen gibt es eine massive Welle der Umverteilung von Ost nach West. In der ersten Variante soll der WK-Lichtenberg aufgelöst und zu den Nachbarbezirken Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick und Marzahn-Hellersdorf gerechnet werden. Die neue Mischung aus Pankow und Lichtenberg soll dann „Berlin-Nordost“ heißen. Die zweite Variante betrifft vor allem den Wahlkreis Pankow, der einen Teil des Kreises an Reinickendorf abgeben muss, aber wiederum einen Teil von Friedrichshain-Kreuzberg bekommt. Vor allem jedoch bedeutet es aber ebenfalls das Ende von Lichtenberg als eigenständigem Wahlkreis.
Wieder einmal verliert also der Osten:
Ein gestrichener Bundestagswahlkreis heißt nämlich auch weniger Ostrepräsentanz im Bundestag. Und das, obwohl bundesweit gerade im Osten durch die Wahlkreisreform aufgrund von Abwanderung absehbar Wahlkreise wegfallen werden.
Wieder trifft es die Linken:
Wie bei der letzten Wahlkreisreform vor der Bundestagswahl 2002, als die PDS in Folge des Neuzuschnitt der Bundestagswahlkreise in Berlin 2001 und der Verknüpfung von West- und Ostbezirken zwei ihrer vier 1998 errungenen Direktmandate verlor, soll auch jetzt mit Lichtenberg eine LINKEN-Hochburg geschliffen werden.
Grobes Foulspiel der SPD!
Für die SPD auffallend günstig ist, dass die Wahlkreise Tempelhof-Schöneberg und Charlottenburg-Wilmersdorf nicht oder kaum angefasst werden. Statt also sachgerecht vorzugehen und die Neueinteilung minimalinvasiv vorzunehmen, wird hier ganz bewusst die Axt an Pankow und Lichtenberg angelegt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir es hier mit ziemlich dreistem Gerrymandering zu tun haben. Also einer Wahlkreisschiebung durch geschickte Manipulation von Wahlkreisgrenzen, um die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren, die wir ansonsten eher aus den USA unter Bush und Trump kennen. Denn klar ist: einzig die SPD wird profitieren. Bei beiden Varianten würde nur eine Partei, die SPD, gewinnen. Legt man die Wahlergebnisse von 2021 zugrunde, würde sie mit der Neuregelung sogar ein Direktmandat mehr gewinnen, während CDU, Grüne und – mit besonders dramatischen Folgen – DIE LINKE schlechter abschneiden würden.
Klar ist auch: Zu keinem Zeitpunkt wurden die Berliner Parteien angemessen informiert, geschweige denn beteiligt. Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat mit ihrer Geheimhaltungsstrategie dafür gesorgt, dass es im Vorfeld der Empfehlung der LWL keine Diskussion unter den Berliner Parteien und daher auch keinen wahrnehmbaren Protest gab. Bezeichnend ist, dass der Bundeswahlleiter (der ebenfalls dem SPD-geführten Bundesinnenministerium untergeordnet ist) ausgerechnet die von der Berliner LWL favorisierte Variante 2 verwirft und stattdessen Variante 1 übernehmen will, die DIE LINKE am deutlichsten benachteiligen wird.
DIE LINKE muss sich jetzt gemeinsam wehren!
DIE LINKE muss - wie alle anderen Parteien auch – zuallererst und ausschließlich selbst für ihr Wahlergebnis verantwortlich sein. Undemokratische Methoden, wie der nun erneut auf den Weg gebrachte Versuch, durch eine relativ willkürliche Wahlkreisneueinteilung politische Konkurrenten zu benachteiligen, verbieten sich.
DIE LINKE muss jetzt geeint die Pläne für den neuen Wahlkreiszuschnitt entschieden zurückweisen und alle rechtlichen und politischen Mittel für deren Korrektur nutzen! Denn:
- Der Osten droht erneut zu verlieren
- DIE LINKE ist durch undemokratische Wahlkreisschiebung in ihrer Existenz bedroht
- Die willkürliche Neueinteilung der Wahlkreise und Streichung von Lichtenberg hat nichts mit Demografie, aber ganz viel mit unfairem Spiel der SPD zu tun
Wir fordern:
- Die sofortige Korrektur der Pläne!
- Wenn schon Reduzierung, dann aber gerecht und zu Lasten aller!
- Das Problem muss dort gelöst werden wo es existiert: In den Berliner Westbezirken!
- Keine Zerfledderung der Wachstumsbezirke Pankow und Lichtenberg!
Sie wollen uns mit Manipulation kaputt machen und glauben, dass sie damit durchkommen. Aber das darf und wird ihnen nicht gelingen!
Gesetzentwurf aus der 19. Wahlperiode: Drucksache 19/14672 (bundestag.de)