Hans Modrow - ein kämpferischer Sozialist und konsequenter Antifaschist.
27. Januar 1928 - 10. Februar 2023
- imago stock&people
Hans Modrow ist tot. Er starb am 10. Februar 2023 nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 95 Jahren in einem Berliner Krankenhaus.
Hans Modrow war ein kämpferischer Sozialist und konsequenter Antifaschist. Er war Internationalist aus tiefster Überzeugung. Bis ins hohe Alter war Hans Modrow politisch aktiv. Er war er ein beharrlicher und unbequemer Mahner, der notwendige Wahrheiten auch dann noch aussprach, wenn andere längst schwiegen. Der Kampf für den Frieden, für Völkerverständigung und sozialen Fortschritt waren der Inhalt seines politischen Lebens. Er brauchte die Partei als Gemeinschaft Gleichgesinnter.
Seinen Genossen und Freunden wird Hans Modrow als bescheidener, integrerer und kulturvoller Mensch in Erinnerung bleiben. Hans Modrow wurde am 27. Januar 1928 in einem kleinen Dorf in Vorpommern geboren. Als 17-jähriger wurde er zum Volkssturm eingezogen, dem letzten verzweifelten Versuch des Hitler-Regimes, die unvermeidliche militärische Niederlage im Zweiten Weltkrieg hinauszuzögern. In sowjetischer Gefangenschaft hatte er die Möglichkeit, eine Antifa-Schule zu besuchen. Die Erfahrungen des Krieges und des Nachkrieges prägten ihn und bestimmten sein ganzes weiteres Leben. »Es mag an den eigenen Erlebnissen aus Kindheit und Jugend liegen, wenn uns, die ältere Generation in den Reihen der Partei, die Fragen von Krieg und Frieden so stark bewegen«, erklärte Hans Modrow im Februar 2019 auf dem Parteitag der LINKEN in Bonn.
Nach seiner Rückkehr in die sowjetische Besatzungszone 1949 arbeitete Hans Modrow zunächst in seinem erlernten Beruf als Maschinenschlosser. Er wurde Mitglied der SED und der FDJ und übernahm erste Funktionen.
Hans Modrow nutzte alle Bildungsmöglichkeiten, die sich ihm boten – ein Studium an der Komsomolhochschule in Moskau (1952-1953), ein Fernstudium an der Parteihochschule »Karl Marx« der SED (1954-1957) und ein Fernstudium an der Hochschule für Ökonomie Berlin »Bruno Leuschner« (1959-1961). 1966 wurde er zum Dr. rer. oec. promoviert.
1954 wurde Hans Modrow Mitglied der Bezirksleitung Berlin der SED und1958 Mitglied der Volkskammer. Von 1967 bis1989 war er Mitglied des Zentralkomitees der SED. Von1973 bis 1989 war Hans Modrow als Erster Sekretär der Bezirksleitung der SED in Dresden tätig.
Auch in der Bundesrepublik war man früh auf den jungen Funktionär im anderen deutschen Staat aufmerksam geworden. Seit 1958 wurde er vom Bundesnachrichtendienst und seit 1965 vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz wurde erst 2013 beendet. Noch in seinen letzten Lebenstagen arbeitete Hans Modrow an einem Manuskript, das sich mit dieser Episode der deutschen-deutschen Geschichte befasste. Das Buch wird postum in der edition ost erscheinen.
Nicht nur in den Westmedien galt er ab Mitte der 1980er Jahre als »Hoffnungsträger« und interner Kritiker der Partei- und Staatsführung in der DDR. Er war ein Hoffnungsträger im besten Sinne des Wortes – mit seinem Namen verband sich die Hoffnung auf einen erneuerten Sozialismus in einer erneuerten DDR. Als er im November 1989 das Amt des Ministerpräsidenten der DDR übernahm, sah er sich mit einer Vielzahl nahezu unlösbarer Aufgaben konfrontiert. Doch er stellte sich diesen Aufgaben mit scheinbar unerschöpflicher Energie. Sein größtes Verdienst war es, an entscheidender Stelle dazu beigetragen zu haben, dass der Wendeherbst 1989 unblutig verlief.
Früher als andere erkannte er, dass die DDR trotz aller Bemühungen keine Zukunft hatte. Mit seinem Plan »Für Deutschland, einig Vaterland« enttäuschte er im Februar 1990 viele seiner Genossen, doch er sah sich in der Pflicht, seinen Beitrag dafür zu leisten, dass die Bürger der DDR in einem künftigen vereinten Deutschland gleichberechtigt ihren Platz finden würden.
Der Parteitag der PDS im Februar 1990 wählte ihn zum Ehrenvorsitzenden der Partei, eine Funktion, die er bis zur Gründung der Partei DIE LINKE behielt und die er als Verpflichtung verstand, vor allem mit der Kraft des Wortes Einfluss auf die Geschicke seiner Partei zu nehmen.
Für die PDS wurde Hans Modrow im März 1990 in die Volkskammer gewählt. Mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990 wurde er Mitglied des Bundestages. Von 1999 bis 2004 war er Mitglied des Europäischen Parlaments.
Nicht erst seit dieser Zeit besaß Hans Modrow vielfältige persönliche Kontakte in alle Welt. Diese Kontakte waren ihm außerordentlich wichtig, denn er war von der Notwendigkeit der Verständigung zwischen den Nationen überzeugt. Besonders in Kuba war er stets ein gern gesehener Gast. Doch er hatte auch enge Kontakte nach Japan, Russland, Tschechien, den beiden Koreas und nach China. Überall dort wurde er als Gesprächspartner geschätzt und gewürdigt, was sich nicht zuletzt in der Verleihung von zahlreichen höchsten Auszeichnungen durch seine Gastgeber zeigte, so beispielsweise durch den japanischen Kaiser.
Es gab in der Geschichte der PDS und der Partei DIE LINKE keinen Parteitag, auf dem Hans Modrow nicht das Wort ergriff, als Ehrenvorsitzender oder später als Vorsitzender des Ältestenrates. Er mahnte die Partei immer wieder, die Friedensfrage in den Mittelpunkt ihres Handelns zu stellen. Er sprach von der Verantwortung gegenüber den sozial Schwachen, deren Interessenvertreterin DIE LINKE in erster Linie sein müsse. Er rief auf zum Kampf gegen Faschismus und Neofaschismus. Und er erinnerte immer wieder an die besondere Verpflichtung der PDS und der LINKEN gegenüber dem Osten Deutschlands.
Hans Modrow ist gestorben. Die deutsche und internationale Linke ist ärmer geworden.