Die Teuerungsrate frisst den Geldbeutel
Zerrinnt das Geld der Menschen in den Nahrungsmitteln? Kurze Antwort: Ja. Subjektiv gefühlt ist inzwischen alles doppelt so teuer geworden.
Die Butter, ja, die Butter, die ist günstiger. Die gibt es jetzt schon für durchschnittliche 1,49 Euro. Wie immer, weiß das Statistische Bundesamt eine genauere Antwort: Um 22,3 Prozent erhöhten sich die Preise im März für Nahrungsmittel gegenüber März des letzten Jahres. Das war sogar mehr als im Februar. Da waren es „nur“ 21,8 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr. Essen müssen wir. Am besten noch gesund. Zu einem gesunden Essen gehören Gemüse, Fisch, Getreide und Obst. Das lernten wir schon in der Schule. Und wir lernen vom Statistischen Bundesamt, dass Gemüse, Getreideerzeugnisse und Fisch sich besonders verteuerten. Hier liegt die Spanne zwischen 22 Prozent (Fisch) und 27 Prozent (Gemüse). Dazwischen liegt das Brot (23 Prozent). Ach ja, und die Butter: Sie sank um sieben Prozent. Und zum Ausgleich stieg das Obst um sieben Prozent. Statistische Zahlen und Zahlen vom Vorjahr: Für Menschen mit wenig Einkommen ist das eher uninteressant. Sie spüren es schmerzlich im Geldbeutel. Jede Verteuerung trifft sie nämlich hammerhart. Da ist es egal, ob sie Grundsicherungen beziehen, ob sie eine Minirente erhalten oder sie gerade mal so über dem Mindestlohn verdienen. Wer kaum Geld hat, spürt die Inflation viel heftiger, weil fast zwei Drittel des Nettoeinkommens für die Grundversorgung draufgehen. Für Grundsicherungsleistungsberechtigte stehen zwischen 3,50 Euro (Baby, Kleinkind) und 5,80 Euro (Erwachsene) täglich für die Nahrungsaufnahme zur Verfügung. Sie spüren es fünfmal stärker als Menschen mit hohen Einkommen. Und wer kein Geld hat, kann auch nicht sparen, um den Ausgleich abzumildern. Das hat die Diakonie mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) letztes Jahr ausgerechnet.
Überlastung der Tafeln
Was bleibt? Mit Scham geht man zur Tafel. Die Tafeln berichten von Aufnahmestopps, von immer weniger Lebensmittelspenden und von immer mehr Menschen, die trotz Arbeit ihren leeren Kühlschrank mit Spenden auffüllen. Zumindest für ein paar Tage. Die Wartelisten der Tafeln werden immer länger. Glück hat derjenige, wo es keine Wartelisten gibt, und die wenigen Waren auf alle verteilt werden. Und Glück haben diejenigen, in deren Stadt es eine Suppenküche oder Foodsharing gibt. Wer wenig Geld hat, muss täglich neu jonglieren und sich fragen: „Kann ich mir das leisten?“ Die Frage: „Will ich mir das leisten?“, ist verboten. Diese Frage würde sofort einen Krater in das Haushaltsbudget reißen, welcher nicht mehr zu füllen wäre.
Linksfraktion fragt nach Entlastungen
Die Bundestags-Linksfraktion fragte im April die Bundesregierung, „mit welchen Maßnahmen sie den Teuerungen entgegenwirken möchte“. Gleichzeitig machte sie den Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel, wie es Spanien und Portugal getan haben, abzuschaffen. Die Antwort: Die Bundesregierung beobachte das Marktgeschehen und habe die Nahrungsmittelpreisanstiege gesehen. Sie sehe aber derzeit eine deutliche Entspannung bei den Agrarrohstoffen und bei der Energie. Ihre Glaskugel zeigt, dass sich diese Entspannung „über kurz oder lang auch in den Lebensmittelpreisen niederschlagen“ wird. Es wäre nicht die Bundesregierung, wenn in der Antwort nun nicht noch das große: „Wir haben aber …“. In diesem Fall ziehen sie die Entlastungsmaßnahmen aus ihrer Bundesschatzkiste. Vier an der Zahl. Waren da die Entlastungspakete I-III, die Mindestlohnerhöhung, die vorausschauende Anpassung der Bürgergeldberechnung an die Teuerungsraten sowie die Gas- und Strompreisbremsen. All dieses entlastet, wenn es nach der Bundesregierung geht, die Bürgerinnen und Bürger auf breiter Basis auch in diesem Jahr spürbar. Warum solle dann irgendwas Neues initiiert werden? Tja, hätten sie mal im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Auswertung des DIW gelesen. Dann wüssten sie, dass die Entlastungspakete zwar einkommensschwächere Haushalte stärker als reiche entlastet haben, aber diese eben nicht ausreichten, um die höheren Preise vollständig auszugleichen. Ob wir nun von 13, 14 oder gar noch mehr Millionen Armen sprechen, das hilft den Armen nicht. Wer kaum Geld hat, muss schauen, wie er über die Runden kommt. Vielleicht verhungert niemand in Deutschland. Aber wenig Geld bedeutet immer aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Jedes fünfte Kind ist arm. Armut bestimmt das Leben. Vierundzwanzig Stunden. Von morgens bis nachts. Sie beschämt, sie stresst. Und die Antwort der Bundesregierung trotzt vor einer Selbstzufriedenheit, dass die Milch im Kühlschrank sauer wird.