Gute Arbeit statt BGE-Illusionen
Seit vielen Jahren diskutiert DIE LINKE über das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Nun kommt Bewegung in die Debatte. Denn auf dem nächsten Parteitag in Erfurt steht ein Antrag des Parteivorstandes zur Abstimmung, der einen Mitgliederentscheid zum Bedingungslosen Grundeinkommen vorsieht. Sollte der Parteitag dem Antrag folgen, wird der Mitgliederentscheid zum Bedingungslosen Grundeinkommen binnen eines Jahres ab September 2021 durchgeführt. Da eine solche Entscheidung durch die Mitglieder eine intensive und sachkundige Debatte benötigt, stellen wir hier die Positionen von Befürworter*innen und Gegner*innen des BGE vor. In ihrem Beitrag warnen Sabine Zimmermann und Ralf Krämer: Das BGE sei in der sozialen und linken Bewegung umstritten und hat massives Spaltungspotenzial.
Gute und verkürzte Arbeit und sanktionsfreie Mindestsicherung statt BGE-Illusionen
In einer reichen Gesellschaft sollen alle Menschen würdig leben können. Das ist ein zentrales Ziel unserer Partei DIE LINKE. Viele meinen fälschlich, darum ginge es auch beim bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), und begrüßen daher, dass Italien und Spanien vermeintlich ein solches Grundeinkommen eingeführt haben. Tatsächlich ging es in Italien und Spanien aber um eine Grundsicherung, ähnlich dem deutschen Hartz-IV-System. Ein BGE soll hingegen unterschiedslos für alle in der Gesellschaft gezahlt werden, unabhängig von Einkommen und Vermögen. Über 70 Millionen Menschen würden eine Leistung bekommen, die sie nicht brauchen, weil sie über genügend andere Einkommen verfügen. Dadurch ergibt sich ein Finanzvolumen von über 1000 Milliarden Euro jährlich, das umverteilt werden müsste – mehr, als Bund, Länder und Gemeinden zusammen 2019 ausgegeben haben.
Manche meinen, Geld sei genug da und über Finanzierung zu reden sei per se neoliberal. Das ist natürlich nicht der Fall – Ökonomie ist Kernbestandteil linker Politik. Wir LINKE wollen durch eine hohe Besteuerung großer Einkommen, Vermögen und Erbschaften, von Unternehmensgewinnen und Finanztransaktionen und mit konsequenten Kampf gegen Steuerflucht jährlich an die 200 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen. Das ist sehr viel Geld, aber nur ein Bruchteil dessen, was für ein BGE erforderlich wäre. Zudem sind diese Mittel für öffentliche Investitionen, mehr Personal in Bildung und Pflege und bessere Sozialleistungen verplant, die überwiegend auch bei einem BGE weiter notwendig wären. Auch Kreditaufnahme oder Geldschöpfung wären nur in viel geringerem Umfang möglich, selbst wenn sie rechtlich zulässig wären.
Es gibt viele unterschiedliche Modelle eines BGE, darunter neoliberale, denen es darum geht, Arbeitnehmerrechte und Sozialstaat zugunsten eines BGE auf Hartz-IV-Niveau oder darunter zu schleifen. Die sozial ausgerichteten Modelle wie das der BAG Grundeinkommen der LINKEN sollen dagegen zusätzlich zu anderen Sozialleistungen sein – und erfordern dementsprechend gigantische Mehreinnahmen. Die BAG erfindet dazu neue Steuern und Umbauten der bisherigen Systeme. Sie ignoriert Überwälzungseffekte, rechtliche und politökonomische Grenzen, die im Kapitalismus eine Besteuerung der Gewinne mit 100 Prozent unmöglich machen. Bislang ist es nicht einmal gelungen, viel weniger weitreichende Forderungen durchzusetzen, obwohl es dafür breite Umfragemehrheiten gibt. Stattdessen wurden Unternehmenssteuern gesenkt und Sozialleistungen gekürzt.
BGE vs. Erwerbseinkommen
Ein BGE müsste immer zu Lasten der Erwerbseinkommen bzw. ihrer Kaufkraft finanziert werden. Überwiegend müsste es von den Lohnarbeitenden bezahlt werden. Viele würden per Saldo verlieren. Weil von jedem zusätzlich verdienten Euro vielleicht noch 20 Cent übrig blieben, müsste es flächendeckend Kontrollen gegen Schwarzarbeit und Steuerflucht geben. Das BGE würde neue Ungerechtigkeiten schaffen, etwa wenn Eigentümer*innen einer abbezahlten Wohnung selbst ohne Erwerbsarbeit im Ergebnis mehr Geld zur Verfügung hätten als erwerbstätige Menschen, die hohe Mieten für bescheidene Wohnungen bezahlen müssen. Angesichts der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse ist zu befürchten, dass die Lage der Mehrheit der Lohnabhängigen sich verschlechtern würde, während das Kapital ein BGE für verstärkte Lohndrückerei nutzen könnte. Denn der Lohn müsste ja nicht mehr existenzsichernd sein und damit entfiele eine zentrale Begründung für Mindestlöhne und Tarifverträge.
Die BGE-Forderungen beruhen auf Behauptungen, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten (vgl. dazu etwa ver.di Wirtschaftspolitik Informationen 4/2017). Sie machen Menschen falsche Hoffnungen und lenken ab von Forderungen, für die es reale Durchsetzungsmöglichkeiten gibt und für die wir gemeinsam mit Bündnispartner*innen in Gewerkschaften, Sozialverbänden und Initiativen kämpfen.
Gemeinsam für ein Recht auf gute Arbeit
Im langfristigen Ziel sind sich linke Befürworter*innen und Gegner*innen eines BGE einig: Überwindung des kapitalistischen Zwangs zur Erwerbsarbeit und zunehmende Verteilung von Arbeit und Wohlstand dem Motto „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Was Marx aber als das Ergebnis einer langen Entwicklung des Sozialismus beschreibt, steht beim BGE am Anfang. Doch innerhalb des Kapitalismus gibt es nur für Einzelne, aber nicht für die Gesellschaft insgesamt eine Alternative zur Erwerbsarbeit. Diese müsste unvermindert weitergehen, weil nur sie die Güter und Dienstleistungen produziert, die man mit einem BGE kaufen könnte, und die Einkommen, die zur Finanzierung umverteilt werden müssten.
Hier gilt es daher anzusetzen: Gemeinsam treten wir als LINKE ein für ein Recht auf gute Arbeit, die verkürzt und gerecht verteilt werden muss, für bessere Renten und für eine sanktionsfreie Mindestsicherung, die alle vor Armut schützt. Wir wollen einen Ausbau öffentlicher Dienstleistungen, einen sozial-ökologischen Umbau und einen Weg zu einem demokratischen Sozialismus, der die Herrschaft des Kapitals überwindet. Das ist essenziell und profilbildend für die Partei. Die BGE-Forderung steht dazu in Konkurrenz und Widerspruch (auch wenn die BAG Grundeinkommen das Gegenteil behauptet).
Die Forderung nach einem BGE ist in der sozialen und linken Bewegung völlig umstritten und hat massives Spaltungspotenzial. Im Grundsatzprogramm der LINKEN wurde festgehalten, dass die Forderung kontrovers diskutiert wird. „Jede Form von Entscheidung in dieser Frage (…) in der einen oder anderen Richtung würde jeweils Teile der Partei und ihrer sozialen Basis von der LINKEN abstoßen.“ (Bundesparteitag 2015) Daran hat sich nichts geändert. Deshalb kann das BGE nicht Programm der LINKEN werden.
Den Beitrag der BGE-Befürworter*innen findet ihr hier: https://www.links-bewegt.de/de/article/107.endlich-eine-neue-soziale-idee.html