Goldgrube
Einen überaus flotten Dokumentarfilm hat Regisseur Rubén Abruña mit „Holy Shit“ herausgebracht. Der Stoff ist im wahrsten Sinne warm: Es geht um menschliche Fäkalien und ihre mögliche und praktische Verwendung bei der Nahrungsmittel- bzw. Stromproduktion. Die Kläranlagen, so Abruña und die von ihm befragten Experten rund um den Globus, seien mit Exkrementen heutzutage reichlich überfordert. Der Trick: Wasserklosetts abschaffen, Trockentoiletten einführen.
Biologische Rückstände werden heute in die Flüsse und Meere gespült, wo sie für fleißig Algenwachstum und Schwermetallablagerungen sorgen. Die Folge: immer mehr Todeszonen in den Ozeanen, in denen gar nichts mehr lebt.
Das Zeug sammeln, Sägespäne drauf und kompostieren ist hingegen der Clou. Innerhalb von vier Wochen wird mit reichlich Einsatz hart arbeitender Regenwürmer hervorragender Humus produziert, der sich auf den Feldern gut macht. Oder man düngt gleich die Felder mit dem Menschenkot. Schadstoffe sind auf diese Weise Fehlanzeige.
Abruña porträtiert die „Poop Pirates“ in Uganda, die mit ihrer Aufklärungsarbeit („So macht ihr aus Scheiße Gold“) den Menschen beibringen, wie sie Fäkalien in Dünger verwandeln. Das mache aus der Klotonne eine Goldgrube – und Afrika zum Zentrum des Getreideanbaus, da sind sich die Piraten sicher.
Im ländlichen Schweden besucht der Filmemacher jenen Ingenieur, der schon vor Jahrzehnten die Trockentoilette erfand, die aus Urin Dünger herstellt. Sie ist zumindest auf einigen Autobahnraststätten im Einsatz. In Hamburg und Genf erklären ihm die Genossen kommunaler Wohngruppen ihre dezentralen Kläranlagen, die autonom und ohne Anschluss an die Kanalisation arbeiten und Strom für die Heizung liefern.
„Holy Shit“ ist eine abwechslungsreiche, informative und manchmal vielleicht auch eine euphorische Umwelterzählung. Und im Wesen grundsätzlich revolutionär: Die Interviewpartner erklären durchaus öfters, wie sie mit den Interessen der Manager herkömmlicher Abwasserentsorgung zu kämpfen haben – oder sogar aus Forschungseinrichtungen geflogen sind.
Beim diesjährigen NaturfilmFestival machte „Holy Shit“ sowohl den ersten Platz für den besten Film als auch die Publikumsauszeichnung klar. Aus der Jury-Begründung: „Man ahnt, wie viel Zeit in die Recherche geflossen ist. Wie schmal der Grat war, zwischen dem heiteren Ton, den der Film gefunden hat – und billigen Witzchen, die sich anböten. Aber das allein ist es nicht. Es sind auch die Menschen, denen wir begegnen, die den Film so unfassbar gut machen. Männer und Frauen, die mutig und frei von Konventionen forschen und handeln.“
Sie eine die Vision, aus vermeintlichem Dreck das Beste an und für die Erde herauszuholen. Ihre Begeisterung steckt an.
„Holy Shit“. D 2023. Regie: Rubén Abruña. Kinostart: 30. November 2023. Zu dem Film gibt es ein sehr schönes und ausführliches Begleitbuch von Annette Jensen: „Holy Shit. Der Wert unserer Hinterlassenschaften. Mit einer Erzählung aus der Zukunft von Sina Kamala Kaufmann, 240 S., Orange Press, Berlin 2024, 20 Euro