"Das ganze Leben ist zu teuer geworden."
Mit diesem Satz begann der Bericht einer Seniorin, die mit einer kleinen Rente ihren Ruhestand bestreiten muss. „Das Soziale schwindet, das Leben wird immer härter“, setzte sie fort. Ort des Geschehens: Der Seehäuser Wochenmarkt auf dem Postplatz am vergangenen Dienstag. „seehausen links“ stellte den Marktbesuchern und Standbetreibern die Frage: „Alles wird teurer-was muss sich ändern im Land?“ Als Blickfang stand auf der Platzmitte ein Supermarkt-Einkaufswagen, dekoriert mit Zahlen und Fakten zur aktuellen Lage. Daneben eine Tafel, auf der die Umfrage-Ergebnisse fortlaufend dokumentiert wurden. Zwei Stunden lang bereicherten intensive und zahlreiche Diskussionen den üblichen Markt-Vormittag. Zwei Eigenheim-Besitzer wollten in Photovoltaik investieren, um die Energiekosten zu senken. „Aber wir Mieter sind den großen Energiekonzernen ausgeliefert“, meinte ein anderer. Immer wieder wurde der Zorn auf jene Konzerne laut, die sich in der Krise die Taschen füllen und zum Beispiel den Tankrabatt nicht an die Verbraucher weitergeben. Wut auch auf solche Unternehmen, die die Preise erhöhen ohne von den Folgen des Ukraine-Krieges betroffen zu sein.
Große Sorge wurden deutlich, dass die Preise weiter steigen und dass die kommenden Rechnungen der Energieversorger nicht zu bezahlen sind. Strom- und Gassperren müssen verboten werden, hieß es. „Warum gibt es in Sachsen-Anhalt keine Ermäßigungen für Rentner und Hartz-IV-Bezieher bei Nutzung von Schwimmbädern und anderen öffentlichen Einrichtungen wie in Brandenburg?“
„Das Steuergeld für Rüstung versenken, aber die Gebühren für kommunale Dienstleistungen erhöhen.“ „Die Armen trifft die volle Last der Krise, aber für die Reichen gibt es keine Vermögenssteuer.“ Immer wieder war nicht nur Empörung zu spüren, sondern auch der Wunsch nach Veränderungen. „In der Wendezeit wurde uns eine neue Verfassung versprochen, weil das Grundgesetz laut seiner Präambel nur eine Übergangsregelung darstellt. Wir brauchen eine Verfassung, die mit der Macht der großen Konzerne bricht, echte Demokratie garantiert, bei der wirklich die Bürgerinnen und Bürger das Sagen haben.“
Auch der Krieg in der Ukraine beschäftigte die Marktbesucher. Humanitäre Hilfe zu leisten, den flüchtenden Menschen zu helfen, das gebiete die Menschlichkeit. Aber warum schwere Waffen liefern, die keinen Frieden schaffen, sondern den Krieg und das Leid der Zivilbevölkerung verlängern? Für jeden Kommunalpolitiker hätte die Teilnahme am Wochenmarkt eine Lehrstunde in Sachen lebendiger Demokratie bedeutet. „Bloß weil wir keine eigenen Zähne mehr haben, heißt dass noch lange nicht, dass wir uns alles gefallen lassen und ängstlich mit dem Gebiss klappern“, meinte abschließend ein rüstiger Rentner.