Erntewechsel
Mit ihrem Drama „Alcarràs“ über eine spanische Familie, die sich im Kampf mit der Energietransformation befindet, gewann Carla Simón den diesjährigen Goldenen Bären auf der Berlinale.
Früher ging alles per Handschlag: Großgrundbesitzer Pinyol hat Familie Solé im nordspanischen Alcarràs für immer gestattet, auf seinem Pachtgrund Pfirsiche anzubauen und zu ernten, als Dank für Großvaters Hilfe im spanischen Bürgerkrieg – wie immer die aussah. Nun kommt Pinyols Enkel und will von Abmachungen nichts mehr wissen. Er hat vor, eine Solar-Panel-Farm auf dem Grundstück einrichten. Die alten Bäume - sollen weg. Pfirsiche will eh keiner mehr.
Quimet, das Familienoberhaupt der Solés, will sich das nicht gefallen lassen. Auf das Angebot, Solar-Hausmeister zu werden – warum nicht Sonne ernten? -, pfeift er laut und vernehmlich („Verpiss dich hier!“).
Regisseurin Carla Simón, die mit einer Garde Laiendarsteller aus der Region das Schicksal der Solés inszeniert, steht da ganz auf seiner Seite und präsentiert in ihrem Spielfilm „Alcarràs“ das pralle Leben einer spanischen Bauernfamilie: Schuften, bis es dunkel wird, tolle, spielende Kinder, unzufriedene Jugendliche, die zwischen den Pfirsichen ihre Hanfplantage züchten.
Es bricht eine neue Zeit an - und der Kampf mit der alten war der diesjährigen Berlinale-Jury den Hauptpreis des Goldenen Bären wert. Jury-Präsident M. Night Shyamalan attestierte dem Film herausragende Darstellungen und die Fähigkeit, „die Zärtlichkeit und Komödie einer Familie ebenso zu zeigen wie ihre Kämpfe“.
Richtig geübt sind die Darsteller aufgrund mangelnder Schauspielerfahrung nicht, es fehlt ein wenig die Identifikation mit den Figuren in dieser epischen Auseinandersetzung zwischen altem ruralen Kapitalismus und dem neuen grünen – da könnte man sich die Auseinandersetzungen durchaus weniger geruhsam vorstellen als das bisschen Gemotze Quimets mit dem Landbesitzer.
Immerhin gelingt es den Darstellern sozusagen im Vorbeigehen, das intakte und herzliche Zusammenleben eines Familienclans abzubilden – ohne sich je vorher gesehen zu haben.
Das Thema ist dennoch topaktuell und insofern zu Recht im Kino.
„Alcarràs – Die letzte Ernte“. ITA/ESP 2022. Regie: Carla Simón, Darsteller: Jordi Pujol Dolcet, Anna Otin. Derzeit in den Kinos.