Thesen zur Weiterentwicklung der Partei DIE LINKE
Wenn vor dem Hintergrund der Wahlniederlage bei den letzten Bundestagswahlen über Erneuerung oder gar Neuerfindung unserer Partei gesprochen wird, sollten wir nachfragen, was damit gemeint ist. Was soll erneuert oder neu erfunden werden? Ist damit gemeint, die Orientierung auf eine mitglieder- und bewegungsorientierte Partei weiter zu treiben, die erworbene Kampagnenfähigkeit weiter zu entwickeln oder Kampagnen zu reduzieren? Soll die programmatische und inhaltliche Erweiterung zu einer Partei der konsequenten und radikalen Klimagerechtigkeit fortgesetzt oder eher auf die Kernfelder Sozialstaat und Frieden konzentriert werden? Soll der Ansatz der verbindenden Klassenpolitik weiterentwickelt und umgesetzt werden oder suchen wir andere Orientierungspunkte?
Natürlich müssen die Ursachen für die Wahlniederlage im September herausgearbeitet, Fehler benannt und korrigiert werden. Es ist jedoch nichts Neues, dass je nach Standpunkt und eigener politischer Verortung das Wahlergebnis unterschiedlich interpretiert und bewertet wird. Das ist nicht überraschend und passiert bei jeder Wahl. So kann z.B. betont werden, dass wir bei den Arbeiter*innen verloren haben und die AfD in dieser Gruppe stärkste Partei geworden ist. Weil wir diese Gruppe vernachlässigt hätten und grüner wie die Grünen sein wollten. Es kann aber auch darauf verwiesen werden, dass rund 28 Prozent der Gewerkschafter*innen die Grünen gewählt haben und dies wohl kaum darin begründet ist, dass die Grünen sozialere Politik machen als wir. Insgesamt sind rund 1,4 Millionen Wähler*innen zu den Grünen und der SPD gewechselt und kaum welche zur AfD. Aus der Interpretation des Wahlergebnisses können also unterschiedliche Schlüsse gezogen werden, wie es weitergehen und welche Richtung die Partei einschlagen soll. Es gibt jedoch unabhängig vom Wahlergebnis gesellschaftliche Aufgaben und Herausforderungen, denen sich die Linke stellen muss. Dazu will ich einige Thesen zur Diskussion stellen.
- Die Klimakatastrophe kann nicht mit bisherigen Krisen im Kapitalismus gleichgesetzt werden. Erstmals in der Geschichte kann die Menschheit ihre eigenen Lebensgrundlagen zerstören. Es ist bekannt, dass wir gerade noch 15-20 Jahre Zeit haben, um überhaupt noch das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Die bisherigen großen Krisen des Kapitalismus wurden in aller Regel durch die Herausbildung einer neuen Formation „gelöst“, mit der die Produktivität und das Wachstum gesteigert wurden, ohne die profitorientierte Wirtschaftsweise zu ändern. Wachstum als eine wesentliche Auflösung der Widersprüche im Kapitalismus wird jedoch die Klimakatastrophe verschärfen. Schon jetzt ist erkennbar, dass die destruktiven Folgen profitorientierten Wachstums weitaus bedrohlicher sind als der versprochene Wohlstandsgewinn, von dem die Mehrheit der Weltbevölkerung ohnehin ausgeschlossen ist. Ohne dass unser Austauschverhältnis mit der Natur auf eine andere Grundlage gestellt wird, also ohne Veränderung der Wirtschafts- und Lebensweise, wird das Klima nicht zu retten sein. Sozialökologischer Systemwechsel oder System Change statt Climate Change sind nicht nur Schlagwörter sondern Voraussetzungen, um die Klimakatastrophe zu verhindern. Alle Parteien, außer die der radikalen Rechten, müssen sich dem Problem der Klimakrise stellen. Das tun sie auch, jedoch in den engen Grenzen der Gesetzmäßigkeiten kapitalistischer Akkumulation. Die Linke kann weitergehende Antworten geben und Perspektiven aufzeigen, weil sie konkrete sofort umsetzbare Forderungen mit Einstiegen in eine andere (sozialistische) ökologisch verträgliche und soziale Gesellschaft verbinden kann. Dass wir auf dem Feld der Ökologie und der Klimagerechtigkeit nur geringe Kompetenzwerte bei den Wähler*innen zugeordnet bekommen, sollte uns anspornen, unsere inhaltlichen Positionen zu schärfen und offensiver zu vertreten. Sonst laufen wir Gefahr, auch bis zur nächsten Bundestagswahl nicht genügend Vertrauen zu schaffen, dass DIE LINKE überzeugende und glaubwürdige Antworten auf die größte Krise unserer Zeit geben kann. Es ist nicht riskant zu prognostizieren, dass es große Brüche von Teilen der Klimabewegung und den Umweltverbänden, insbesondere mit den Grünen, geben wird. Ihnen ist bewusst, dass die Klimapolitik der Ampelkoalition deutlich hinter den Herausforderungen einer klimagerechten Politik zurückbleibt. Teile der Bewegungen formulieren heute schon die Erwartung, dass die Linke die Grünen von links mit einer klareren, radikaleren und konsequenteren Klimaschutzpolitik unter Druck setzt. Dieser Erwartung wollen wir gerecht werden. Ich bin überzeugt, an der Klimafrage werden sich Teile der heutigen und künftigen jungen Generation politisieren. DIE LINKE hat die Chance, Bündnispartnerin und eine wichtige politische Option oder gar ihre politische Partei zu sein.
- Das gegeneinander ausspielen von sozialen und klimapolitischen Fragen können wir getrost den bürgerlichen, konservativen und rechten Parteien überlassen. Auch Grüne und SPD, die die Klimaschutzziele mit Wachstum und Wohlstand und „sozialem“ Ausgleich verbinden wollen, werden weder die Gerechtigkeits- noch die Klimakrise befriedigend lösen können. Ohne Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums sind die nötigen Investitionen nicht zu finanzieren. Die Hoffnung auf ungebrochenes wirtschaftliches Wachstum wurde noch bei jeder größeren Krise durch die Wirklichkeit zerstört und ist angesichts der Dramatik der Erderwärmung auch nicht erstrebenswert. Der dringend benötigte Pfadwechsel, der gegen die Interessen von Konzernen und deren Profitlogik durchgesetzt werden und mit neuen Eigentumsformen und einer grundlegenden Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft verbunden werden müsste, ist von dieser Regierung bestimmt nicht zu erwarten. Für die Linke ist Klimagerechtigkeit im doppelten Sinne eine soziale und Klassenfrage. Das gilt im nationalen und noch viel mehr im internationalen Maßstab. „Der ökologische Fußabdruck des Konsums eines Vermögenden aus dem obersten Prozent der Weltbevölkerung übertrifft den eines Angehörigen der ärmsten 10 Prozent um durchschnittlich das 175-fache“(Dörre S. 84). „Während die reichsten zehn Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung mit ihren luxuriösen Lebensstilen 2015 sage und schreibe 49 Prozent der klimaschädlichen Emissionen verursachten, war die untere Hälfte nur für zehn Prozent verantwortlich. Die einkommensstärksten zehn Prozent der Haushalte von 26 europäischen Ländern sind für 27 Prozent der Emissionen verantwortlich, während die untere Hälfte der Haushalte etwa 26 Prozent der klimaschädlichen Gase verursacht“ (Dörre ff). Von den Folgen der Klimakatastrophe sind aber heute schon die unteren Einkommensgruppen am stärksten betroffen. Die Austrocknung der Böden und Überschwemmungen treiben Millionen Menschen in die Flucht. Lebensmittel werden teurer, wenn die landwirtschaftlich bebaubaren Flächen sinken und die Erträge geringer werden. Vorboten konnten wir im trockenen Sommer 2020 bereits erfahren. Die Verteilungskonflikte werden weltweit zunehmen. Der Kampf z.B. um das Wasser hat in verschiedenen Weltregionen längst begonnen. Der Kampf gegen die Klimakrise ist zugleich ein Kampf gegen die weltweite Armut, ja sogar eine zentrale Voraussetzung dafür. Deshalb ist die soziale Frage sehr viel umfassender zu beantworten, als es die Abwälzung der Kosten für Klimaschutz auf die Mehrheit der Bevölkerung vermuten lässt. Klimapolitik ist deshalb fester Bestandteil der sozialen Gerechtigkeit und eine Klassenfrage.
- DIE LINKE kann ihre konkreten Forderungen mit einem Zukunftsentwurf einer sozialen, solidarischen und klimagerechten Gesellschaft verbinden. Von konkreten Reformvorschlägen bis hin zu ökosozialistischen Vorstellungen liegen die Vorschläge dafür längst auf dem Tisch. Die Elemente, die zu einem Ganzen verbunden werden müssen, erweitern unser bisheriges Hauptfeld der sozialen Gerechtigkeit durch Klimagerechtigkeit. Dazu gehören:
a. Aufbau einer sozialen Infrastruktur und funktionierenden Daseinsvorsorge (Infrastruktursozialismus). Der massive Ausbau öffentlicher und gemeinwohlorientierter Güter und Infrastruktur bildet den Kern eines neuen Wohlstandsbegriffes, der nicht auf den Konsum schnell verschleißbarer Ressourcen fressender Waren orientiert, sondern auf den (gebührenfreien) Zugang zu Bildung, Erziehung, Gesundheit, Mobilität, bezahlbares Wohnen, usw.
b. Sinnvolle Arbeit und Löhne, die für ein gutes Leben reichen. Dazu gehört auch, soziale Berufe und Arbeit mit personennahen Dienstleistungen aufzuwerten. Arbeitszeitverkürzung und gerechte Verteilung der Arbeit erhöht nicht nur den Zeitwohlstand, sondern leistet auch einen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit.
c. Soziale Sicherheit für alle, indem wir den Sozialstaat erneuern, klare Rechtsansprüche auf gleichberechtigte Teilhabe definieren und alle Menschen wirksam gegen die Risiken von Krankheit und Erwerbslosigkeit schützen und einen guten Lebensstandard im Alter garantieren.
d. Radikaler Klimaschutz, mit schnellerem Ausstieg aus der Kohle, dem Ausbau regenerativer Energien, ökologisch nachhaltiger Landwirtschaft, energetischer Gebäudesanierung und einer nachhaltigen ökologischen Verkehrswende. International streben wir eine neue Weltwirtschaftsordnung an, die verantwortlich und nachhaltig mit den Ressourcen umgeht, Fluchtursachen zurückdrängt und Klimagerechtigkeit herstellt.
e. Ökologische Transformation der Industrie. Notwendig ist eine Konversion klimaschädlicher Industrien mit Beschäftigungs- und Einkommensgarantien, wie auch mit mehr Demokratie in der Wirtschaft.
f. Umverteilung von Einkommen und Vermögen ist eine zentrale Voraussetzung zur Finanzierung und Realisierung dieser Ziele. Es geht um Verteilungsgerechtigkeit und um die Herausbildung neuer Eigentumsformen. - Die Präzisierung dieser Elemente eines sozialökologischen Systemwechsels liegt auf dem Tisch und ist teilweise auch in das Wahlprogramm aufgenommen worden. Beim Jahresauftakt wurde, medial gut berichtet, der sozialökologische Umbau in den Mittelpunkt gestellt. Das ist gut so. Entscheidend sind nicht nur die einzelnen Forderungen, sondern die Einbettung in einen gesellschaftlichen Zukunftsentwurf. Auch hierzu wurden theoretische Vorarbeiten geleistet (z. B. die Bücher von Raul Zelik, Klaus Dörre oder mein eigenes zum Linken Green New Deal). Der Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung ist nicht einfach eine Fortsetzung der Politik der GroKo. In der großen Linie handelt es sich um ein Modernisierungskonzept des Kapitalismus, um eine Forcierung des für die Ökonomie anstehenden Transformationsprozesses. Dazu ist staatliches Handeln erforderlich, Investitionen in die Infrastruktur (z.B. Ladesäulen bei der Elektromotorisierung, die Modernisierung und Digitalisierung staatlicher Strukturen, Investitionen in Bildung und Infrastruktur). Den Ausstieg aus der fossilen Ära des Kapitalismus bezeichnet Olaf Scholz als den „größten Umbauprozess der Industrie seit 100 Jahren“. Dabei geht es der Ampelregierung nicht um Einstiege in eine andere, nicht profitgetriebene Form des Wirtschaftens, sondern um eine neue Formation und neue Regulation des Kapitalismus oder linkstheoretisch gesprochen: um ein neues Akkumulationsregime. Große Teile der Wirtschaft haben den Koalitionsvertrag gelobt, Manager großer Konzerne fordern ein höheres Tempo bei der Transformation. Wir dürfen nicht unterschätzen, dass das Versprechen auf wirtschaftliche Stabilität durch technologischen „Fortschritt“, verbunden mit etwas mehr sozialem Ausgleich (vorausgesetzt der Transformationsprozess verläuft krisenfrei, was eher unwahrscheinlich ist) und Klimaschutz, ohne dass sich allzu viel ändert, bei großen Teilen der sogenannten Mitte auf Zustimmung stößt. Deshalb führt die Politik der Ampelkoalition nicht zu einer zwangsläufigen Revitalisierung der Linken. Trotzdem gibt es genügend Angriffsflächen. Unsere Kritik muss fundiert sein und mit nachvollziehbaren Alternativen verbunden werden. Sie muss auch einer kapitalismuskritischen Erzählung folgen und Einstiege in eine andere solidarische Formation der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisation eröffnen. Das Programm der Ampel ist weder ausreichend noch geeignet, die zentralen Krisen unserer Zeit, wie die Klimakatastrophe oder die seit langem anhaltende Gerechtigkeitskrise, wirklich zu lösen. Das weitere Setzen auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, also auch die Fortsetzung des deutschen Exportmodells, konterkariert die Klimaziele und zieht enge Grenzen für den sozialen Fortschritt. Die Konzerne und Kapitalverbände müssen sich keine Sorgen machen.
- Die Mobilitätswende ist ein Schlüsselkonflikt und kann ein zentrales Einstiegsprojekt für DIE LINKE in den sozialökologischen Systemwechsel sein (Schade, dass der Begriff „linker Green New Deal“ nicht populärer gemacht wurde. Die Grünen verwenden ihn nicht und international steht er für die politische Linke und könnte Leitmotiv für die europäische Linke werden). Die Stoßrichtung ist relativ klar. Städte und Kommunen der kurzen Wege. Also möglichst viele Einrichtungen des alltäglichen Lebens sollen zu Fuß erreichbar sein. Gut ausgebaute Fahrradwege. Güterverkehr auf die Schiene. Massiver Ausbau der Investitionen in den ÖPNV und die Bahn. Senken der Ticketpreise mit dem Ziel kostenfreier ÖPNV. Damit sichern wir nachhaltige Mobilität für alle zu sozialen Bedingungen. Ebenso können wir die Interessen der Beschäftigten im Verkehrsbereich, wie Busfahrer*innen und Straßenbahnfahrer*innen, nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen herausstellen und im Sinne verbindender Klassenpolitik Bündnisse vor Ort zwischen Beschäftigten und Klimabewegung schmieden. Nachhaltige Mobilitätswende heißt, die Zahl der PKWs und LKWs stark zu reduzieren, was nicht ohne Folgen für die Beschäftigung in der Automobil- und Zuliefererbranche bleiben wird. Die Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven der Beschäftigten können uns keinesfalls gleichgültig sein. Bereits jetzt geschehen massive Angriffe durch Standortschließungen, Standortverlagerungen, meist in osteuropäische Länder, und massiven Arbeitsplatzabbau. Die Elektromotorisierung wird alleine schon die Vernichtung von mindestens 200 000 Arbeitsplätzen zur Folge haben. Ein verengter Blickwinkel auf ein weiter so, nur mit einem Antriebswechsel auf Elektromotoren, ist weder klimagerecht noch wird es mittel- und längerfristig die Arbeitsplätze der Beschäftigten, geschweige denn für die junge Generation sichern. Deshalb verbinden wir Transformation mit Arbeitszeitverkürzung und Konversion. Mario Candeias und Stephan Krull haben eine hervorragende Studie vorgelegt, wie über eine alternative industrielle Produktion in einer nachhaltigen Mobilitätsindustrie hunderttausende neuer Arbeitsplätze geschaffen und Beschäftigungsverluste in der Autoindustrie mehr als kompensiert werden können. Erhalt und Schaffung neuer Arbeitsplätze und konsequenter Klimaschutz stehen auch hier nicht im Gegensatz zueinander, aber durchaus in Gegensatz zu den Strategien der Automobilkonzerne. Ein Modernisierungskorporatismus zwischen Gewerkschaften und der Automobilindustrie kann deshalb nicht unser Ansatz sein.
- Diesen Ansatz einer alternativen Transformation können wir gut mit der Perspektive einer grundlegenden Demokratisierung der Wirtschaft durch Wirtschafts- und Sozialräte verbinden. Ein sozialökologischer Systemwechsel scheitert schnell an den Grenzen ökonomischer Entscheidungs- und Machtstrukturen, wie auch an den bestehenden Eigentumsverhältnissen. Die IG Metall hat in ihrer Satzung das Ziel der Wirtschaftsdemokratie verankert und fordert aktuell die Einrichtung von Transformationsräten. In den nächsten Jahren werden hohe Milliardensummen an staatlichen Geldern für die Transformation mobilisiert werden. Warum nicht die politische Forderung nach regionalen Transformationsräten stark machen und damit den Blick auf den Einstieg in eine andere demokratische Wirtschaftsweise stellen? Es gibt gerade die Überlegung, ob wir nicht in einigen Industrieregionen dazu aufrufen und es auch organisieren, dass alternative Transformationsräte gebildet werden, die über die Verwendung der staatlichen Gelder, über die Richtung von Investitionen und der anstehenden Transformation diskutieren, alternative Konzepte erarbeiten und in die politische Auseinandersetzung einbringen. Neben Gewerkschafter*innen können z.B. Vertreter*innen der Klimaschutzbewegung und von Umweltverbänden, von anderen sozialen Bewegungen, Verkehrsinitiativen, der Wissenschaft, fortschrittliche Kommunalpolitiker*innen, Städte- und Raumplaner*innen in einem solchen Rat mitarbeiten. Die Initiatorenrolle könnte z.B. die Rosa-Luxemburg-Stiftung übernehmen. Ein solcher Ansatz könnte Impulse für die betriebliche Konversionsdebatte auslösen, die es bisher kaum gibt. Es wäre zugleich ein Gegenangebot zum angekündigten Transformationsdialog der Regierung.
- Wesentliches Element eines sozial-ökologischen Systemwechsels ist ein am Gemeinwohl ausgerichteter Infrastruktursozialismus. Der Aufbau einer nicht an Markt und Wettbewerb, sondern an den Interessen und Bedürfnissen der Mehrheit der Menschen ausgerichteten sozialen und öffentlichen Infrastruktur. Damit entstehen solidarische und klimaneutrale Kommunen. Der weitgehend gebührenfreie Zugang zu guter Bildung- und Erziehung, bezahlbarem Wohnen, wohnortnaher Gesundheitsversorgung, digitaler Kommunikationsinfrastruktur, Energie, Kultur, Sport und auch nachhaltige Mobilität sind wesentlicher Bestandteil eines neuen klimagerechten und sozialen Wohlstandsmodells und zugleich zentraler Baustein einer dezentralen ressourcenschonenden Ökonomie. Damit können zugleich Millionen sinnvoller und ordentlich bezahlter Arbeitsplätze entstehen. Gerade unsere Partei hat dazu bereits wichtige inhaltliche Positionen erarbeitet. An dieser Stelle geht es in erster Linie um die Verknüpfung mit einer gesellschaftlichen Perspektive, in der die Funktionsweise eines destruktiv und gefährlich gewordenen Kapitalismus überwunden wird.
- So wichtig es ist, dass DIE LINKE klare Linien für ihre Politik der nächsten Jahre zieht, die den Umbrüchen unserer Zeit gerecht werden, so wichtig ist es auch, dass sie sich in der Praxis niederschlagen und in den Betrieben und Gewerkschaften, in den Stadtteilen und Kommunen verankert werden. Deshalb ist es nur zu begrüßen, wenn die Kampagnen zur Pflege und zu bezahlbaren Mieten fortgesetzt und weiterentwickelt werden. Ebenso ein exemplarischer Aktionsschwerpunkt zur Klimakrise ins Leben gerufen wird, also Mobilitätswende. Der Bezugspunkt zu den Lohnabhängigen und besonders die Regulierung der Löhne und Arbeitsbedingungen von Millionen Beschäftigten in der Logistik, im Handel und der Paketzustellung ist so richtig wie dringend notwendig (zur Frage der Parteientwicklung verweise ich auf meinen Artikel zur Auswertung der Bundestagswahlen). Verbindende Klassenpolitik ist einerseits ein inhaltliches Selbstverständnis, anderseits das praktische Zusammenführen politischer Akteure, Gruppen, Initiativen und Bewegungen, um gemeinsame Interessen wirksam vertreten zu können. Es geht darum, ein Bündnis für den sozial-ökologischen Umbau und unteilbare Solidarität aufzubauen.
- Die Partei hat sich in den letzten 10 Jahren erheblich erneuert. Die Mehrheit identifiziert sich mit dem Verständnis einer bewegungsorientierten Mitgliederpartei, die sich außerparlamentarisch in Betrieben, Gewerkschaften, Stadtteilen und Kommunen verankert und sich inhaltlich und programmatisch weiterentwickelt hat. Große Teile der Mitglieder denken soziale Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, Antirassismus, Feminismus, Kampf gegen rechts zusammen und vereinbaren diese Positionen mit einer sozialistischen Perspektive. Für sie ist auch klar, dass wir Friedenspartei sind und gegen Aufrüstung wie auch Auslandseinsätze stehen, wenn es auch in der Bewertung der Politik von Russland und China unterschiedliche Einschätzungen gibt. Deshalb geht es m.E. um eine Weiterentwicklung dieser Ansätze und nicht um eine Neuerfindung der Partei.
Hinweis: Dieser Beitrag entstand vor der Invasion russischer Truppen in die Ukraine. Der Beitrag erschien zuerst auf bewegungslinke.org.