Zum Zuschauen verdammt
- Jules El-Khatib
Am 13. September finden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt. Doch etwa 10 Prozent der Einwohner*innen dürfen nicht wählen, weil sie nicht die richtige Staatsbürgerschaft haben. Wer in einem Land außerhalb der EU geboren wurde und immer noch den Pass seines Geburtslandes besitzt, darf nicht mitentscheiden, wer in den Kommunalparlamenten sitzt. Dabei geht es auch anders: Mindestens 16 EU-Staaten, darunter Belgien, Dänemark, Italien und die Niederlande, erlauben Nicht-EU-Ausländer*innen die aktive und passive Beteiligung an Kommunalwahlen. Weltweit sind es mehr als 50 Staaten, die Menschen mit anderen Staatsbürgerschaften die demokratische Partizipation möglich machen. In vier Ländern gibt es sogar das aktive Wahlrecht auf nationaler Ebene: Chile, Uruguay, Neuseeland und Malawi.
Damit sind sie allen deutschen Bundesländern voraus, denn in Deutschland existiert kein einziges Bundesland, in dem Migrantinnen und Migranten ohne Staatsbürgerschaft eines EU-Landes die Möglichkeit haben, aktiv oder passiv an Wahlen zu partizipieren. Damit einher geht der Ausschluss von Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene. Sowohl von migrantischen Organisationen als auch großen Teilen der Wissenschaft wird das seit längerem bemängelt. Dennoch hat sich bisher in keinem einzigen Bundesland eine Mehrheit gefunden, um diesen Ausschluss von demokratischen Partizipationsprozessen abzuschaffen.
DIE LINKE prangert diese Ungerechtigkeit zwar an und fordert das volle aktive Wahlrecht für alle Menschen, die länger als 5 Jahre in Deutschland leben. Aktiv geworden ist sie in der Frage bisher allerdings kaum. Dies muss sich ändern! Wenn Menschen, die hier seit Jahren leben, bei Wahlen nur zuschauen dürfen, sorgt das langfristig für Entfremdung und verschärft Diskriminierungserfahrungen. Strukturen wie Integrationsräte, die eine Wahl für Migrant*innen ermöglichen, sind ein gutes Zeichen, verfügen selbst aber nur bedingt über Handlungs- und vor allem Entscheidungsmöglichkeiten. Die progressiven Regelungen, die in Ländern wie Chile, Uruguay, Neuseeland oder Malawi existieren, sollten ein Orientierungspunkt für DIE LINKE sein. Bei den kommenden Wahlen muss daher deutlich gemacht werden, dass DIE LINKE nicht nur all jene in ihre demokratischen Entscheidungsprozesse einbinden will, die wählen dürfen, sondern auch dafür kämpfen wird, dass bei Wahlen niemand mehr ausgeschlossen wird.