Ein langwieriger Weg

Vorsitzender der MSP, Dr. Michael Jeyakumar Devaraj spricht bei einer Demonstration zur Nahrungsmittelsicherheit zu einer Gruppe von NGO-Aktivisten vor dem malaysischen Parlament.

Die Parti Sosyalis Malaysia (Sozialistische Partei Malaysias - PSM) hat kürzlich ihren 24. Parteitag abgehalten, den ersten seit Beginn der Pandemie. Es war ein erfrischender Parteitag, an dem viele junge Menschen teilnahmen. Das lässt hoffen, dass die sozialistische Ideologie nicht veraltet ist, sondern sich unter der Jugend ausbreitet. Außerdem sind 11 der 16 Mitglieder des neuen Zentralkomitees Frauen. Damit ist die PSM heute die erste und einzige politische Partei in Malaysia, deren Führungsspitze zu zwei Dritteln aus Frauen besteht.

Die Diskussion über die Wahlen und Koalitionspolitik war jedoch seltsam. Seit die PSM bei der letzten Wahl alle Sitze im Parlament verloren hat, macht sich in der Partei die Meinung breit, dass die PSM auf Biegen und Brechen mit einer Koalition zusammenarbeiten muss, da in der malaysischen Politik keine Partei im Alleingang einen Wahlsieg erringen könne. Andererseits gaben die Mitglieder bei einer parteiinternen Diskussion zu den Wahlen ihrer Parteiführung lediglich den Auftrag, nur mit einigen Oppositionsparteien zu verhandeln. Es wurde betont, die Partei müsse sich auch in der Koalitionspolitik von Prinzipien leiten lassen.

Einst war die Linke die größte Opposition im Parlament

In Malaysia war die Linke einst die größte Oppositionspartei im Parlament. Doch nach dem Ausnahmezustand von 1969 und nach der Neuen Wirtschaftspolitik (NEP)1 hat sich vieles drastisch geändert. Heute werden die linken Kräfte gelegentlich als "verbrauchte Kraft" verspottet. Auch die Politik hat sich von einer klassenbasierten zu einer kommunalen Politik gewandelt.

Im Januar 2020 unterzog sich die PSM einer Gewissensprüfung, um ihre Rolle in der malaysischen Politik strategisch zu überdenken und Ziele zu setzen, die die glorreichen Tage der Linken zurückbringen sollen. Wie Dr. Jeyakumar2 in seiner Eröffnungsrede auf dem Parteitag erklärte, solle die PSM keineswegs als Schaufensterdekoration in der malaysischen Politik auftreten. Vielmehr wollen wir einer der Hauptakteure in der malaysischen Politik werden.

Vor zwei Jahren wurde der Deklarasi Trolak angenommen, ein 10-Jahres-Plan, mit dem dieses Ziel erreicht werden soll. Der Plan umfasst die Umstrukturierung des Parteiapparats sowie die Schaffung wirksamer Mechanismen für den Aufbau von Parteikapazitäten in naher Zukunft. Klimanotstand, Kommunalwahlen, Gesundheitsversorgung, Wohnungsbau und Armutsbekämpfung gehören zu den Kernthemen der Partei. Die PSM möchte mit den Oppositionsparteien eine Verständigung über diese Themen erreichen. Doch die politischen Parteien scheinen just an diesen Themen nicht interessiert zu sein. Sie werden in der Regel von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGO) aufgegriffen. Wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zu ihnen und arbeiteten in der Vergangenheit zusammen. Darüber hinaus hat die Partei viele marhaen3- basierte Koalitionen zu sektoralen Themen aufgebaut.

Gute Zusammenarbeit mit den NGOs

Viele gesellschaftliche Gruppen arbeiten eng mit der PSM zusammen und die meisten von ihnen sehen in uns die einzige Hoffnung für eine bessere Politik in Malaysia. Darüber hinaus verfügt die Partei über einen großen Pool von Aktivisten, die in verschiedenen NGOs aktiv sind. Wenn es um Themen wie z. B. Klimakrise, Ernährungssicherheit, Landstreitigkeiten, LGBTQIA+, Rechte von Migranten und vieles mehr geht, sind wir zum Leuchtfeuer der Hoffnung geworden.

Viele dieser Themen werden in der Regel von den etablierten politischen Parteien nicht aufgegriffen. Das ist bedauerlich, denn die Einbeziehung von Aktivisten aus den sozialen Bewegungen gehört zur Wahlkampfstrategie der etablierten Parteien.

Die PSM stand schon einmal vor einem ähnlichen Problem. Während sie um ihre Zulassung kämpfte - was sage und schreibe 10 Jahre dauerte - wurden ihre Aktivisten als Einzelpersonen eingeladen, bestehenden Oppositionsparteien beizutreten. Ihnen wurden Sitze und Positionen angeboten.  Aufgrund unserer Prinzipien, unserer Loyalität zu unserer Partei und der unbestreitbaren ideologischen Unterschiede lehnten die meisten die angebotenen Posten ab. Stattdessen schlugen wir vor, unter ihrem Logo zur Wahl anzutreten - aber Mitglieder der PSM zu bleiben. Da die Demokratische Aktionspartei (DAP)4 dies im Jahr 2004 ablehnte, traten wir schließlich mit einer ähnlichen Vereinbarung unter dem Dach der Gerechtigkeitspartei des Volkes (PKR)5 an. Wann immer es um Kandidaturen geht, nehmen andere Parteien lieber unsere Mitglieder in ihre Reihen auf, als mit unserer Partei in eine Koalition einzugehen.

Auch wenn es in der Öffentlichkeit immer den Wunsch geben wird, dass sich die PSM der Opposition anschließt - was wir in der Vergangenheit unter Vorbehalt getan haben -, können wir, ohne angemessene Vorbereitung und ohne grundlegende politische Vereinbarungen, keiner Koalition beitreten.

Wunsch nach klare Politik

Das Wahlprogramm der Pakatan Harapan6 (PH) in 2018 war fortschrittlich. Aber der Schock kam nach der Wahl, als der damalige Premierminister Dr. Mahathir Mohamad sagte, die Versprechen seien in der Annahme gemacht worden, dass sie nicht umzusetzen wären.

Historisch gesehen basieren politische Koalitionen auf dem Konzept "der Feind meines Feindes ist mein Freund", was noch nie reibungslos funktioniert hat. Wir wurden Zeugen davon, wie viele politische Koalitionen scheiterten, weil sie in zentralen Fragen keinen Konsens gefunden haben. Oppositionelle Parteien unterscheiden sich stark bei Themen wie dem islamischen Religionsstaat und Hudud7. Es ist sinnlos, eine Koalition einzugehen, wenn es keinen Konsens über kritische Kernfragen gibt.

Daher ist die PSM nur dann bereit, Koalitionen beizutreten, wenn einige dieser Schlüsselfragen diskutiert und gelöst werden können. Gegenwärtig gibt es nur Gespräche darüber, wer der nächste Kandidat zum Amt des Premierministers sein wird und nicht einmal an diesem Punkt kann die PH eine Einigung mit anderen größeren Koalitionen erzielen. Daher scheint ein Sieg der Barisan Nasional (BN)8 im Moment leider unausweichlich.

Wie lange muss die Bevölkerung all die kleinlichen politischen Machtspiele mitansehen, während sie ständig Preiserhöhungen sowie den Härten des Lebens ausgesetzt ist?

Die PSM wird daher eine Partnerschaft mit anderen Parteien suchen müssen. Es steht aber außer Frage, dass das Eingehen einer Scheinkoalition der Partei nicht nützt und nicht nachhaltig sein kann. Ob es uns nun gefällt oder nicht, wir müssen eine stabile Koalition mit einer klaren Politik aufbauen. Dieser Weg wird langwierig, er ist aber zweifellos der richtige.

 

1Gleich nach der Wahl, aus der die Opposition gestärkt hervorging, fanden am 13. Mai 1969 in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur blutige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen statt. Hunderte Menschen verloren ihr Leben – die meisten ethnische Chinesen. Als Reaktion darauf führte die konservativ-nationalistische Regierung die sogenannte Neue Wirtschaftspolitik ein, die den bevorzugten Zugang der Malayen zu wirtschaftlichen Ressourcen und staatlichen Posten vorsah. Für die Ausschreitungen wurden vor allem Sozialisten verantwortlich gemacht.

2 Dr. Jeyakumar Devaraj ist Vorsitzender der PSM und genießt wegen seines Einsatzes als Arzt in abgelegenen Regionen Malaysias im ganzen Land hohes Ansehen. Nachdem er 1999 ins Parlament gewählt wurde, wurden ihm im Jahr 2011, „kommunistische Umtriebe“ vorgeworfen. Er und sechs weitere PSM-Aktivisten wurden für 28 Tage in Isolationshaft genommen und kamen nur frei, weil die öffentliche Aufregung für die damalige Regierung in Kuala Lumpur zu groß wurde.

3 Marhaen war der Name eines armen Bauers, den Sukarno, der Gründer Indonesiens, als Symbol für arbeitende Menschen, für Bauern und Arbeiter benutzte. Es entstand die Ideologie des Marhaenismus – eine Art „Marxismus indonesischer Prägung“.

4Eine sozialdemokratische Partei, die von ethnischen Chinesen dominiert wird.

5 Eine liberaldemokratische Partei, die von ethnischen Malayen dominiert wird.

6Allianz der Hoffnung. Eine politische Koalition von mitte-rechts- und mitte-links-Parteien. Dieser Koalition ist es im Jahr 2018 gelungen, die 60-jährige Herrschaft der konservativen Barisan Nasional zu beenden. Doch zwei Jahre später ist die Koalition auseinandergefallen, weil einige Abgeordnete die Seiten wechselten. Sie verlor die Macht.

7 Laut Verfassung ist Malaysia ein säkularer Staat. Gleichzeitig legt jedoch die Verfassung den Islam als die Religion der Föderation fest. Konservative malaiische Parteien, vor allem die islamistisch-faschistoide PAS (Pan-Malaysische Islamische Partei) streben einen rein islamischen Staat an. Das Hudud-Gesetz steht im Mittelpunkt dieser Diskussionen. Gemäß Hudud gilt für Muslime in Malaysia die Scharia. Da jedoch alle Malayen qua Geburt als Muslime betrachtet werden und PAS in den Gebieten, die sie kontrolliert, die Scharia für alle Bürger:innen anwenden möchte, ist Hudud eines der ständigen Streitpunkte der malaysischen Politik.

Die Nationale Front ist eine konservative Koalition aller ethnischen Gruppen in Malaysia.