Sanktionsmoratorium light
Will die Ampel ihre Versprechen brechen?
Ist es nun endlich so weit? Die Ampel-Koalition bringt das Sanktionsmoratorium für die Jobcenter auf den Weg. Damit sollen Sanktionen bei Pflichtverletzungen und Terminversäumnissen bis zu Ende des Jahres ausgesetzt werden. „Börse online“ schreibt dazu: „Das Sanktionsmoratorium solle vom Kabinett im März auf den Weg gebracht werden und im Sommer 2022 in Kraft treten, hieß es aus dem Ministerium“. Grundsätzlich ist das Sanktionsmoratorium zu begrüßen, da alleine schon das Bundesverfassungsgericht u.a. im Jahr 2012 festgestellt hat, „dass das Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss“. Das Existenzminimum umfasst den unbedingt notwendigen Bedarf eines Menschen zum physischen Überleben sowie zur Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Mit jeder Geldkürzung ist das eben nicht mehr der Fall.
Verkürztes Sanktionsmoratorium
Das Moratorium kommt mit Verzögerung und damit auch um rund sechs Monate verkürzter Dauer. Im Koalitionsvertrag heißt es jedoch: „Bis zur gesetzlichen Neuregelung schaffen wir ein einjähriges Moratorium für die bisherigen Sanktionen unter das Existenzminimum, das auch für kommunale Jobcenter gelten muss“. Der Referentenentwurf, der mir vorliegt, geht auf diese Verkürzung nicht ein. Es bleibt beim 31. Dezember 2022. Der Koalitionsvertrag erklärt noch weiter, dass bis zur Neuregelung der Sanktionen eine Evaluation stattfindet. Um keinen Wortbruch zu begehen, rate ich jedoch der Ampel-Koalition, das Sanktionsmoratorium um die tatsächlichen zwölf Monate anzuwenden. Zum einen, damit es seine Wirkung entfalten kann und zum anderen, falls es bei der Einführung des neuen „Bürgergeldes“ zu Verzögerungen kommt, es eine Rechtssicherheit gibt. Ein Rückfall in die bisherigen Sanktionsregelungen, ohne ausreichende Evaluation, ist unbedingt zu vermeiden. Damit wäre nichts gewonnen.
Sanktionen im Kleingedruckten
Komme ich noch zu einem weiteren Punkt. Der Referentenentwurf erwähnt zwar, dass „keine Sanktionen bei Pflichtverletzungen und Meldeversäumnissen festgestellt werden“ und „Minderungen, die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens“ dann wieder aufzuheben seien, aber im gleichen Atemzug „Zuweisungen in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen“ mit Rechtsfolgen versendet werden können. Und nun kommt das bekannte Kleingedruckte: Werden diese Rechtsfolgen während des Moratoriums verletzt, kann nach Ende des Moratoriums im Nachhinein eine Sanktion erfolgen. Und ich frage mich: Sind wir hier bei einem Moratorium light? Mein dringender Rat an die Ampel-Koalition: Moratorium light leuchtet nicht wirklich. Stattdessen ist es ein subtiler Druck, welcher im Hintergrund als Damoklesschwert mitläuft. Aus diesem Grund müssen auch im §31 SGB II die darin benannten Pflichtverletzungen für zwölf Monate ausgesetzt werden. Vielleicht ist es bei den Zuständigen der Kommission des Sanktionsmoratoriums noch nicht durchgedrungen: Ein Aggressor ist auch die schriftliche Sprache in einem Behördenbrief. Dazu zählt auch die Rechtsfolgebelehrung. Es ist eigentlich ganz einfach. Sanktionen und deren Androhung führen in der Regel nicht zu einem positiven Effekt, sondern eher zu einer Spaltung zwischen der Zusammenarbeit der Erwerbslosen und Jobcenter. Der Kontakt wird abgebrochen, die Betroffenen entziehen sich der administrativen Begleitung und entschwinden so aus der Statistik. Ein vielleicht gewollter „positiver“ statistischer Nebeneffekt für den Arbeitsmarkt, aber mit schlimmen Folgen für die Betroffenen. Energie, Zeit und zum Teil Gesundheit müssen aufgewendet werden, um den Überlebenskampf, welcher durch Sanktionen hervorgerufen wird, zu schaffen. Von einer sozialen Inklusion kann hier nicht gesprochen werden, sondern vielmehr von einer sozialen Exklusion, deren individuellen, und gesellschaftlichen negativen Effekte kaum absehbar sind. Mit dem weiterhin möglichen subtilen Druck und dem „Moratorium light“ nach dem §31 SGB II fungiert das Jobcenter weiterhin als eine paternalistische Behörde, die die Erwerbslosen zum gesellschaftlichen Wohlverhalten antreibt – und sei es mit der Möglichkeit Sanktionen im Nachhinein zu verhängen.
Grundsätzlich bleibe ich jedoch bei meiner Meinung, dass positive Effekte durch Sanktionen im SGB-II-Bezug nicht bewiesen sind. Daher ist eine komplette Abschaffung unumgänglich und eine sanktionsfreie Mindestsicherung einzuführen. Alles andere ist Kokolores und so ist keine Beratung auf Augenhöhe möglich.