Eine Geburt im Gefängnis
Jenny liebt Bolle, mit dem sie ein Kind erwartet _ aber vor allem lieben es die beiden, sich mit Chrystal Meth zu betäuben. Bolle ist nicht recht glücklich mit seiner Existenz als Handwerker, Jenny ist schon mit ihrem ersten Kind überfordert. Dann tritt die Hebamme Marla – selbst alleinerziehende Mutter – in Jennys Leben. Die Beziehung der beiden Frauen wird auch die Beziehung Jennys zu sich selbst verändern. Zum Positiven. Aber da wartet auch noch eine Haftstrafe wegen Diebstahls auf die junge Mutter. Jenny wird ihr Kind aller Voraussicht nach im Knast zur Welt bringen. Jugendamt, Sozialbehördengänge; und immer wieder – Koksen, Rauchen trotz Schwangerschaft – Rückfälle. Präzise wird ein trostloses Umfeld ausgeleuchtet und die helfenden Hände nicht vergessen: Vieles, was bei Jenny nicht klappt, fängt ihre sorgende Mutter ab. Weder sie noch der Film geben Jenny aber jemals verloren.
Die junge Regisseurin Chiara Fleischhacker verwendet für ihren ersten Spielfilm ein eigenes Skript, zwei Jahre hat sie in Beratungsstellen, bei jungen Müttern und in Gefängnissen recherchiert, hat sich von weiblichen Häftlingen beraten lassen. Mit Emma Nova als Jenny hat sie eine kongeniale Partnerin und auch mit Paul Wollin einen tollen und überzeugenden Schauspieler vor der Kamera – der die Filmemacherin viel Freiheit lässt.
Angesiedelt ist die Geschichte in den Randsiedlungen Erfurts, wo Fleischhacker zur Schule gegangen ist. „Vena“, benannt nach der Geburtsvene, ist ein optischer und inhaltlicher Explosivstoff, auch technisch überzeugend. Vielleicht, weil dieses Meisterinnenstück auch viel mit der Situation der Filmemacherin zu tun hat, die ebenfalls alleinerziehende Mutter eines kleinen Kindes ist.
Die Bilder ihres Films sollen einen Realismus erschaffen, „der die raue Schönheit, aber auch die Herausforderungen zeigt“, die die Situation rund um die Geburt mit sich bringt. Mit ihrem kompromisslosen Stil, der optischen Wucht der Körperarbeit ihrer Darsteller*innen, ihrer Arbeitsweise mit Betroffenen und Beratungsstellen spielt sie mit Abhängigen-Klassikern wie etwa „Rückfälle“ von Peter Beauvais mit Günter Lamprecht in der Hauptrolle in einer Liga. Von Fleischhacker wird sicher noch einiges zu hören und zu sehen sein.
„Vena“. D 2024. Regie: Chiara Fleischhacker. Mit Emma Nova, Paul Wollin. Kinostart: 28. November 2024