Die Zukunft von Loitz

Während sich deutsche Städte teuer, voll und wahlweise verkommen und/oder gentrifiziert präsentieren, wird es auf dem Land still. Die Jugend studiert woanders was mit Studium, die Siedlungen leeren sich – je weiter von den urbanen Zentren entfernt, desto mehr.

Nicht viel anders erging es der Kleinstadt Loitz jahrelang, im Nirgendwo Vorpommerns gelegen. Zu DDR-Zeiten ein florierender Flecken, mehrten sich seit der Wende die Brachflächen. Fabriken, Werkstätten, Wohnhäuser – der Verfall machte sich breit; es boomte allein der Hang zu rechten Parteien.

Regisseur Paul Raatz hat nun dort seinen Film „Unendlicher Raum“ gedreht. Eine Dokumentation, mit der er zeigen will, wie es anders geht. Ein Zukunftsprojekt soll sich dem Stadtsterben in den Weg stellen. Im Zentrum steht das Berliner Pärchen Annika und Rolando. Die beiden wollen gemeinsam mit den Anwohnern innerhalb eines Jahres einen Raum für Begegnungen schaffen. Unterstützung bekommen sie von einer Gruppe Musikern aus der Region. Alle zusammen wollen sie beweisen, dass der Leerstand eine Chance für die Kunst, und damit für die Gesellschaft ist. Dafür planen sie, ein großes Festival auf die Beine zu stellen.

Wie schwierig das ist, lässt sich Raatz nicht nehmen darzustellen. Negative Gruppendynamiken, Stadt-Land-Missverständnisse und das Hadern mit der Verwaltung: Die Kamera ist bei allen Prozessen dabei, die nach vorn und nach hinten weisen.

Unterm Strich passiert aber was. Die Wirkungsstätte eines Musikkünstlers wird zur festen Institution und kulturellen Anlaufstelle; ein Schlagersänger, der Lieder über Liebe und Sehnsucht schreibt, hat sich mit seinem Studio angesiedelt; Jugendliche richten sich ein eigenes Zentrum ein. Selbst Menschen, die vor langer Zeit weggezogen sind, schauen vorbei und wundern sich über die Entwicklung. „Mein Bruder wohnt in Berlin. Wenn er hier ist, schläft er bis elf, die Luft ist einfach besser“, berichtet ein Loitzer.

Ein Zitat, das Regisseur Raatz, gebürtiger Stralsunder, auf sich selbst beziehen kann. Der sagt: „Ich bin ein Stadtmensch, der jahrelang Vorurteile gegenüber dem ländlichen Raum hatte. Darum war „Unendlicher Raum“ für mich immer eine Erkenntnisreise. Längst überfällig ist es, dass diese verborgenen Leben Vorpommerns sich auf der großen Leinwand repräsentiert sehen und, noch viel wichtiger, von anderen gesehen werden“ – Zuhausegefühl ohne heile Welt, aber mit Sehnsucht nach Geborgenheit.

Fazit: Heimatfilm mal anders.

„Unendlicher Raum“. D 2024. Regie: Paul Raatz. Kinostart: 17. Oktober 2024

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