Sozialstunden im Asylbewerberheim
Gerade 27 Jahre alt ist der Regisseur Faraz Shariat. Nach einigen Schauspielrollen ist er nun hinter die Kamera gewechselt und hat mit „Futur Drei“ sogleich einen abendfüllenden Spielfilm gedreht. Sein Protagonist ist Parvis, dessen Eltern vor Jahren aus dem Iran nach Hildesheim gekommen und dort längst etabliert sind. Der homosexuelle Sohn aus besseren Kreisen hat es sich zwischen Sex-Dates und Dachstuhl des elterlichen Hauses gemütlich gemacht.
Ein Diebstahl bringt dem queeren Hipster 120 Sozialstunden ein, die er in einem Asylbewerberheim absolviert. Das erste Mal in seinem Leben trifft er auf ziemlich „echte“ Probleme. Nicht selten hängt es von seiner Übersetzungsleistung ab, wie es mit den Leuten und ihrem Aufenthalt in Deutschland weitergeht. Zudem muss sich der blondierte Paradiesvogel diskriminierende Bemerkungen von der Leitung und der Bewohnerschaft anhören.
Bei seiner Arbeit lernt er die Geschwister Amon und Banafshe kennen, die aus dem Iran geflüchtet sind und auf einen positiven Asylbescheid warten. Ganz offen wird Banafshes Lage von einem Projektmitarbeiter ausgenutzt, der ihr großzügig eine Scheinhochzeit anbietet. Amon verliebt sich derweil in Parvis, ein Umstand, der bei den zumeist erzkonservativen Bewohnern des Heims geheim bleiben muss.
Der Regisseur verarbeitet hier seine eigenen Erfahrungen. Auch ihm wurden exakt jene 120 Sozialstunden für einen Ladendiebstahl aufgebrummt, die Geschichte mit den Farsi-Übersetzungen ist die seine. Zudem verwendet er autobiografisches Filmmaterial, etwa alte Videos, die ihn als Kind zeigen und von Shariats Vater stammen.
„Durch die Möglichkeit, mich in seinen Blick hineinzubewegen, wurden die Bilder einer Ankunft und meines Aufwachsens zu einer der stärksten Referenzpunkte meiner eigenen Kindheitserinnerungen“, sagt er.
Ebenso aber fließen viele seiner Kinoerfahrungen ein: Den Film sehe er als „visuelles und narratives Archiv von Migration“.
Und zwar ein extrem buntes und knalliges, das von Zuwanderern in Deutschland handelt, die auf ganz unterschiedliche Weise Probleme mit ihrem Status, den Behörden, mit ihrem Leben haben. Kein Wunder, dass er vor allem den Publikumspreis auf Filmfestivals gewinnt, wie etwa den „Teddy Award“ auf der Berlinale.
„Futur Drei“. Regie: Faraz Shariat. Mit Benjamin Radjaipour, Banafshe Hourmazdi. Auf DVD, BluRay und VoD.