Billige Tricks: So wird Hartz IV kleingerechnet
Im kommenden Jahr sollen die Regelsätze für Hartz-IV-Betroffene steigen. Zum 1. Januar 2021 soll die monatliche Zahlung um 14 Euro auf dann 446 Euro angehoben werden, hieß es vor wenigen Tagen aus dem Bundesarbeitsministerium. Noch im August sollte die Anhebung der Regelsätze etwas geringer ausfallen, denn da lagen die Daten der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) noch nicht vor. Denn alle fünf Jahre wird der Regelsatz für die Leistungen der Grundsicherung neu berechnet. Grundlage sind die Datensätze der EVS. Für die EVS werden 60.000 Haushalte im gesamten Bundesgebiet von den Statistikämtern befragt. Einkommen, Schulden und Konsumausgaben werden hier quer durch alle sozialen Schichten akribisch erfasst.
Eigentlich eine gute Grundlage für die Berechnung von Regelsätzen. Doch weil man die Sätze niedrig halten will, wird getrickst. So werden die “nicht relevanten Positionen“ aus dem Regelsatz entfernt. Demnach sind im Regelsatz zum Beispiel keine “Bedarfe“ für Alkohol und Tabak, Schnittblumen oder Tierfutter enthalten. Andere Positionen wurden gekürzt, so z. B. die “Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen“, für die laut EVS rund 24 Euro ermittelt wurden. Im Regelsatz tauchen sie jedoch mit nur rund 8 Euro auf, da man nur den Warenwert berücksichtigt. Erwerbslose sollen halt selber kochen.
Ohne Rechentricks mindestens 657 Euro
Nachdem man akribisch alles heraus- und heruntergerechnet hat, was nicht unmittelbar dem Überleben dient, wird das Ganze noch an die unteren 15 Prozent der Einkommen angepasst. Dabei gibt es in dieser Gruppe viel verdeckte Armut. Fachleute sprechen von einem Zirkelschluss, wenn hier die Daten der Ärmsten herangezogen werden, um die Bedarfe der noch Ärmeren zu berechnen. Die Linksfraktion im Bundestag hat nun nachgerechnet und dabei auf alle Rechentricks verzichtet. DIE LINKEN kommen so auf einen Regelsatz von 657,55 Euro im Monat. „Streng genommen, wären viel höhere Beiträge fachlich geboten. Es geht hier nur um Ausschluss der offensichtlichsten Tricks des BMAS“, heißt es bei der Linksfraktion.
Es wird also sehr große Mühe darauf verwendet, den Anschein von Legalität und Objektivität zu erwecken. Selbst dann, wenn sich das Bundesarbeitsministerium mit seinen Berechnungen hart am Rande der Legalität bzw. der Verfassungsmäßigkeit bewegt. Die Frage, die sich hier aufdrängt: Warum betreibt man einen solchen Aufwand, um den Anschein von Legalität herzustellen? Ganz einfach: Man braucht eine scheinbar gesetzeskonforme Berechnung, um zu verschleiern, dass die Höhe des Regelsatzes politisch motiviert ist. Dass sie politisch motiviert ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits 2014 erkannt. In seinem Urteil zur Regelsatzhöhe ist von einer „politischen Zielvorstellung“ bei der Höhe des Regelsatzes die Rede.
Die Tricks sind politisch motiviert
Welche politische Motivation steckt hinter der Höhe des Regelsatzes? Er muss hoch genug sein, dass niemand verhungert und im Straßenbild auffällt. Er darf jedoch nicht so hoch sein, dass man von ihm leben und nicht nur überleben kann. Auch soll die so viel beschworene “gesellschaftliche Teilhabe“ erschwert bis unmöglich gemacht werden, um die Betroffenen zu isolieren und zu vereinzeln. Das Überleben mit dem Regelsatz soll zudem so viel Kraft kosten, dass die Leistungsberechtigten keine oder kaum Möglichkeiten haben, ihre Situation oder das System Hartz IV zu reflektieren, oder sich sogar politisch zu betätigen. Dies in Verbindung mit der Drohkulisse der Sanktionen und der daraus entstehenden Angst, ist ein weiter Baustein im System des Brechens von Menschen, deren einziges Vergehen darin besteht, keine Erwerbsarbeit zu haben. Denn das System braucht ein Heer von Erwerbslosen, um den Niedriglohnsektor und das damit verbundene Lohndumping aufrecht erhalten zu können.
Es gibt jedoch einen Hoffnungsschimmer, mittlerweile halten 80 Prozent der Bevölkerung den Regelsatz für viel zu niedrig. Somit stellt sich die Regierung bei der Neuberechnung wieder einmal gegen das Gerechtigkeitsempfinden der Mehrheit. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich dies auch bei zukünftigen Wahlen bemerkbar machen wird.