Endometriose- Die unsichtbare Krankheit
In Deutschland ist fast jede 10. Frau von Endometriose betroffen. Es ist die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung von Frauen. Doch nur die wenigsten wissen, dass diese ernstzunehmende Krankheit existiert. Dabei müsste jede von uns rein statistisch betrachtet eine Betroffene kennen. In der Politik war Endometriose lange Zeit auch gänzlich unsichtbar.
Was ist Endometriose?
Die Endometriosevereinigung Deutschland e. V. beschreibt Endometriose wie folgt:
Bei Endometriose treten Zysten und Entzündungen (Endometrioseherde) auf, die sich z. B. an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell ansiedeln. In selteneren Fällen kann es auch außerhalb des Bauchraums, z. B. in der Lunge zu Endometriosherden kommen. Ihr Gewebe ähnelt dem der Gebärmutterschleimhaut und die Herde können mit dem hormonellen Zyklus wachsen und bluten. Endometrioseherde können – obwohl sie als gutartig kategorisiert werden – metastasieren und bleibende Schäden an Organen verursachen.
Was sind Symptome für Endometriose?
Endometriose kann im ganzen Körper Schmerzen verursachen. Mal zyklusabhängig, mal völlig diffus und ohne zu erkennende Muster. Die Folge von unbehandelter Endometriose sind chronische Entzündungen, Vernarbungen und Verwachsungen, Blutungen in der Bauchhöhle und oftmals Infertilität. Bei etwa 40 bis 60 % der Frauen, die ungewollt kinderlos bleiben, steckt eine Endometriose dahinter. Schreitet die Endometriose unerkannt voran, wächst sie auch invasiv weiter und verursacht bleibende Schäden zum Beispiel durch Verwachsungen am Darm oder den Eileitern. Endometriose wirkt sich außerdem auch auf den Hormonhaushalt und das Immunsystem aus.
Die Symptome sind also sehr vielfältig. Und grade bei Endometriose gilt: Je schneller die Krankheit erkannt wird, desto besser kann man handeln. Endometriose ist nicht heilbar, es ist eine chronische Erkrankung. Aber ihre Symptome können gemildert werden, die Verbreitung der Endometrioseherde eingeschränkt und Folgen wie Infertilität können verhindert werden. Jedes Jahr erhalten in Deutschland 40.000 Betroffene diese Diagnose. Doch leider vergehen im Durchschnitt 10 Jahre vom ersten Auftreten der Symptome bis zur Diagnose. Dann ist die Krankheit oft schon weit fortgeschritten.
Der lange, lange Weg zur Diagnose. Warum wird Endometriose so spät erkannt?
Diese Frage ist sowohl eine persönliche, als auch eine politische. Um zu verdeutlichen, wie dringend das Thema auf politischer Ebene angegangen werden muss, berichte ich von meinem eigenen langen Weg bis zur Diagnose:
Ich bin seit meinem 13. Lebensjahr an Endometriose erkrankt. Doch damals wusste ich es noch nicht. Als Jugendliche wurde mir beigebracht, dass starke Schmerzen für Frauen normal sind und ich mich nicht so anstellen solle. Auch die Gynäkologin kann mir nicht weiterhelfen und verweist auf Schmerzmittel. Da Endometrioseherde aber oft starke Entzündungen hervorrufen, helfen diese nicht. Jeden Monat bin ich eine Woche richtig krank und habe starke Schmerzen, kann mich kaum bewegen. Die Fehlzeiten in der Schule häufen sich und von Seiten der Schule kommt Druck, andere Mädchen würden deshalb schließlich auch nicht fehlen. Also wird mir ab meinem 13. Lebensjahr die Pille verschrieben, die ich durchnehmen soll, damit meine Menstruation ausbleibt. Das funktioniert zwar, doch bringt die Pille andere Begleiterscheinungen mit sich wie depressive Verstimmungen, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen und Angstzustände. Meine Noten werden zwar parallel zu meiner psychischen Gesundheit deutlich schlechter, aber ich „funktioniere“ wieder ohne Schmerzen.
Trotz Nebenwirkungen nehme ich die Pille 12 Jahre durch. Zu groß ist die Angst vor den Schmerzen. Im Studium habe ich dann genug: Ich setze sie ab. Eine folgenschwere Entscheidung. Die Schmerzen kehren zurück. Diesmal so schlimm, dass ich mehrmals in die Notaufnahme gebracht werden muss, weil ich durch die Schmerzen zusammenbreche und mich nicht mehr bewegen kann. Und damit bin ich nicht alleine: 2020 wurden fast 30.000 Frauen wegen Endometriose im Krankenhaus behandelt. Bei mir erkennt man im Krankenhaus große Zysten an den Eierstöcken. Das sei normal und zyklusabhängig. Nach dem dritten Besuch in der Notaufnahme und mehreren sinnlosen Besuchen bei verschiedenen Gynakölog*innen bringt eine einfache Google-Recherche die Antwort. Ich stoße auf die Seite der Endometriose Vereinigung und erkenne meine Symptome wieder. Ich werde der Vereinigung ewig dankbar sein für die wichtige Aufklärung, die die Medizin nicht leisten konnte. Ein Besuch beim Spezialisten bringt dann auch das Ergebnis: Verdacht auf Endometriose.
Endgültig festgestellt werden kann die Endometriose nur durch einen chirurgischen Eingriff, eine Bauchspiegelung. Dabei kommt raus: Meine Endometriose ist bereits bei Stufe 3. Die Herde waren auf der Gebärmutter, an den Eierstöcken, dem Bauchfell und der Niere. Wäre nicht schnell gehandelt worden, wären meine Eierstöcke „verwuchert“ und ich wäre unfruchtbar geworden. Nach der OP müssen Betroffene wieder eine spezielle Form der Pille nehmen, eine reine Gestagen-Pille. Sonst kommt die Endometriose schnell zurück. Auch wenn das wieder Nebenwirkungen bedeutet, ich war einfach nur dankbar zu wissen, woher die Schmerzen kommen. Die Diagnose bedeutet, dass ich endlich ernst genommen werde. Meine damalige Gynäkologin hat mich nach der Diagnose übrigens gebeten, die Praxis zu wechseln. Sie kenne sich mit Endometriose nicht aus. Heute habe ich eine 20 Monate alte Tochter. Die Schwangerschaft war aufgrund ihrer Vorerkrankung eine Risikoschwangerschaft. Ich hatte vorzeitig in der 34. Schwangerschaftswoche einen Blasensprung und meine Tochter kam 6 Wochen zu früh per Kaiserschnitt auf die Welt, glücklicherweise gesund und munter. Ob das an der Endometriose lag, kann mir keine*r beantworten. Dafür fehlt es an Forschung. Dafür weiß man heute, dass sich auch in Narbengewebe, so auch in der Kaiserschnittnarbe, gerne Endometrioseherde absetzten. Das hat mir im Krankenhaus bei der Entbindung keiner gesagt, obwohl der Befund in meiner Krankenakte hinterlegt ist.
Warum ist schnelles politisches Handeln so wichtig?
Meine Geschichte ist nur eine von vielen und sie zeigt: Die medizinische Forschung ist immer noch stark auf den männlichen Körper als Norm ausgerichtet. Im Schnitt besuchen betroffene Frauen 5 verschiedene Ärtz*innen, bevor sie mit ihren Beschwerden ernst genommen werden.
Für uns als LINKE ist es essentiell, dass in der medizinischen Ausbildung und Forschung endlich auch Genderaspekte eine Rolle spielen und Krankheiten, die vor allem Frauen betreffen, besser erforscht werden. Es ist gut, dass die Ampelregierung laut Koalitionsvertrag Gendermedizin im Medizinstudium verankern will. Bisher ist davon nichts zu sehen.
Von der LINKEN und auch aus der Zivilgesellschaft kommt hier schon seit langer Zeit Druck auf die Regierung. Und vor einigen Wochen gab es auch den ersten kleinen Erfolg zu vermelden:
Zur Erforschung von Endometriose hat die Bundesregierung 5 Mio. € zur Verfügung gestellt.
Inzwischen hat selbst die Union das Thema für sich entdeckt und referierte dazu im Bundestag. Ganz plötzlich nach 16 Jahren Regierungsverantwortung, wovon sie 8 Jahre auch das Gesundheitsministerium führten und nichts im Kampf gegen Endometriose geschehen ist.
Heidi Reichinnek, Sprecherin für Frauen-, Senior*innen-, Kinder- und Jugendpolitik, Fraktion DIE LINKE. im Bundestag fordert bei Ihrer Rede im Bundestag zur Top19 Abstimmung zum Thema Endometriose ganz klar: „Wir müssen Geld in die Hand nehmen und einen nationalen Aktionsplan beschließen!“
Als Beispiel nennt sie die Maßnahmen in Australien. Dort hat sich schon vor Jahren der Gesundheitsminister bei den Betroffenen entschuldigt, weil man sie mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen hat. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages schreibt in seinem Gutachten, dass dort seit Veröffentlichung des Nationalen Aktionsplans ganze 22,5 Mio. Dollar für die Bekämpfung der Krankheit bereitgestellt wurden. Auch Frankreich hat den nationalen Kampf gegen Endometriose eingeläutet und bekannt gegeben, dass ein französisches Unternehmen den ersten Speicheltest zur Erkennung von Endometriose entwickelt hat.
Die deutsche Bundesregierung muss jetzt schnellstmöglich dafür sorgen, dass die 800 € für den Test auch von den Krankenkassen übernommen werden. Ansonsten muss sich weiterhin jede Frau mit Verdacht auf Endometriose einer Operation unterziehen. Das ist unzumutbar!
Nur mit der Linken wird der Kampf gegen Endometriose gelingen
Im Jahr 2022 hat Die Linke den jährlichen Clara-Zetkin-Preis an die Deutsche Endometriose-Vereinigung verliehen. Die Stiftung setzt sich bereits seit 16 Jahren dafür ein, dass Betroffenen geholfen wird.
Was die Regierungen über Jahre verschlafen haben, fängt die Zivilgesellschaft auf. Zusammen mit den medizinischen Fachgesellschaften hat die Stiftung einen Forderungskatalog erstellt, u. a. wollen sie, dass endlich Grundlagenforschung betrieben wird und wir eine nationale Strategie zur Bekämpfung der Endometriose beschließen.
Die Umsetzung der Forderungen kann nur mit einer starken Linken gelingen. Denn nicht nur in den 16 Jahren CDU-Regierung ist nichts passiert, auch mit der Ampel geht es nicht voran. Es gab bisher nur ein Gespräch zwischen Forschungs- und Gesundheitsministerium zum Thema Gender Medizin. So kommen wir nicht weiter. Und wir müssen dringend etwas tun, denn wie Heidi in ihrer starken Rede im Bundestag betont:
„Endometriose ist mit so viel Leid, mit Stigma, mit Schmerzen und mit Ängsten verbunden. Also, schaffen wir gemeinsam Aufmerksamkeit und Bewusstsein! Helfen wir gemeinsam, Tabus abzubauen, und vor allem: Nehmen wir endlich das Geld in die Hand, das wir brauchen.“