"Wir dürfen uns nicht nur um die Städte kümmern"
- Martin Heinlein
- DIE LINKE
Der diesjährige Kommunalkongress der LINKEN stand im Zeichen von Corona. Tobias Bank von der BAG Kommunalpolitik erklärt im Interview mit "Links bewegt", wie die Pandemie den Kommunen zu schaffen macht und wie DIE LINKE auch auf dem flachen Land wieder zulegen kann.
DIE LINKE musste ihren Parteitag absagen, aber die kommunalpolitische Konferenz der LINKEN fand an diesem Wochenende trotzdem statt. Nehmt ihr die Pandemie nicht ernst?
Tobias Bank: Die Pandemie nehmen wir sehr ernst, daher fand der diesjährige Kommunalkongress komplett digital als Videokonferenz statt. Wir haben uns in diesem Jahr allerdings auf eine Podiumsdiskussion und die Mitgliederversammlung der BAG Kommunalpolitik beschränkt. Die sonst parallel stattfindenden Workshops und die Exkursion sind dieses Mal ausgefallen.
Funktioniert das Digitalformat? Kann man aus euren Erfahrungen auch Empfehlungen für den dezentralen Parteitag der LINKEN ableiten? Sind Diskussionen so überhaupt möglich?
Das Digitalformat hat gut funktioniert. Jedoch braucht es eine sehr detaillierte technische und inhaltliche Vorbereitung, damit alles reibungslos läuft. Wir hatten im Hintergrund jemanden nur für die Technik und jemanden für den Inhalt, also für die Wortmeldungen und für die Nachfragen, und eine geübte und solide vorbereitete Moderation. Das Format hat gezeigt, dass auch intensive Diskussionen so möglich sind und angenommen werden. Allerdings ist es eben eine Konzentration auf den Inhalt. Zwiegespräche, Smalltalk, Umarmungen und der Nachmittagstee haben gefehlt. Insofern hoffen wir, dass wir uns im kommenden Jahr wieder persönlich treffen können. Falls es dazu kommt, dass der Bundesparteitag digital stattfinden muss, sind die organisatorische Vorarbeit und der Wille aller Delegierten, auch digital einen gesitteten Parteitag hinzubekommen, das A und O.
Corona überlagert medial derzeit alle anderen Probleme. Stand die Pandemie auch bei euch im Mittelpunkt?
Die Pandemie hat massive Auswirkungen auf die Kommunen, also auf die Städte und Gemeinden in denen wir leben. Anders gesagt auf alles, was vor unserer Haustür passiert. Insofern wollten wir dieses Thema unbedingt diskutieren und uns dazu austauschen.
Wie beeinflusst Corona die Kommunalpolitik?
Auf sehr unterschiedliche Weise. Die Kommunen haben mit Gewerbe- und Einkommenssteuerausfällen zu kämpfen. Der Kultur- und Vereinsbetrieb, also die sogenannten freiwilligen Leistungen, ist komplett runtergefahren. Die Gesundheitsämter kommen nicht mehr hinterher bei der Pandemiebekämpfung. Die Kommunalvertretungen tagen teilweise nur noch digital und die Frage der Öffentlichkeitsbeteiligung muss neu betrachtet werden. Beratende Gremien werden verschoben oder abgesagt. Kommunale Busunternehmen haben Umsatzeinbußen und in manchen Kreiskrankenhäusern werden die Intensivbetten knapp. Die kommunalpolitische Familie arbeitet also auf Hochtouren.
Welche anderen Themen spielten auf der Konferenz eine Rolle.
Uns beschäftigte außerdem die immer bedenklicher werdende Wohnungsnot bzw. die steigenden Mieten in den Ballungszentren und die Frage, was die Kommunen für den Klimaschutz leisten können. Zusätzlich haben wir noch über die Kommunalwahlen in NRW gesprochen. Ein weiteres Thema war, dass der Kommunalpolitik, gemessen an den vielen ehrenamtlichen Genoss*innen und den vielen auf der kommunalen Ebene zu bearbeitenden Themen, in der Partei generell mehr Aufmerksamkeit haben sollte.
DIE LINKE ist in vielen größeren Kommunen durchaus erfolgreich; in Kleinstädten und auf dem flachen Land tut sie sich oftmals schwer. Diskutiert ihr das auch in der BAG Kommunalpolitik?
Die ländlichen Räume sind bei uns Dauerthema. Auch dieses Mal wurde wieder angemahnt, dass wir uns als Partei nicht nur um die Städte und die Probleme dort kümmern sollen, sondern auch den ländlichen Raum nicht vergessen dürfen. Darüber waren sich auch wieder alle Teilnehmer*innen einig. Dort, wo DIE LINKE im ländlichen Raum verankert und präsent ist und dort, wo wir vor Ort im ländlichen Raum eine oftmals kleinteilige Arbeit machen, dort haben wir nicht die schlechtesten Wahlergebnisse. Leider gibt es nur immer weniger Genoss*innen im ländlichen Raum, weil die Jungen eher in die Städte ziehen und man eben nicht 100 Flyer in zehn Minuten in einem Neubau stecken kann, sondern zwischen zwei Einfamilienhäusern schon mal ein Kilometer liegt. Für den ländlichen Raum braucht man einen längeren Atem.
Wie kann DIE LINKE auch abseits der großen Städte wieder zulegen?
Falls wir vor Ort noch Genoss*innen haben, dann brauchen diese zunächst einmal Wertschätzung. Jemanden, der zehn Jahre in einem Gemeinderat saß, aber von der Landes- und Bundespartei nur zu Wahlkämpfen angesprochen wird, resigniert irgendwann, wird frustriert, verliert den Diskussionsanschluss oder kann irgendwann aus Altersgründen nicht mehr. Die vielen Einzelkämpfer*innen in den ländlichen Räumen oder die Fraktionen in den Kleinstädten brauchen das Angebot, bei Bedarf Technik, Referent*innen und Wahlkampfhelfer*innen zu bekommen. Das dürfen dann keine Eintagsfliegen oder Pro-Forma-Anrufe sein. Hauptamtliche und Funktionäre aufs Land! Steckaktionen, Kinderfeste, Kulturangebote, Grillen am See - und das regelmäßig. Starke BOs in den Städten könnten Patenschaften für Dörfer im Umland übernehmen. Im ländlichen Raum muss eher angepackt und weniger theoretisiert werden, ohne damit sagen zu wollen, dass eine Lesung oder ein Vortrag nicht auch seine Liebhaber*innen findet. Ein lebendiges Dorfleben wird von vielen Engagierten in Vereinen organisiert. Mit diesen partnerschaftlich zusammenzuarbeiten erhöht auch die Anerkennung als Linke vor Ort. Die Pandemie zeigt übrigens, dass durch Videokonferenzen Genoss*innen im ländlichen Raum auch innerhalb der Partei besser teilhaben können. Das sollten wir unbedingt beibehalten.
Und welche Themen hatte die BAG bei ihrer Mitgliederversammlung?
Der Sprecher*innenrat der BAG hat auf der Mitgliederversammlung seinen Tätigkeitsbericht für das laufende Jahr gegeben. Dort wurde unter anderem über den Kommunalen Initiativpreis und die Arbeit im PV berichtet, über die Zusammenarbeit mit der RLS und die Mitgliedergewinnung.