Mietendeckel zündet zweite Stufe
- Gaby Gottwald
- Gaby Gottwald
Der Start ist geglückt; nun wird Stufe zwei gezündet: Neun Monate nach dem Start des Mietendeckels tritt am 23. November die zweite Stufe des Gesetzes in Kraft. Dann sind Vermieter verpflichtet, nach dem Gesetz überhöhte Mieten zu senken. Mitten in der Corona-Krise werden durch diese Regelung mindestens 360.000 Haushalte in Berlin entlastet und viele Millionen Euro von den Immobilienbesitzern zu den Mieterinnen und Mietern umverteilt.
Seit dem 23. Februar gilt in Berlin der Mietendeckel. Mit dem historischen Gesetz aus der links-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ist es seither verboten, Mieten für Wohnraum zu erhöhen. Bei Neuvermietungen gilt die Vormiete, maximal jedoch die in einer Tabelle festgelegte Höchstmiete. Auch die Möglichkeiten, Modernisierungskosten auf die Miete umzulegen, wurden drastisch begrenzt. In der Summe werden Vermietern Möglichkeiten und Anreiz genommen, Mieterinnen und Mieter aus ihrer Wohnung zu verdrängen. Ferner sinken die Angebotsmieten und Wohnungsangebote werden für mehr Menschen bezahlbar.
Widerstand der Immobilienlobby bislang erfolglos
Entsprechend groß ist der Widerstand von Eigentümern und deren Lobby gegen den Mietendeckel. CDU und FDP klagen vor dem Bundesverfassungsgericht; eine Entscheidung wird im zweiten Quartal 2021 erwartet. Private Eigentümer versuchen immer wieder, per Eilantrag die Umsetzung des Mietendeckels bis zur Hauptentscheidung auszusetzen. Zuletzt im Oktober entschied das Bundesverfassungsgericht über einen Eilantrag, der die zweite Stufe des Mietendeckels und damit die Absenkung der Mieten aussetzen sollte. Das Gericht befand, es sei den Klägern nicht gelungen ihr Anliegen ordentlich vorzutragen. Zudem sei nicht ersichtlich, dass Wohnungseigentümer über die Mietabsenkung existenzielle Verluste zu befürchten hätten oder gar der Verfall ihrer Häuser drohe. Wie alle vorherigen, scheiterte auch dieser Eilantrag sang- und klanglos.
Gleichwohl muss auch der Mietendeckel konsequent durchgesetzt werden. Manch Vermieter wird die Miete nicht pflichtgemäß selbstständig senken. Mieterinnen und Mieter sollten sich dann an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wenden. Auf der eigens eingerichteten Homepage kann mit dem Mietendeckelrechner https://mietendeckel.berlin.de/mietendeckelrechner/ die Zulässigkeit der eigenen Miete geprüft und im Falle einer überhöhten Miete die Verwaltung eingeschaltet werden, damit diese dann beim Vermieter vorstellig wird. Besonders renitente Eigentümer müssen dann mit Bußgeldbescheiden rechnen. Die Senatsverwaltung stellte dafür neues Personal ein.
Karlsruhe wird Mietendeckel im Grundsatz stattgeben
Mit der finalen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in der Sache wird im 2. Quartal 2021 gerechnet. Wir gehen davon aus, dass dem Mietendeckel im Grundsatz stattgegeben wird. Sollte der Mietendeckel wider Erwarten kippen, gilt es als unwahrscheinlich, dass die gesparte Miete rückwirkend zu zahlen wäre. Es ist wahrscheinlicher, dass schlimmstenfalls das Gesetz zukünftig für unwirksam erklärt wird. Wer auf Nummer sichergehen will, spart die Mietreduzierung trotzdem an.
Mit dem Mietendeckel ist dem rot-rot-grünen Senat und vor allem der LINKEN Senatorin Katrin Lompscher eine kleine Revolution in der deutschen Wohnungspolitik gelungen. Bisher waren Länder und Kommunen trotz steigender Mieten die Hände gebunden: Regulierend am Markt einzugreifen war unmöglich, denn Mietrecht ist Bundessache. Der Bund verweigert sich jedoch seit jeher, im Sinne der Mieterinnen und Mieter einzugreifen. Mit dem Mietendeckel ist es Berlin gelungen, über die Preisregulierung nach öffentlichem Recht einen Weg im Sinne der Leidtragenden des Mietenwahnsinns zu finden. Spätestens mit einer positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wird der Druck für die anderen Bundesländer immens sein, ihre Mieterinnen und Mieter in ähnlicher Weise zu schützen – und sie werden sich dieser Verantwortung nicht mehr entziehen können.
Berlin wird durch den Mietendeckel zur ersten prosperierenden Metropole, in der die Mieten sinken. Je mehr Menschen ab dem 23.11. die Möglichkeit wahrnehmen, ihre Miete abzusenken, desto größer wird der Effekt auf das allgemeine Mietniveau. Den Mietendeckel gäbe es ohne die Bewegung rebellischer Mieterinnen und Mieter nicht, jetzt können sie ihm Flügel verleihen. Getreu unserem Motto: »erst deckeln, dann enteignen« steht die nächste Aufgabe bereits an.
Gaby Gottwald ist Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und sitzt dort im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen.