Corona trifft die Armen härter
In den ersten Tagen der Corona-Pandemie war ich einkaufen und hab mich gewundert, dass die Regale stellenweise leer waren. Erst zuhause habe ich im Internet etwas von Hamsterkäufen gelesen. Da wurde mir klar, warum es keine Nudeln mehr gab. Dass man plötzlich von Menschen auf der Straße angesprochen wurde, wo man denn Toilettenpapier ergattert habe, hätte ich mir vorher auch nicht vorstellen können.
Plötzlich waren die Schulen zu und das Leben kam zum Erliegen. Wenn man Parterre an einer viel befahrenen Straße wohnt, ist man an Verkehrslärm und Stimmen, die am Fenster vorbeiziehen, gewöhnt. Das gehört zum Alltag. Bleiben die Geräusche aus, entsteht unterbewusst ein Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Man geht ans Fenster, schaut raus und die Straßen sind leer. Es fahren kaum Autos und die Stille ist irgendwie bedrückend. Dafür wird es nach hinten zum Hof hin lauter. Dort spielen Kinder jetzt Fußball. Ein Bekannter ruft mich an und beschwert sich, dass sein Sohn den Computer in Beschlag genommen hat. Ich erkläre ihm, dass er froh sein könne, überhaupt einen Computer zu haben.
Zu viert auf 40 Quadratmetern
Das ist keine hohle Phrase, sondern traurige Realität. Als Hartz IV-Berater traf ich Eltern ohne Computer. Auch in Zeiten von Homeschooling zahlt das Jobcenter nicht für die Anschaffung eines Computers. Der dreisteste “Ratschlag“ eines Jobcenters: Das Kind könne die Hausaufgaben ja mit dem Handy machen.
Die Corona-Beschränkungen treffen die Armen deutlich härter. Am Telefon berate ich eine Familie, die mit vier Personen auf 40 Quadratmetern lebt. Doch kann man das überhaupt “leben“ nennen? Alle sind genervt und es kommt immer wieder zu Streit. Wirklich helfen kann ich nicht. Ich kann ihnen nur erklären, wieviel Miete ihnen vom Jobcenter zusteht und dann noch viel Glück bei der Wohnungssuche wünschen. Ich hätte ihnen genauso gut viel Glück beim Lotto wünschen können, da die Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden, ähnlich hoch ist.
Das Leben wird teurer
Immer häufiger rufen Menschen an und fragen, wie sie vom Jobcenter einen Vorschuss oder ein Darlehen bekommen können, da am Ende vom Geld immer noch so viel Monat übrig ist.
Besonders hart trifft es jene, die vorher zu den Tafeln gegangen sind. In der Corona-Krise machten viele Tafeln dicht. Meine Gedanken kreisen darum, wie ich den Anrufern vermitteln kann, dass ihre Situation nichts damit zu tun hat, dass die Tafeln geschlossen sind. Vielmehr ist der Regelsatz vollkommen unzureichend und die Tafeln mildern diesen Zustand nur etwas ab. Die ersten Gerüchte tauchen auf, dass es einen “Corona Zuschlag“ von 100 Euro geben soll. Vielen macht das Hoffnung, da besonders frisches Obst und Gemüse fast unerschwinglich teuer geworden ist. Um so größer ist die Enttäuschung, als der “Corona Zuschlag“ vom Bundestag abgelehnt wird. Wobei, wirklich helfen würde das auch nicht. Nur die Erhöhung des Regelsatzes auf mindestens 580 Euro würde das Problem halbwegs beseitigen. Der Zuschlag wäre jedoch zumindest eine nette Geste gewesen, um den Menschen, die arm sind, in dieser für sie besonders schweren Zeit wenigstens etwas zu helfen.