Nachruf

Axel Troost - ein unermüdlicher Streiter für eine bessere Welt.

Am 11. Dezember erhielt ich eine letzte Mail mit Axels legendärem Newsletter. Sie endete mit den Worten: „Herzliche Grüße aus dem Krankenhaus in Leipzig!“ Mit unverbesserlichem Optimismus lud er mit gleicher Mail zur Zoom-Konferenz des „wirtschafts- und finanzpolitischen Gesprächskreis bei der LINKEN“ am 14. Dezember ein. Wenige Tage später die schockierende Mitteilung, Axel liege im Koma und es stehe sehr schlecht um ihn. Am 6. Januar starb Axel nach kurzer, schwerer Krankheit.

Noch aus dem Krankenbett zum finanz- und wirtschaftspolitischen Gesprächskreis einzuladen – das war typisch Axel. Denn die wirtschaftspolitische Kompetenz in der LINKEN zu stärken, war ihm ein Herzensanliegen. Wie oft sagte er zu mir: „Wir brauchen eine wirtschaftspolitische Alphabetisierung in der LINKEN“. Ein Satz, der manchen vielleicht arrogant klingen mag. Aber Axel war alles andere als arrogant – er war ein aufmerksamer Zuhörer, konnte mit Geduld ökonomische Zusammenhänge erklären und war offen für Gegenargumente und neue Gedanken. Aber immer ging es ihm um eines: Eine linke Partei und ihre Mitgliedschaft muss Funktionsweise und Gesetze einer kapitalistischen Marktwirtschaft verstehen, um sie verändern und überwinden zu können. Die leichtfertig dahingesagte Parole war ihm zuwider, die konkrete Arbeit an den Widersprüchen der kapitalistischen Produktionsweise war seine Sache.

Über 40 Jahre arbeitete er in der Memogruppe, die mit ihrem jährlichen Memorandum wirtschaftspolitische Alternativen zum neoliberalen Mainstream formuliert. 2004 entschied er sich angesichts des Angriffs auf den Sozialstaat durch die Harz-Gesetze aktiv in die Parteipolitik einzugreifen, trat der neugegründeten WASG bei und war Gründungsmitglied der LINKEN. Von 2012 bis 2020 war er stellvertretender Parteivorsitzender, von 2005 bis 2017 und 2021 nochmals für kurze Zeit als Nachrücker Mitglied des Bundestags und finanzpolitischer Sprecher. Axel prägte DIE LINKE entscheidend mit.

Axel war im besten Sinne des Wortes politischer Ökonom. Wissenschaft war ihm Handwerkszeug für politisches Eingreifen. So engagierte er sich intensiv bei der Entwicklung strukturpolitischer Konzepte für die Lausitz für die Zeit nach der Braunkohle. Und angesichts der Eurokrise reichte es Axel nicht, die ökonomischen Ungleichgewichte in der Eurozone zu kritisieren. Er begann auch gemeinsam mit anderen an industriepolitischen Vorschlägen für Europa zu arbeiten und mit linken Kräften in Europa zu diskutieren.

Internationalismus war für Axel mehr als ein Bekenntnis. Als Syriza in Griechenland die Regierung übernahm, nahm Axel sofort Kontakt auf, machte Veranstaltungen in Griechenland und organisierte Solidarität in Deutschland. Er tausche sich eng mit dem damaligen Finanzminister Tsakalotos und dem stellvertretenden Premier Dragasakis aus. Als viele Linke nach der anfänglichen Griechenlandeuphorie vom „Verrat“ nach der Niederlage Syrizas angesichts der Erpressung durch die Troika sprachen, stimmte Axel nicht in diesen Chor ein. Er sah seine Aufgabe darin, zu vermitteln, welche sozialpolitischen Maßnahmen die Linksregierung trotz der extrem schwierigen Rahmenbedingungen umzusetzen versuchte. Vielleicht war Axel an der einen oder anderen Stelle dabei zu apologetisch – er hatte aber allemal mehr recht, als alle Vertreter der Verratstheorie, die von den realen Problemen nur wenig wissen wollten.

Axel war auch ein Netzwerker. Als viele nach der Niederlage von Syriza über einen „linken Grexit“, einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone nachdachten, ergriff er wiederum die Initiative für einen parteiübergreifenden Diskussionsprozess. Wir veröffentlichten eine viel diskutiere Flugschrift „Europa geht auch solidarisch“ u.a. gemeinsam mit Frank Bsirske, Klaus Busch, Mechthild Schrooten,  Joachim Bischoff und Gesine Schwan. Gewerkschafter, linke Sozialdemokraten, Grüne und Ökonomen zusammenzubringen, war Axel immer ein Anliegen. So auch im wirtschaftspolitischen Gesprächskreis bei der Rosa Luxemburg-Stiftung und als Vorstandsmitglied der Initiative solidarische Moderne. Konzepte „links von der Mitte“ zu entwickeln und Menschen für dieses Ziel zusammenzubringen – dafür stand Axel.

Seine Stimme ist nun für immer verstummt. Seinen Humor, seine Freundlichkeit werden wir vermissen. Und einen unermüdlichen Streiter für eine bessere Welt. In all den Jahren der gemeinsamen Arbeit entwickelte sich eine Freundschaft zwischen uns. Axel wird mir fehlen.