Kinotipp

Der laute Frühling

Johanna Schellhagen spekuliert in ihrem Film auf kommende Aufstände.

„Wir haben der Erde Schaden zugefügt. Das Klima ändert sich jetzt schon.“ Marcela Méndez Hernández von der Indigenen Bewegung in Mexiko weiß, wie sich Kapitalismus anfühlt. „Mehr Pipelines, mehr Öl“, fasst sie ihre Erfahrungen mit der Systematik des Wachstums zusammen.

Die Jobbeschreibung des Kapitalismus sei es nun mal zu expandieren, heißt es in Johanna Schellhagens einstündigem Dokumentarfilm „Der laute Frühling“. Sie hat die Stimmen derjenigen rund um die Welt gesammelt, die sich mit Umweltzerstörung beschäftigen, dagegen protestieren, wie Hernández aktiv werden.

Dabei schlägt sie einen Bogen zur Arbeitswelt. Schellhagen hat rund 20 Jahre mit der Kamera Arbeitskämpfe begleitet und erlebt, wie rücksichtslos Konzerne für die Interessen ihrer Eigner vorgehen, wenn es um Profite geht. Beim Thema Klima sieht sie dieselben Mechanismen am Werk. Ihre Schlussfolgerung: Die Klimabewegung kann nur erfolgreich sein, wenn sie sich mit der Arbeiterbewegung kurzschließt. Denn wer in der Produktion arbeite, könne auch ihre Mechanismen beeinflussen und auch auf die Art der Produkte einwirken.

Zu Wort kommen folglich Aktivisten von „Ende Gelände“ und Fridays for Future, die sich gegen fossile Energien wenden, aber auch Mitarbeiter von Amazon und aus Krankenhäusern. Daneben erfahren wir von Ökonomen und Ökologinnen einiges über die Funktionsweise der Wirtschaft, welchen Schaden und Nutzen sie anrichtet und was sich verbessern bzw. am besten abschaffen ließe.

Mit der Verbindung zwischen Kämpfen um die Arbeit und ums Klima konnten Aktivisten in manchen Ländern ausgiebig Erfahrungen machen, wie zum Beispiel Marco aus Argentinien: Öl- und andere Konzerne richten in ihrem Expansionsdrang solche Verwüstungen an, dass ganze Landstriche unbewohnbar werden. Wer sich dagegen auflehne, sagt Marco - und das habe er selbst erlebt -, werde massiv bedroht, wenn nicht angegriffen oder gar getötet, wie einige seiner Mitstreiter. Er musste fliehen. Abstecher zu den Revolten der letzten zehn Jahre und den damit gemachten Erfahrungen – zum Beispiel im Arabischen Frühling – runden das Bild ab.

Im zweiten Teil ihres Films entwirft Schellhagen ein hypothetisches Revolutions-Szenario im Stil einer graphic novel. Arbeiter haben Fabriken wie auch Investitionsruinen besetzt und zu Wohnraum umgebaut. Räte tagen; debattiert wird, welche Art des Wirtschaftens sinnvoll ist, welche Produkte wirklich gebraucht werden und wie man mit dem wichtigsten Wirtschaftszweig, der Landwirtschaft, umgeht. „Alle sollen nur drei Stunden arbeiten“, wie es ein Landarbeiter formuliert.

Vergesellschaftung ist hier der key. Dies sei ein Film über Leute, die den Kapitalismus loswerden wollen, auch wenn nicht immer klar sei, was stattdessen funktioniert, sagt Schellhagen. „Der Rest ist Organisation. Die Atmosphäre ist schön und festlich.“ Die Welt eine große Volxküche – so wird’s gemacht!

DER LAUTE FRÜHLING | Trailer deutsch german [HD]
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Ein flotter engagierter Film voller Leute, die sich einem Gesellschaftsbild widersetzen, das „die eigene Ausrottung per Wachstumsideologie impliziert“.

„Der laute Frühling“. D 2022. Regie: Johanna Schellhagen. Kinostart: 4. August 2022