...es kommt darauf an, sie zu verändern.
Erfurt ist für die LINKE eine besondere Stadt. Die Thüringer Landeshauptstadt ist Regierungssitz des einzigen LINKEN Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und hier hat die Partei 2011 ihr Grundsatzprogramm beschlossen. Es ist der Ort, an dem es gelang, aus ganz verschiedenen linken Traditionen eine gemeinsame sozialistische Programmatik zu formulieren. Insofern ist der Parteitag in Erfurt auch eine Begegnung der LINKEN mit ihrer eigenen Geschichte.
Zugleich war der Parteitag in Erfurt ein Treffen mit der Zukunft der Partei. Nach schmerzhaften Niederlagen bei der Bundestagswahl und den Landtagswahlen in NRW, dem Saarland und Schleswig-Holstein, mussten in Erfurt erneut zentrale inhaltliche Positionen ausgehandelt und geklärt werden.
Janine Wissler betonte in ihrer leidenschaftlichen Eröffnungsrede des Parteitages „Die drohende Klimakatastrophe erfordert ein demokratisches Eingreifen in die Wirtschaft, klare gesetzliche Vorgaben, staatliche Investitionen und auch Maßnahmen zur Enteignung und Vergesellschaftung. Für eine sozial gerechte Klimawende braucht es nicht weniger als das größte Investitionsprogramm aller Zeiten und eine gerechte Verteilung von gesellschaftlichem Reichtum, damit die Kosten für den Klimaschutz und die Folgen der Klimakrise nicht auf die Beschäftigten abgewälzt werden.“
Für die Delegierten in Erfurt war klar, dass die Stärkung des Öffentlichen gegen die Dominanz von Konzernen und Profitinteressen die Leitlinie für linke Politik parlamentarisch und außerparlamentarisch von der Kommune bis ins Europäische Parlament sein muss. Eine gute Zukunft für alle gibt es nur jenseits des fossilen Kapitalismus. Daher wird der Kampf für Gemeinwohl und Klimagerechtigkeit statt Profit essenziell für eine sozialistische Transformationspolitik sein.
Besonders hart gerungen hat die Partei schon im Vorfeld des Parteitages um ihre Ausrichtung in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Mit Putins brutalem Angriffskrieg auf die Ukraine war es zwingend, dass DIE LINKE eine Neujustierung ihres Verhältnisses zu Russland vornahm. „Putin steht nicht auf der Seite, der LINKEN, sondern ist ein Autokrat! Wir stehen an der Seite der Ukraine und auch von Moldau sowie Litauen!“ spitze Bodo Ramelow zu.
Die Delegierten waren sich einig, dass die Partei immer für Rechtsstaatlichkeit, Völkerrecht und Menschenrechte einsteht – gegen autoritäre Tendenzen im Inneren genauso wie gegen ihre Bedrohung von außen durch einen autoritären Kapitalismus à la Putin. DIE LINKE steht für Sanktionen gegen Oligarchen statt Profite für Rüstungskonzerne und verteidigt Frieden und Völkerrecht mit zivilen Mitteln.
Selten hat es im Vorfeld eines Parteitags so viele Auseinandersetzungen über Kultur, Richtung und Strategie der LINKEN gegeben. Ein zentraler Punkt betraf den Umgang der Partei mit den Vorfällen von Sexismus und sexualisierter Gewalt in den eigenen Reihen.
Erstmals beschäftigte sich das Parteitagsplenum der LINKEN in einer Generaldebatte mit der innerparteilichen Kultur, besonders mit Blick auf sexistische Denk- und Handlungsmuster. Und erstmals fand neben dem Frauen-/FLINTA-Plenum parallel ein Männerplenum statt, das sich kritisch mit toxischen Formen von Männlichkeit auseinandersetzte. Die Sehnsucht danach, sensiblere, solidarischere, kurz: bessere Formen des Miteinander zu finden, war in den Wortbeiträgen der Generaldebatte mit Händen zu greifen. Dabei wurde deutlich, wie eng Sexismus mit Macht und Hierarchie zusammenhängen, und auch, dass eine selbstkritische Beschäftigung mit Machtstrukturen und der eigenen Organisationskultur unabdingbar dafür ist, wieder mehr Strahlkraft zu entfalten. Dem Jugendverband Solid und den Feminist*innen in der LINKEN ist es gelungen, einen ebenso mutigen wie schmerzvollen Prozess um die Zukunft der Partei zu initiieren.
Es waren anstrengende, aber auch ermutigende drei Tage in Thüringen. Die LINKE hat sich, mit der Entscheidung den Parteivorstand auf 26 Mitglieder zu verkleinern, auf den Weg gemacht, sich innerparteilich neu zu strukturieren. Sie hat Janine Wissler und Martin Schirdewan zu ihrem neuen Führungsduo gewählt und sich klar gegen Aufrüstung und Krieg, für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität entschieden und kämpft für eine sozialgerechte Klimawende.