So kann es nicht bleiben
In den vergangenen Monaten erhielten Pflegekräfte wie Du viel Zuspruch. Im Bundestag gab es Beifall von allen Fraktionen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) dankte euch dafür, dass ihr „bis an die Grenzen der Belastbarkeit“ geht …
Das ist absoluter Hohn! Diejenigen, die dort applaudierten, sind die, die das Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren kaputt gespart haben. Es sind auch diejenigen, die es jetzt in der Hand hätten, viele Dinge, die wir Pflegenden schon lange bemängeln, zu ändern. Selbstverständlich ist Geld nicht alles, aber anzuerkennen, was wir leisten, bedeutet auch, uns gerecht zu bezahlen. Mindestens 500 Euro mehr - das wäre eine erste und schnell umsetzbare Maßnahme,.
Wie hat sich denn Dein Arbeitsalltag durch das Corona-Virus verändert?
Speziell auf meiner Station hat sich noch nicht viel geändert. Corona-Patienten werden so lange wie möglich nicht zu uns verlegt, um das Risiko für die Transplantationspatienten so gering wie möglich zu halten. Das eigentliche Problem ist der seit langem bestehende Personalmangel. Um eine ganzheitliche Pflege gewährleisten zu können, sollte eine Pflegekraft maximal zwei Patienten betreuen, in besonders schweren Fällen sogar nur einen. In den meisten Fällen ist das Betreuungsverhältnis allerdings eins zu drei, oft sogar eins zu vier. Dinge wie Krisengespräche oder eine umfassende Mobilisation der Patient*innen bleiben dann auf der Strecke.
Ist der Personalmangel in den Krankenhäusern tatsächlich das größte Problem?
Jein. Der Personalmangel ergibt sich aus den seit vielen Jahren andauernden Einsparungen im Gesundheitswesen. Es ist höchste Zeit, etwas zu ändern. Wir müssen von einem profitorientierten Gesundheitswesen Abstand nehmen. Es ist frustrierend zu sehen, dass Kliniken wie Konzerne Profit aus den Erkrankungen der Menschen schlagen müssen. Das Hauptproblem sind hierbei die Fallpauschalen.
Warum?
Wenn einmal weniger Menschen behandelt werden, weil zum Beispiel wie jetzt geplante Eingriffe abgesagt werden müssen, entsteht unmittelbar eine Finanzierungslücke im Budget der Klinik. Diese Lücke muss denn wieder eingespart werden, meistens beim Personal. Aber was sollen die Kliniken auch machen? Sie müssen sich in diesem System darüber selbst finanzieren. Niemand käme auf die Idee, die Feuerwehr oder die Polizei danach zu finanzieren, wie viele Einsätze sie fahren. Wieso also bei der Gesundheitsversorgung? Krankenhäuser sind keine Unternehmen, Gesundheit ist keine Ware. Kliniken gehören in öffentliche Hand und müssen sich am Bedarf der Bevölkerung orientieren.
In den ersten Wochen der Pandemie war im wieder die Rede von Engpässen bei der Schutzausrüstung. Hat sich die Situation mittlerweile entspannt?
Die Engpässe sind nicht mehr so gravierend. Die Kliniken hamstern jetzt in Erwartung der zweiten Welle. Wir sind noch nicht zum Vor-Corona-Zustand zurückgekehrt. Schutzausrüstung wird rationiert. Einen einfachen Mundschutz, der als Einwegartikel früher nach jedem Patientenkontakt verworfen wurde, wird heute über die gesamte Schicht getragen. Auch mit den Schutzkitteln haushalten wir. Patienten nach einer Transplantation müssen vor Infektionen besonders geschützt werden. Deshalb gehören Handschuhe, Schutzkittel, Hauben, Mundschutz und Schutzbrillen zur täglichen Ausrüstung.
Moritz Damoune ist 28, Mitglied der LINKEN und arbeitet als Gesundheits- und Krankenpfleger auf einer Intensivstation der Berliner Charité.