Die Spuren der Menschen
Edward Burtynskys Erde sieht aus wie Jupiter, wie ein lebensfeindlicher Planet. Seit Jahrzehnten porträtiert der kanadische Fotograf irdische Landschaften, Und vor allem: was wir mit ihnen veranstalten. In seinen Arbeiten protokolliert er industriell bedingte landschaftliche Veränderungen, die Gewinnung von Rohstoffen und ihre Auswirkungen: Rohöl in der Natur, im Metallabbau versetzte Berge, Kohlegruben durch Schaufelradbagger, großformatige Landwirtschaft. Die maschinelle Nutzung hinterlässt Spuren, die aus großer Höhe auf eine total unwirtliche Sphäre schließen lassen. Manche Wissenschaftler nennen das „Terraforming“, ein Begriff, der die Zurichtung von Planeten für menschliche Zwecke beschreibt. Ironie an: Aus der Distanz sieht Terraforming auf jeden Fall wie das komplette Gegenteil aus.
Burtynsky hat sich mit den Filmemachern Jennifer Baichwal und Nicholas De Pencier zu den Orten aufgemacht, wo die Transformierung an die Verhältnisse des Menschen besonders augenfällig wird: In Sibirien besuchen sie die Industriestadt mit der weltweit größten Umweltverschmutzung, Norilsk. In China erklimmen sie kilometerlange Betonmauern, die Chinas Küsten vor dem steigenden Meeresspiegel schützen sollen. In der Atacama-Wüste schauen sie den Lithiumproduzenten über die Schulter.
Am Ende zerstören wir uns selbst
Die großformatigen Veränderungen der Erde interessieren die Filmemacher dabei und die Leute, die sie verursachen, die davon betroffen sind, die darin leben. Wir leben im „Anthropozän“, analysieren sie, in einer Epoche, in der der Mensch die Erde komplett umgräbt. Und sie gehen auch dahin, wo die Endprodukte landen: auf quadratkilometergroßen Müllkippen. Der rote Faden: Die Veränderungen rufen das Gegenteil von dem hervor, wozu sie gedacht waren.
Die wirkmächtigen Bilder dieses Films unterstreichen mehr oder weniger die Sinnlosigkeiten der Produktion. Das bleibt manchmal etwas oberflächlich, weil zwar viele Zahlen genannt werden, aber das zugrunde liegende System nicht weiter kritisch analysiert wird und vor allem keine Alternativen zum zerstörerischen Wirtschaften aufgezeigt werden, die es ja durchaus gibt. Aber das Verharren an der Oberfläche hat hier seinen Sinn und das Team um Burtynsky weiß mit Bildern richtig zu klotzen. Etwa wenn es um jene 105 Tonnen Elefantenstoßzähne geht, die bei Wilderern in Kenia beschlagnahmt wurden, um den Schwarzmarkthandel mit Elfenbein zu unterbinden. 10.000 Elefanten mussten dafür sterben, jetzt werden die Zähne verbrannt. Diese bildstarke Aktion landet, kein Wunder, auf dem Filmplakat und belegt eindrücklich, was die Regisseure mit ihrem Werk sagen wollen: Der menschengemachte Produktionskreislauf trägt erstaunlich absurde Züge und könnte zu seiner eigenen Auslöschung beitragen.
Kinostart: 10. September 2020