Eine bemerkenswerte Frau
Elise Ewert (1886–1939), von ihren Freunden und Genossen liebevoll Sabo genannt, war die Frau an der Seite von Arthur Ewert (1890–1959), der in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren ein wichtiger und zeitweise einflussreicher Spitzenfunk-tionär der KPD und der Kommunistischen Internationale (KI) war. Doch zu keinem Zeitpunkt ihres nur kurzen Lebens konnte Zweifel daran bestehen, dass Sabo eine eigenständige schöpferische Persönlichkeit war, für die die jahrzehntelange enge und vertrauensvolle Partnerschaft stets eine wesentliche Voraussetzung der eigenen Entwicklung war, doch niemals eine Beschränkung.
»Sie waren ein Ehepaar, das untrennbar fürs ganze Leben zusammengehörte«, berichtete Ruth Werner, die Elise und Arthur Ewert Anfang der dreißiger Jahre in China kennengelernt hatte. »Besonders gut besinne ich mich auf Sabo. Ihre Erfahrung als Genossin, ihre Vernunft und ihr trockener Humor beeindruckten mich.« Elise und Arthur Ewert lebten ein intensives und auch reiches Leben, das trotz langer Phasen der räumlichen Trennung und der materiellen Entbehrungen immer wieder von gemeinsam erlebtem Glück gekennzeichnet war. Diese Aussage steht keineswegs im Widerspruch zu dem tragischen Ende, das Elise und Arthur Ewert fanden, denn sie verstanden sich nicht nur als ein Paar, das gemeinsam durch die Höhen und Tiefen des Lebens ging, sondern als Kämpfer für eine gerechte Sache, die es wert war, auch das höchste Opfer zu bringen.
Von 1914 bis 1919 lebten und arbeiteten Elise und Arthur Ewert in Kanada und den USA. Im Spätherbst 1918 gehörten sie zu den Mitbegründern der ersten Kommunistischen Partei Kanadas. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland arbeitete Sabo im Apparat der KPD und – an der Seite von Clara Zetkin – im Berliner Büro der Kommunistischen Fraueninternationale.
Das Jahr 1926 verbrachte sie in Moskau als Mitarbeiterin der Presseabteilung der KI. Im Spätsommer 1927 begleitete Sabo ihren Mann für mehrere Monate in die USA, der dort einen geheimen Auftrag als Repräsentant der KI zu erfüllen hatte. Sie erlebte die erschütternden Reaktionen der US-amerikanischen Arbeiter auf den Justizmord an Sacco und Vanzetti und berichtete darüber nach ihrer Rückkehr in Deutschland.
Arthur Ewert hatte seit Mitte der zwanziger Jahre eng mit Ernst Thälmann zusammengearbeitet. Doch er war nicht bereit, die Politik Thälmanns zu unterstützen, die die KPD in die politische Isolation führte und einen wirksamen Kampf gegen den aufkommenden Faschismus unmöglich machte. Im Herbst 1928 unterlag er in den innerparteilichen Macht- und Richtungskämpfen und musste aus der deutschen Parteiarbeit ausscheiden.
Das hatte auch für Elise Ewert dramatische Konsequenzen: Die folgenden fünf Jahre verbrachten Elise und Arthur Ewert im Auftrag der KI im Ausland. Ihre Missionen führten sie nach Uruguay, in die USA, nach China, Argentinien und schließlich Brasilien. Nach einem gescheiterten Aufstand in Brasilien im November 1935 wurden Elise und Arthur Ewert im Dezember 1935 in Rio de Janeiro verhaftet und bestialisch gefoltert. Gemeinsam mit Olga Benario wurde Sabo im September 1936 an Deutschland ausgeliefert, wo sie mehr als ein Jahr in Gestapo-Haft blieb.
Von Dezember 1937 an war Elise Ewert in den Frauenkonzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück inhaftiert. Im Juli 1939 starb sie, erst 52 Jahre alt, an den Folgen der jahrelangen physischen und psychischen Folter, die sie in Brasilien und Deutschland durchlitten hatte.
Auch im Wissen um das tragische Schicksal Elise Ewerts bereitet es ein gewisses Vergnügen, ihre Aussagen gegenüber der Gestapo zu lesen. Die kluge und weltgewandte Frau gab sich als unbedarftes Hausmütterchen, das von der Tätigkeit des Ehemannes nichts wusste und sich auch nicht dafür interessierte. Immer wieder wurde ihr von der Gestapo deshalb in internen Vermerken bescheinigt, dass sie eine »verknöcherte Kommunistin« und »gefährliche Komintern-Agentin« sei, die keine substantiellen Aussagen machen und »alle nur erdenkbaren Fragen in Bezug auf ihre politische Betätigung im In- und Auslande [… nur] negativ beantworten« würde. Eine Freilassung von Elise Ewert war von der Gestapo zu keinem Zeitpunkt ernsthaft erwogen worden. Sie sollte »auf kaltem Weg erledigt werden«, wie sich Lina Haag, eine kommunistische Mitgefangene im Frauenkonzentrationslager Lichtenburg, erinnerte.
Elise Ewert war sich des Schicksals, das die deutschen Faschisten ihr zugedacht hatten, bewusst. Ungeachtet ihrer Entschlossenheit, auch in der Haft den Geist des Widerstandes und der Rebellion zu bewahren, der ihr ganzes Leben geprägt hatte, gab es auch für Elise Ewert Augenblicke der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit. In einem ihrer letzten Briefe aus dem KZ schrieb sie: »Wieder teilhaben an einem normalen menschlichen Dasein, sich wieder als ein Stück vom Ganzen fühlen, das in allen Lebensfunktionen tätig ist und nicht seine schönsten und erhabensten Empfindungen verdorren lassen müssen – es muss wunderbar sein.«
Ronald Friedmann: Sabo. Das kurze Leben der Elise Ewert. epubli, Berlin 2022, 220 Seiten, 19,90 Euro