"Die Pandemie hat uns stärker gemacht"
Nach langer Pause hat Fridays For Future (FFF) wieder zu einem globalen Klimastreik aufgerufen. Wir sprachen mit der FFF-Aktivistin Hannah Pirot über den Aktionstag und die Probleme, die Corona der Bewegung bereitet.
Der erste globale Klimastreik seit September machte auch in Deutschland Schlagzeilen. War der Aktionstag am Freitag also ein Erfolg für Fridays For Future?
Hannah Pirot: Auf jeden Fall. Wir hatten Proteste in 210 deutschen Städten. Insgesamt zählten wir 280 verschiedene Aktionen, hier in Berlin waren es gleich mehrere. Die schönste war sicherlich die Malaktion auf der abgesperrten Kreuzberger Oberbaumbrücke. Hier entstanden auf dem Asphalt acht riesige Logos mit unseren Kernforderungen. Dazu das Motto: "Another world ist possible" – eine andere Welt ist möglich. Außerdem gab es noch eine Bootsdemo auf der Spree und vier verschiedene Fahrraddemos. Wir haben trotz Corona also sehr viele Menschen auf die Straße gebracht.
Dabei hatte man in den letzten Monaten das Gefühl, dass die Bewegung bereits wieder verebbt sei …
Ich hatte auch Angst, dass die Bewegung versandet. Doch tatsächlich hat uns die Pandemie stärker gemacht. So mussten wir uns kreativere Aktionen einfallen lassen, um trotz Pandemie und Auflagen wahrnehmbar zu bleiben. Zudem haben wir gelernt, mit dem Druck und der Krise umzugehen. Wir hatten bereits im April des letzten Jahres 11.000 Plakate vor dem Bundestag ausgelegt. Jedes Plakat stand für eine Demonstrierende. Ansonsten organisierten wir viele Fahrradaktionen mit entsprechenden Abständen oder Menschenketten, wo wir Bänder zwischen den Menschen hatten, um die Abstände einzuhalten. Auch Online-Streiks, wo man etwa Bilder von sich und seinem Streikschild hochladen konnte.
Diese Aktionen sind der sichtbare Teil eurer Bewegung. Viel weniger bekannt ist, wie ihr euch trefft, wie ihr diskutiert und wie ihr Entscheidungen trefft. Gibt es da feste Strukturen?
Ja, wir haben sehr gute Strukturen bei Fridays For Future. Uns gibt es ja schon seit zwei Jahren. Wir treffen uns meistens in Räumen von Universitäten oder Bewegungen. Momentan treffen wir uns natürlich meistens online. Viele von uns arbeiten mehr 20 Stunden pro Woche für die Bewegung. Wir haben dazugelernt und uns auch weitergebildet. Ganz wichtig bei uns ist das Skill-Sharing. Das heißt: Wir tauschen uns intensiv aus und lernen voneinander. Wir haben 20 Arbeitsgruppen zu den verschiedensten Themen, also etwa eine Media AG, die sich um Öffentlichkeitsarbeit kümmert, eine Kampagnen AG, eine Rechtshilfe AG und natürlich auch eine Awareness und Diversity AG.
Apropos Diversity: Den FFF wird ja vorgehalten, dass sich hier vor allem die Kinder der weißen, privilegierten Mittelklasse engagieren. Stimmt das?
Das Problem existiert auf jeden Fall. Wir sind noch eine sehr privilegierte und sehr weiße Bewegung. Das ist uns bewusst. Wir wollen das aber ändern und versuchen, Barrieren abzubauen. Das ist nicht immer leicht, weil die ganze Gesellschaft auf Ausgrenzungsmechanismen beruht.
Wie entscheidet ihr eigentlich?
Wir sind basisdemokratisch organisiert und stimmen über alles ab. Bevor wir abstimmen, diskutieren wir intensiv. Zum Beispiel vor unserem Besuch im Bundestag. Da haben wir darüber beraten, ob wir dort auch mit der AfD sprechen sollten. Wir haben uns dann dagegen entschieden, mit der AfD zu sprechen und ein entsprechendes Statement veröffentlicht. Das wurde intensiv vorbereitet und auch diskutiert.
Wenn die FFF erfolgreich sein wollen, müssen sie die Politik zum Handeln bewegen. Einige von euch haben den "Marsch durch die Institutionen" begonnen und sich von den Grünen aufstellen lassen. Ist das ein Weg, eure Ziele zu erreichen?
Das sollte jede Person für sich entscheiden. Wir als Bewegung sagen aber ganz klar, dass wir parteiunabhängig sind. Deshalb dürfen Parteien auf unseren Demos auch keine Werbung für sich machen. Natürlich gibt es Parteien, die generell die gleichen Klimaziele haben wie wir. Aber Parteien müssen halt auch immer Kompromisse schließen. Gerade bei den Grünen konnte man jetzt gerade sehen, dass sie den Dannenröder Forst in Hessen für eine Autobahn roden ließen. Selbst die Grünen können einen sehr heftig enttäuschen.
Gibt es politische Lehren, die ihr aus der Krise zieht?
Die Bundesregierung zeigt, dass sie Krisen-gemäß handeln kann, wenn sie das will. Wir wollen, dass sie diese Entschlossenheit auch in der Klimakrise zeigt. Wir wollen, dass auch in der Klimakrise konsequent gehandelt wird.