Kindergrundsicherung – Chance vertan!
Wer Kinder aus der Armut herausholen möchte, muss zum einen ernsthaften politischen Willen zeigen und zum anderen kämpfen. Nach staatsmännischem verbalen Hauen, Stechen und Feilschen um Milliarden steht nun die Kindergrundsicherung. Vom Stehen kann aber eigentlich nicht mehr geredet werden. Sie fiel in sich zusammen, wie ein Schneemann in der Sonne. Familienministerin Paus hatte zu Beginn zwölf Milliarden, später bis zu sieben Milliarden pro Jahr gefordert. Finanzminister Lindner hatte in seinem Ressort zwei Milliarden eingeplant. Herausgekommen sind rund 2,4 Milliarden für die Zusammenführung der Leistungen inklusive Verwaltungskosten. Die Kindergrundsicherung soll bisherige Leistungen wie Kindergeld oder Kinderzuschlag bündeln und weitere Leistungen, wie das Bildungs- und Teilhabepaket neu organisieren. Zudem sollen die bisherigen Leistungen entbürokratisiert und digitalisiert werden, um so mehr Familien zu erreichen. Die Auszahlung erfolgt anschließend über die Familienkasse.
20 bis 28 Euro mehr im Monat
„2022 galt jedes fünfte Kind als von Armut bedroht oder betroffen“, stellt der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Kindergrundsicherung fest. Die Armut, nennen wir es ruhig Elternarmut, ist seit Jahrzehnten hoch, steigerte und zementierte sich durch die Agenda 2010. Die Regelsätze in Hartz IV, bzw. im neuen Bürgergeld sind bis heute künstlich klein gerechnet. Zum neuen Jahr werden zwar das Bürgergeld und die Sätze in der Grundsicherung im Alter und bei der Erwerbsminderung der Inflation angepasst, aber wir kennen ja alle den Satz: Gegen Armut hilft nur Geld. Paus nannte im „Frühstart“ von „ntv“ erstmals konkrete Summen für die Kindergrundsicherung. Diese liegen zwischen 530 und 636 Euro im Monat. Oder einfacher ausgedrückt: Monatlich wären das zwischen 20 und 28 Euro mehr.
Es ist eine Schande …
Über ungelegte Eier soll man bekanntlich nicht spekulieren. Trotzdem ist dieses Ergebnis schon jetzt eine Schande. Es ist eine Schande, da die Kindergrundsicherung bereits die neuen Sätze für 2024 inkludiert hat. Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren erhalten ab dem kommenden Jahr zwischen 39 und 51 Euro mehr im Monat. Es ist eine Schande, da weiterhin die Erhöhung des Kindergeldes, auf das Bürgergeld angerechnet wird. Da ändert der neue Name „Kindergarantiebetrag“ nichts daran. Summa summarum bleiben die Kinder und deren Eltern im Bürgergeldbezug arm. Von einem „Neustart der Familienförderung“, wie es das „Einigungspapier Kindergrundsicherung“ der Bundesregierung beschreibt, kann nicht gesprochen werden. Die Sozialpolitik ist erneut kläglich gescheitert. Da hilft es auch nicht, wenn die Bundesregierung ein Wort-Bombardement kreiert und herniederprasselt, dass es ausgeschlossen ist, darüber nachzudenken, wenn aus dem Kindergeld der Kindergarantiebetrag wird oder der in sich auflösende Kinderzuschlag zukünftig Kinderzusatzbetrag heißt. Die Bundesregierung ignoriert, dass eine intelligente Sozialpolitik alle mitnimmt und der Mensch sich darin frei entfalten soll. Ohne Existenzängste, ohne ständigem Taschenrechner im Kopf, sondern mit einer Grundsicherheit, die ihm ein Leben ermöglicht, um seine demokratischen Rechte wahrzunehmen. Dazu gehört neben den Grundbedürfnissen auch die sozio-kulturelle Teilhabe. Aus diesem Grund gehören eine intelligente Sozialpolitik und Demokratie unweigerlich zusammen. Sie inkludieren und integrieren. In diesem Bereich die Schuldenbremse mit brachialer Gewalt durchzusetzen, ist ein fataler Fehler. Jede:r, selbst der überzeugteste Sparfetischist muss wissen, dass die finanziellen Folgen der Armut und einer entsolidarisierten Gesellschaft größer sind als alle Kosten einer Sozialpolitik, die den Menschen nicht am Hungertuch leiden lässt, sondern an der Gesellschaft teilhaben lässt. Und wieder ist eine Chance in dem Drama „Armut beseitigen“ vertan. Schade.