Rechter Terror in Hanau: Gedenken heißt kämpfen!
An diesem Freitag jährt sich der rassistische Terror von Hanau zum ersten Mal. Auf über 60 Kundgebungen soll bundesweit den Opfern gedacht werden, bevor am Samstag in Hanau eine zentrale Gedenkveranstaltung stattfindet. Wir gedenken Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürdüz, Gökhan Gültehin, Hamza KurtovÍc, Kaloyan Velkov, Vili-Viorel Pǎun, Said Nesar Hashemi und Fati Saraçoğlu. Wir gedenken der zahlreichen Schwerverletzten, Traumatisierten, Hinterbliebenen, Freunden und Angehörigen. Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Unterstützung und Forderung nach Gerechtigkeit. Denn der rechte Terror hat viele Helfer. Auch die Fragen zu den Hintergründen des Attentats und dem Umgang der Behörden damit sind bis heute nicht aufgeklärt – wie so oft bei rechter Gewalt und rechtem Terror.
Immer noch viele offene Fragen
Vor einem Jahr erschoss Tobias Rathjen neun Menschen aus rassistischen und wahnhaften Motiven, anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Er hatte in den Monaten zuvor mehrfach Anzeigen bei Behörden erstattet, in denen er sich von Geheimorganisationen verfolgt sah, welche seine Gedanken manipulieren würden. Ähnlich wie beim Rechtsterror in Norwegen, Australien, den USA und Halle hatte Rathjen ein von Verfolgungswahn und Rassismus triefendes „Manifest“ im Internet veröffentlicht. Damit nicht genug, war Rathjen seit 2002 immer wieder psychisch, gewalttätig und strafrechtlich auffällig geworden. Es ist eine der vielen offenen Fragen, warum er legal Waffen besitzen und schließlich sogar damit töten konnte – trotz dieser Auffälligkeiten.
Und immer wieder die AfD
Die rassistischen Morde vom 19. Februar 2000 waren aber der traurige Höhepunkt rechter Gewalt in Hessen und Deutschland. Der Hass, die Hetze und die Gewalt von rechts haben seit 2015 dramatisch zugenommen. Der Mord an Dr. Walter Lübcke, die Anschläge von Wächtersbach, Taunusstein und Halle haben uns tief erschüttert. Und immer wieder führen die Spuren mittelbar oder unmittelbar zur AfD. Die beiden Hauptangeklagten im Lübcke-Prozess haben sich für die AfD engagiert. Der Haupttäter Stephan Ernst hat mehrfach Geld gespendet, hat an Kundgebungen des Faschisten Höcke teilgenommen und sogar aktiv im AfD-Wahlkampf mitgeholfen sowie eine AfD-Wahlparty mitgefeiert. Auch der Mörder von Hanau hat sich in rechten und von Verschwörungsmythen durchzogenen Online-Welten bewegt.
Als LINKE haben wir die Anliegen der Opfer und Hinterbliebenen immer wieder öffentlich gemacht und ins Parlament getragen. Trauer und Traumatisierung waren und sind in der Pandemie noch schwerer zu bewältigen. Und ein Jahr nach dem Terror liegt immer noch kein Ermittlungsbericht der Behörden vor. Dabei brennen den Hinterbliebenen seit einem Jahr zig Fragen auf der Seele, wie und warum ihre Kinder, Eltern, Partner, Geschwister und Freunde zu Opfern wurden. Zu klären ist zum Beispiel, warum der Polizeinotruf nicht richtig zu erreichen war? Das spätere Todesopfer, Vili-Viorel Pǎun, versuchte dreimal über den Polizeinotruf den Aufenthalt des Täters mitzuteilen, bevor dieser ihn und weitere Menschen erschoss. Aber er kam nicht durch, so wie viele andere offenbar auch. Offensichtlich funktioniert das Notrufsystem in Hanau bis heute nicht richtig – ein Jahr nach dem Terror.
Gedenken heißt kämpfen!
Es bleibt die Frage, warum rechtsradikale und militante Strukturen in Hessen auch nach Auffliegen des NSU immer weiter und weiter agieren können. Damals, wie auch bei Walter Lübcke und in Hanau, wurden alle Warnzeichen übersehen, obwohl diese bei Behörden vorlagen. Zuletzt heißt Gedenken aber auch kämpfen! Denn der Nährboden für rechte Gewalt und rechten Terror ist in Hessen und Deutschland nach wie vor vorhanden. Am 4. März ist ein großer Wahlkampf-Auftritt des AfD-Faschisten Höcke in Offenbach geplant - in unmittelbarer Nachbarschaft zu Hanau. In Offenbach oder sonst wo: Wir werden dem Faschismus die Stirn bieten müssen, wenn das Gedenken an Hanau und alle anderen Opfer rechter Hetze und Gewalt kein Lippenbekenntnis bleiben soll.